Im Normalfall sind die Themen meines Blogs relativ leicht verdaulich und unpolitisch (mit Ausnahme meines Artikels über das Freizeitbad Ried vor eineinhalb Jahren, welcher große Wellen geschlagen hat und über 13.000x gelesen wurde). Nun will ich mich zum zweiten Mal einem ernsten Thema widmen, welches mir auch persönlich am Herzen liegt.
Am 13. Dezember 2018 wurde in einer Gemeinderatssitzung in Ried ein Antrag auf Einleitung der Umwidmung und Rodung des so genannten Brauereiparks im Zentrum von Ried beschlossen. Dieser Antrag auf Umwidmung wurde mehrheitlich von allen im Gemeinderat vertretenen Parteien gestellt. Wie man im Protokoll dieser Sitzung nachlesen kann, gab es nur eine einzige Stimmenthaltung (Sabine Haury von den Grünen). Nach der Umwidmung in Bauland soll ein Neubau des Frauenhaus Innviertel errichtet werden. Hierzu findet man im oben genannten Protokoll folgende Information:
Für das Frauenhaus ist eine Widmung als Wohngebiet, Gemischtes Baugebiet od. Kerngebiet notwendig. Da im Westen und Norden an diese Grundstücksfläche die Widmung WR = Reines Wohngebiet anschließt, sollte für das Frauenhaus die Widmung W= Wohngebiet verordnet sein. Nach Rücksprache mit den Vertretern des Amtes der Oö. Landesregierung, Raumordnung, ist zwischen der Widmung Wohngebiet und der Widmung Betriebsbaugebiet ein Abstand von rd. 80 m erforderlich. In diesem Fall bedeutet dies, dass neben dem vorhanden 40 m breiten Grünzug noch zusätzlich im Bereich der Widmung Betriebsbaugebiet bis zu einer Tiefe von 40 m eine Schutz- und Pufferzone verordnet werden muss. Im Bebauungsplan ist eine Straßenfluchtlinie mit 5 m Abstand zur Straße vorzusehen. Vorgeschlagen werden als GFZ 0,4, als Geschoßanzahl 2 und die Bebauung als offene Bebauung. Der Stadtrat schlägt in seiner Sitzung vom 04.12.2018 einstimmig dem Gemeinderat die Einleitung der Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes wie vorgetragenzur Beschlussfassung vor.“
Ein Frauenhaus ist eine wichtige und richtige Institution, lediglich die dafür vorgeschlagene Örtlichkeit ist völlig falsch.
Unter dem Namen „Wir retten den Brauereipark – Gemeinsam“ gibt es daher auch aktiven und organisierten Widerstand gegen die Pläne der Gemeinde, unter anderem durch eine Online-Petition, welche bis dato (Stand 24. März 2019) 410 Menschen unterschrieben haben. Wie man im Infotext der Initiatoren nachlesen kann, wendet sich die Petition auch ausdrücklich nicht gegen die Institution Frauenhaus, sondern nur gegen die gewählte Örtlichkeit. An dieses Statement will ich mich persönlich vollinhaltlich anschließen.
Als Anrainer mit einer Entfernung von 170m (siehe Karte aus Google Maps) bin ich von der geplanten Umwidmung des Parks mehr oder weniger direkt betroffen. Mit dem Brauereipark verbinde ich viele Erinnerungen aus meiner Kindheit, sei es beim Spielen mit meiner Schwester und Freunden oder später als Treffpunkt mit Schulkollegen nach dem Unterricht. Auch dem Biologieunterricht im Gymnasium dient der Park (auch dank des Zusammenflusses von Oberach und Breitsach in den Rieder Bach) seit Jahrzehnten aufgrund der Nähe als Ort für eine aktive Unterrichtsgestaltung.
Der Brauereipark wurde 1978 vom Verschönerungsverein Ried als Ort der Erholung für die Bevölkerung angelegt. Mit Ausnahme des Stadtparks gibt es fast keine allgemeinen (also nicht-privaten) Grünflächen mehr in Ried, es wäre also frappant eine derartige Oase mitten im Stadtgebiet zu opfern. Er dient auch vielen Singvögeln als Niststätte, was angesichts der alarmierenden Bestandsrückgänge einzelner Vogelarten von bis zu 80% in den vergangenen 20 Jahren (Quelle = OON vom 23. Februar 2019) ein weiterer Schlag ins Gesicht des Tier- und Naturschutzes wäre.
Foto (c) 2019 Gerald Emprechtinger
Es ist (nicht nur für mich) wieder einmal völlig unverständlich, wie ein solcher Beschluss im Gemeinderat (wie schon beim Freizeitbad, welches ursprünglich ohne Jahreskarten hätte eröffnet werden sollen) im Grunde einstimmig beschlossen werden konnte und man dies anschließend klammheimlich (quasi an den Anrainern vorbei) in die Realität umsetzen wollte.
Ich habe im Laufe der letzten Wochen mit einigen Initiatoren und Anrainern gesprochen. Viele Menschen stellen sich die zentrale Frage, ob man hier bereits alle möglichen Alternativen in Erwägung gezogen und analysiert hat (Persönliche Anmerkung: polemisch gesagt kann ich mir das nicht vorstellen, beim Freizeitbad wurden augenscheinlich auch keine Eintrittspreise im restlichen Bundesland verglichen). Wie auch immer, es ist nicht mehr lange Zeit für Gegenwehr, die alles entscheidende Gemeinderatssitzung findet bereits am 28. März (also in vier Tagen) statt.
Foto (c) 2019 Gerald Emprechtinger
Verstoß gegen das Raumordnungsgesetz?
Heute wurde von den Initiatoren folgendes mutmachendes Update (siehe unter „Neuigkeiten“) verschickt:
Der Brauereipark hat gute Chancen zu überleben, dank der großartigen Unterstützung vieler Riederinnen und Rieder aber auch darüber hinaus! Vielen Dank! […] Es bestehe starker Zweifel darüber, ob die Umwidmung des Brauereiparks zu Bauland nicht fundamental gegen das oberösterreichische Raumordnungsgesetz verstoße. Unter anderem in einem zentralen Punkt: Der Abwägung des öffentlichen Interesses. Dies werde regelmäßig (verständlicherweise) nicht nachhaltig geprüft, wenn ein quasi unstrittiger Gemeinderatsbeschluss vorliege.
Wie kannst du helfen?
Je mehr Menschen sich gegen die Rodung des Brauereiparks einsetzen, desto mehr sollten die gewählten Vertreter der Stadt Ried ins Grübeln kommen, ob hier eine richtige Entscheidung getroffen wurde (Spoiler: nein).
Es gibt eine Facebook-Seite mit allen aktuellen Informationen.
Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren habe ich mir heuer eine Änderung an meinem Bewertungssystem überlegt. Weil ich nämlich im Laufe der letzten Jahre viel Feedback erhalten habe, dass mein Blog den meisten Lesern als Hilfe hinsichtlich der Entdeckung von neuen Serien dient, habe ich meine Liste deswegen heuer lediglich auf Serienpremieren beschränkt.
Was habe ich sonst geschaut? Die aktuelle Staffel von Better Call Saul war erneut brilliant und Emmys bzw. Globes für Bob Odenkirk sind eigentlich überfällig. BoJack Horseman bleibt die beste Animationsserie und bei Billions bin ich jetzt schon auf die neue Staffel gespannt. Silicon Valley wird natürlich weiterhin geschaut werden. Das wunderbar herunterziehende The Affair wird kommendes Jahr zu Ende gehen (wobei ich keine Ahnung haben, wie das aufgrund der letzten Staffel funktionieren soll).
Die Mini-Serie Collateral war (trotz Carey Mulligan) ein Flop und die letzten (Halb-)Staffeln von Unbreakable Kimmy Schmidt und Arrested Development blieben deutlich hinter meinen hochgesteckten Erwartungen zurück. Die neuen Staffeln von Bosch und Goliath haben mich leider ebenfalls enttäuscht, ähnliches gilt für Ozark.
Atlanta, The Handmaid’s Tale und The Americans habe ich bis heute nicht geschaut und finden sich daher nicht in meiner Wertung (bzw. würden sich sowieso nicht in meiner Wertung finden, da keine dieser Serien neu ist). Mit dem gut rezensierten The Terror konnte ich mich aufgrund des Settings nicht wirklich anfreunden. Wenn ich mir diese letzten Zeilen selber durchlese, dann verbringe ich eindeutig zu viel Freizeit mit Serien. Aber egal, here we go:
10. Patrick Melrose (SHOWTIME / sky)
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Jennifer Jason Leigh, Hugo Weaving
Das Leben von Patrick Melrose wird von Drogen und Alkohol bestimmt. Als sein verhasster Vater stirbt, beschließt er sein Leben zu ändern. Die Serie begleitet sein Leben während der fünf Folgen über knapp vier Jahrzehnte und durch Südfrankreich, die USA sowie England. Benedict Cumberbatch (ein weiterer Beweis dafür, dass es keine Grenze zwischen Filmstars und TV-Stars mehr gibt) brilliert dabei als überdrehter und von Drogen und Alkohol getriebener Aristrokratensohn und wurde für seine Rolle auch für den Golden Globe nominiert. Die Serie basiert auf der Romanvorlage von Edward St Aubyn (welche halb-autobiographisch angelegt sein soll) und zeichnet das Bild einer verkommenen Klassengesellschaft. Es ist (positiv gemeint) auch mühsam, Jennifer Jason Leigh (Oscarnominierung für The Hateful Eight) als Mutter von Patrick zuzusehen, wie sie über Jahrzehnte hinweg weiß, dass ihr Sohn misshandelt wird, aber nichts sagen oder dagegen unternehmen kann und sich dann selber als Opfer darstellt. Definitiv keine Serie für entspannende oder lustige Abende.
09. Jack Ryan (Amazon Prime Video)
Darsteller: John Krasinski, Wendell Pierce, Abbie Cornish, Ali Suliman, Dina Shihabi
Als mittlerweile fünfter Schauspieler (nach Alec Baldwin, Harrison Ford, Ben Affleck und Chris Pine) spielt John Krasinski (der mit A Quiet Place bereits in meinem Filmjahresrückblick vorkam) den CIA-Analysten Jack Ryan. Unter der Führung von James Greer (gespielt von Wendell Pierce – der Vater von Meghan Markle in Suits) jagt der ehemalige Marine-Soldat und Doktor der Okönomie um die halbe Welt, um einen mutmaßlichen Terroristen im Nahen Osten dingfest zu machen. Jack Ryan ist kurzweilige und kompromisslose Action mit einem charismatischen John Krasinski in der Titelrolle des bekanntesten Charakters von John Clancy. Die Storyline verfängt sich meiner Meinung nach ab und zu zwar in Nebensächlichkeiten und verläuft genau so, wie man sich dies erwartet, das Handwerk ist jedoch gut gemacht. Eine zweite Staffel wurde bereits knapp nach Release der ersten Staffel fixiert und wird weitere Abenteuer des ungewöhnlichen Protagonisten liefern.
08. The Haunting Of Hill House (Netflix)
Darsteller: Michael Huisman, Carlo Gugino, Henry Thomas, Elizabeth Reaser
Regisseur Mike Flanagan lieferte im Laufe der letzten Jahre mit Ouija und Gerald’s Game (keine Beziehung mit yours truly) bereits einige mittelmäßig bekannte Horrorfilme. Mit der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Shirley Jackson hat er für Netflix jedoch die mit Sicherheit beste Horrorserie des Jahres abgeliefert. THOHH folgt der Familiengeschichte der Großfamilie Crain (fünf Kinder) über mehrere Jahrzehnte hinweg, die zu Beginn in den 80er Jahren in ein altes und baufälliges Haus ziehen und dieses eigentlich nur renovieren und später verkaufen wollen. Schon bald passieren seltsame Dinge und der Zuseher bekommt dieses ungute Gefühl, dass jederzeit etwas Schlimmes passieren kann. Was auch der Fall ist, denn THOHH liefert mitunter einige der nettesten Jump-Scares des Jahres 2018. Von manchen amerikanischen Outlets wurde die Serie bzw. das Ende auch als This Is Us für Horrorthriller bezeichnet – ein Prädikat, dem ich durchaus etwas abgewinnen kann.
07. Succession (HBO / Amazon Video)
Darsteller: Hiam Abbass, Nicholas Braun, Brian Cox, Kieran Culkin, Jeremy Strong
Oscarpreisträger Adam McKay (Drehbuch für The Big Short) liefert mit Succession eine Mischung aus Billions und Wall-Street-Satire. Der Mogul Logan Roy (für den Rupert Murdoch ein mehr als nur loses Vorbild gewesen sein dürfte) verkündet an seinem 80. Geburtstag, dass er sich doch nicht aus den Firmenagenden zurückzieht sondern weiterhin an der Spitze des Imperiums stehen wird. Sehr zum Missfallen seiner intriganten und verzogenen Kinder (u.a. Kieran Culkin, der für seine Rolle für den Golden Globe als Bester Nebendarsteller nominiert wurde). Die Story verfolgt in weiterer Folge das Leben seiner vier Kinder und was diese mit dem Medienimperium anstellen würden, falls sie die Nachfolge irgendwann doch antreten müssten bzw. könnten. Succession ist eine dieser Serien, bei der jeder Charakter zutiefst unsympathisch ist, man aber irgendwann aus abstrusen Gründen mit einzelnen Personen mitfiebert. Leider verliert sich die Serie nach einigen Folgen etwas zu viel in der Sparte Familiendrama, sie hätte nämlich bei mehr Fokus auf den Part der Mediensatire in meinem Ranking durchaus noch einige Plätze weiter vorne landen können.
06. Bodyguard (BBC / Netflix)
Darsteller: Richard Madden, Sophie Rundle, Ash Tandon, Gina McKee, Vincent Franklin
Als ich Bodyguard auf Netflix entdeckte, dachte ich (wie vermutlich die allermeisten Menschen) zunächst an den Film aus 1992 mit Kevin Costner und Whitney Houston. Damit hat die Serie allerdings herzlich wenig zu tun. Richard Madden (populär geworden in seiner Rolle als Robb Stark in Game of Thrones) spielt einen Ex-Marine mit PTSD, der zu Beginn der Serie ein Bombenattentat auf einen fahrenden Zug verhindern kann. Sein tägliches Brot verdient David Budd als Personenschützer in der britischen Regierung und folglich wird er der Innenministerin Julia Montague als Bodyguard zugeteilt, deren Politik eigentlich gegen alle Prinzipien verstößt, welche der Kriegsveteran vertritt. Von seiner Frau und seinem Kind getrennt lebend, beginnt er wider jeglicher Vernunft eine romantische Affäre mit seiner Chefin, welche wiederum in den Mittelpunkt einer Politverschwörung gerät. Bodyguard wurde durch seine kompromisslose Action sowie wendungsreiche Handlung zum Überraschungshit für Netflix, deswegen wird auch bereits über eine 2. Staffel gemunkelt. Sowohl Madden als auch die Serie wurden jeweils für den Golden Globe nominiert.
05. Sharp Objects (HBO / sky)
Darsteller: Amy Adams, Patricia Clarkson, Chris Messina, Eliza Scanlen, Matt Craven
Die 5-fach (bzw. dank Vice demnächst 6-fach) oscarnominierte Amy Adams in einer Serie von Jean-Marc Vallee (vielfach preisgekrönt für Big Little Lies). Habe ich schon erwähnt, dass die Romanvorlage dazu von Gillian Flynn (Gone Girl) stammt? „Yes please“ habe ich mir bei diesem Setting gedacht, welches dem Genre des Psychothrillers bzw. Mysterydramas zuzuordnen ist. Zur Handlung: Camille Preaker ist Crime-Reporterin und kehrt aufgrund des grausamen Mordes an zwei Kindern in ihre Heimatstadt irgendwo in Missouri zurück. Sie zieht dabei für die Recherchearbeit vorübergehend in ihrem Elternhaus ein und muss sich daher auch mit ihrer kritischen Mutter Adora (herrlich von Patricia Clarkson gespielt) auseinandersetzen. Camille schleppt viele persönliche Dämonen mit sich, sie ist alkoholkrank und wurde auch erst vor kurzem aus der Psychiatrie entlassen, weil sie sich jahrelang selber verletzt hatte. Sowohl die Serie als auch Adams und Clarkson wurden jeweils (völlig verdientermaßen) für den Golden Globe nominiert.
04. Escape At Dannemora (SHOWTIME / sky)
Darsteller: Benicio Del Toro, Patricia Arquette, Paul Dano, Bonnie Hunt, David Morse
Basierend auf einer wahren Geschichte aus dem Sommer 2015 verfilmte Ben Stiller (ja, DER Ben Stiller) das Drama über zwei inhaftierte Mörder (dargestellt von Oscarpreisträger Benicio Del Toro sowie Paul Dano), welche eine Gefängnisangestellte (Oscarpreisträgerin Patricia Arquette) bezirzen, sexuelle Beziehungen beginnen und damit in weiterer Folge aus dem Gefängnis in Dannemora entfliehen können. Die Serie und Arquette wurden jeweils für den Golden Globe nominiert und zweitere gilt dabei auch als haushohe Favoritin auf den Sieg. Trotz nur sieben Folgen, keiner Chance auf eine Fortsetzung (das ist kein Spoiler, sondern eher logisch bei einer Realverfilmung) und einigen grandiosen Schauspielern ist Escape At Dannemora zwar noch immer schwere Kost, jedoch absolut sehenswert, hauptsächlich weil die Story dahinter eigentlich so unglaublich ist, dass sie erfunden klingt.
03. Homecoming (Amazon Prime Video)
Darsteller: Julia Roberts, Bobby Carnivale, Stephan James, Shea Whigham, Sissy Spacek
Das Seriendebüt eines weiteren Hollywood-Superstars: Oscarpreisträgerin Julia Roberts spielt in ihrer ersten Serienrolle überhaupt die Psychiaterin Heidi Bergman, welche in einer Institution namens Homecoming Transitional Support Center arbeitet. Dort soll sie einer Testgruppe von aus dem Krieg heimgekehrten Marines dabei helfen, sich in einer geschlossenen Übergangsphase wieder an das normale Leben abseits von Kriegsschauplätzen gewöhnen zu können. Zeitgleich geht ein Bürokrat aus dem Verteidigungsministerium einer Beschwerde hinsichtlich Bergman nach und so kreuzen sich die Pfade der Protagonisten. Die Serie stammt aus der Feder von Sam Esmail (Mr. Robot) und spielt geschickt mit den verschiedenen Handlungssträngen (mehr Information wäre an dieser Stelle ein handfester Spoiler). Wie fast immer in Mystery-Serien: vieles ist in Wirklichkeit anders, als es zunächst scheint. Neben Roberts brilliert auch Bobby Cannavale (Boardwalk Empire) als manipulativer Supervisor welcher die Vorgänge im Homecoming Center auf Basis der wirtschaftlichen Ziele der Geist Group steuert. Neben der Serie und Roberts ist auch Stephan James (ein Soldat, mit dem der Charakter von Roberts eine unerlaubte sexuelle Beziehung beginnt) für den Golden Globe nominiert.
02. Barry (HBO / sky)
Darsteller: Bill Hader, Sarah Goldberg, Henry Winkler, Stephen Root, Glenn Fleshler
Der hierzulande eher wenig bekannte Bill Hader (Superbad) ist in den USA durch sein früheres Wirken in Saturday Night Live ein Star. In der HBO-Serie Barry spielt er den gleichnamigen Titelcharakter, einen Ex-Marine und Auftragskiller, der aber eigentlich viel lieber Schauspieler wäre. Als ihn ein Auftragsmord zufällig in die City of Stars führt, packt er die Gelegenheit beim Schopf und mietet sich ein Apartment und inskribiert bei einem Theaterkurs. Dieser Kurs wird vom abgehalfterten Gene Cousineau (Henry Winkler) geleitet, dem es primär um das Abkassieren der Kursgebühren und weniger um die Entwicklung seiner Talente geht. Dort verliebt sich Barry auch in seine Mitschülerin Sally. Und weil romantische Gefühle für einen Auftragskiller mit PTSD eher komplex sind und auch sein Boss etwas dagegen hat, dass er kein Killer mehr sein will, verstrickt sich Barry in ein Netz aus (Not-)Lügen und Ausreden. Sowohl Hader als auch Winkler konnten für ihre Rollen eine Emmy gewinnen und gelten daher auch bei den Globes als Favoriten. Für mich ist die Serie aus der Feder von Alec Berg (Silicon Valley) einer der (düsteren) Comedyhits des Jahres.
01. Killing Eve (BBC America / BBC iPlayer)
Darsteller: Sandra Oh, Jodie Comer, Fiona Shaw, Kim Bodnia
Sandra Oh (bekannt aus Grey’s Anatomy) und die hierzulande unbekannte Jodie Comer in einem Katz-und-Maus-Spiel auf Basis der Codename Villanelle Buchreihe von Luke Jennings. Erstere ist die amerikanische Kriminalpsychologin Eve Polastri, welche zunächst für den MI5 arbeitet und in ihrer Arbeit von weiblichen Mörderinnen fasziniert ist. Zweitere ist eine soziopathische Auftragskillerin mit dem Codenamen Villanelle, welche die Aufträge ihres Handlers sadistisch, zynisch und geradezu überheblich erledigt. Als Polastri nach einem missglückten Fall die Chance bekommt, für den MI6 zu arbeiten und die Identität der unbekannten Assassinin aufzudecken, dreht die Gejagte den Spieß kurzerhand um und beginnt ein Spiel, welches eine blutigen Pfad quer durch Europa (die Handlung findet unter anderem in Wien, Berlin, Paris und London statt) zieht. Die Serie lebt von ihren beiden starken weiblichen Charakteren, ist stets spannend und hat viele Wendungen parat. Warum diese Serie noch keinen Platz in einem deutschsprachigen Streamingdienst (looking at you Netflix, Amazon, sky) gefunden hat, ist ziemlich unerklärlich. Sowohl die Serie als auch Oh sind für den Globe nominiert und 2019 folgt die zweite Staffel.
Nachwort
Bestimmte Themen (Auftragsmörder/Mörder, PTSD, kaputte Familien) ziehen sich spannenderweise durch alle meine heurigen Top10-Serien. Das Publikum scheint seinen Gefallen an kaputten Charakteren gefunden zu haben. Von den seichten Charakteren und Handlungen aus den 90er und frühen 00er-Jahren ist man seit Serien wie Breaking Bad ziemlich weit entfernt und deswegen verschwimmt die Grenze zwischen Hollywood und TV (an den Beispielen Julia Roberts, Amy Adams, Benedict Cumberbatch, Benicio Del Toro) auch zunehmend. Galt man früher entweder als Film- oder Seriendarsteller, so können Hollywoodstars mittlerweile auch beides sein. Dies hebt das Qualitätsniveau dieser Serien natürlich ungemein.
Pay-TV-Giganten (HBO, SHOWTIME) bzw. neuere Distributionsmodelle (Netflix, Amazon) lassen es natürlich auch zu, dass die Protagonisten (Produzenten, Drehbuchautoren, Schauspieler) fast sämtliche Freiheiten besitzen und nicht wie früher durch die Vorschriften von linearen TV-Sendern eingeschränkt sind. Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren noch weiter fortsetzen. Bis auf CBS, NBC, FOX usw. profitieren auch alle Stakeholder davon.
https://emprechtinger.com/wp-content/uploads/2018/12/The-Haunting-Of-Hill-House.jpg640960Gerald Emprechtingerhttps://emprechtinger.com/wp-content/uploads/2018/04/emprechtinger-com-logo-2.pngGerald Emprechtinger2018-12-30 14:13:142019-01-02 19:30:35Best of 2018: TV Serien
Zum mittlerweile bereits sechsten Mal küre ich knapp vor Jahreswechsel meine zehn Lieblingsfilme des fast abgelaufenen Kalenderjahrs. Hier zur Übersicht die bisherigen Gewinner des prestigelosen Titel „Film des Jahres von Gerald Emprechtinger“:
Für wirklich grandiose Filme war 2018 ein gefühlt schwaches Kinojahr, ich persönlich hatte noch nie so wenige Filme auf meiner Shortlist und meine heurigen Top3 hätten es in manch anderem Jahr vielleicht nicht einmal unter die Top5 geschafft. Das US-Boxoffice sieht dies etwas anders, dank Black Panther sowie Fortsetzungen von Avengers, Jurassic Park, Incredibles, Deadpool, Antman und Mission Impossible wurde das Einspielergebnis des Vorjahrs um etwa 500 Mio. übertroffen.
Kurz zum Modus: ich inkludiere wie immer alle Filme, welche ich zwischen 1.1. und (im Fall von heuer) 27.12. gesehen habe, egal ob diese schon Ende 2017 in den amerikanischen Kinos angelaufen sind. Filme, welche bereits in der Awards Season 2017/2018 berücksichtigt wurden (z.B. Three Billboards Outside Ebbing, Missouri), habe ich jedoch weggelassen. Der Name in Klammer ist die/der RegisseurIn des Films, ein Klick auf die erste Zahl führt zum IMDb-Score (Fan-Bewertung von 0.0 bis 10.0) und bei einem Klick auf die zweite Ziffer gelangt man zum Metascore (durchschnittlicher Kritikerwert der sich von 0-100 erstreckt) des jeweiligen Films. In der Synopsis erkläre ich kurz (und weitestgehend spoilerfrei) die Handlung des Films.
Um etwas vorwegzunehmen: die heurige Liste besteht aus zwei Familiendramen, einer Politsatire, einer Mystery-Comedy, einem Stop-Motion-Film, einem Superhelden-Film, zwei Horrorfilmen und zwei biographischen Filmen.
Synopsis: Ein Vater und seine Tochter im Teenageralter leben in einer selbst gebauten Zelt/Holz-Behausung in den Wäldern rund um Portland, Oregon. Sie leben jedoch nicht als Einsiedler, sondern machen sich regelmäßig zu Fuß auf den Weg in die Stadt, um lebensnotwendige Dinge wie etwa Gas oder bestimmte Toiletteartikel oder Arzneien einzukaufen. Man weiß nicht wieso sie abgeschieden von der Zivilisation leben – man erfährt lediglich, dass die Mutter nicht mehr lebt und der Vater ein ehemaliger Soldat ist, welcher kein Vertrauen mehr in die Menschheit hat. Als sich das Schicksal der beiden durch einen Fehler des Vaters entscheidend verändert, muss die Tochter für sich selber eine folgenschwere Entscheidung treffen.
Begründung: Die Autorin und Regisseurin des Films, Debra Granik, schaffte ihren Durchbruch 2010 mit Winter’s Bone, für den sie auch für den Oscar nominiert wurde (und der auch den Durchbruch für Jennifer Lawrence bedeutete). Auch diesmal spielt eine Newcomerin alle anderen an die Wand. Die 18-jährige Neuseeländerin Thomasin McKenzie wurde für ihre Darbietung für viele renommierte Kritikerpreise nominiert und galt lange sogar als eventuelle Kandidatin für eine Oscar-Nominierung. Neben McKenzie sorgen auch die Naturaufnahmen der Wälder von Oregon und Washington für eine dichte Atmosphäre. Wer sich Action oder übermäßig viel Spannung erwartet, ist fehl am Platze. Leave No Trace ist eine Art coming-of-age-Film und handelt vom sich verändernden Verhältnis zwischen einem Vater und seiner pubertierenden Tochter. Ein Indie-Juwel, welches unter dem Radar der Kinogänger gelaufen ist und daher vermutlich nur dann einem breiteren Publikum bekannt werden wird, falls man eine Oscar-Nominierung (z.B. für Kamera oder Adaptiertes Drehbuch) einheimsen kann.
9. The Death Of Stalin (Armando Ianucci // 7.2 // 88)
Darsteller: Simon Russell Beale, Steve Buscemi, Jeffrey Tambor, Michael Palin, Paddy Considine, Jason Isaacs, Olga Kurylenko
Synopsis: Moskau im Jahre 1953: Joseph Stalin stirbt an den Folgen einer Hirnblutung. Wenig später werden die wichtigsten Mitglieder des Zentralkomitees der KPdSU (ZK) herbeigerufen, um Krisenmanagement zu betreiben. Ein unmittelbarer Machtkampf um die Nachfolge von Stalin zwischen Geheimdienstchef Beria und ZK-Sekretär Chruschtschow entbrennt, bei dem keiner der beiden vor Sabotage und Beeinflussung der anderen Akteure (u.a. Georgi Malenkow, Wjatscheslaw Molotow) und der Öffentlich zurückschreckt. Am Tag von Stalins Beerdigung kommt es auch zum Putsch und es kann daher nur einen Gewinner geben.
Begründung: Armando Ianucci beweist mit Veep schon seit Jahren, dass er (US-)Politsatire beherrscht. Mit The Death Of Stalin wagte er sich heuer auch erstmals auf die Kinoleinwand. Man kann den Ausflug als durchaus gelungen bezeichnen. Der Film ist stellenweise komplett überdreht und sogar stellenweise grausam. Er überzeugt aber vor allem durch Wort- und Dialogwitz sowie ein überragendes Ensemble, aus dem vor allem Buscemi (Reservoir Dogs, Fargo, Armageddon) und Tambor (Arrested Development bzw. Transparent) herausstechen. Aber grundsätzlich sind alle Charaktere hoffnungslos intrigant, neurotisch, zynisch und paranoid – anders hat man als enger Gefolgsmann von Stalin wohl aber auch nicht überleben können. In Russland wurde der Film wenig überraschend indiziert, da es sich „um einen Angriff auf die Ehre Russlands“ handle. Ich persönlich habe vor allem diverse historische Fakten gelernt, beispielsweise dass sich der hierzulande vergleichsweise unbekannte Lawrenti Beria während seiner Zeit als Geheimdienstchef für den Tod von Hundert tausenden von Menschen verantwortlich zeichnete. Dies war auch eine Hauptkritik am Film, dass kaum Platz für die Opfer des stalinistischen Terrorregimes bleibt.
Darsteller: Jason Bateman, Rachel McAdams, Kyle Chandler, Jesse Plemons, Michael C. Hall
Synopsis: Das Ehepaar Annie und Max trifft sich regelmäßig mit seinen besten Freunden und veranstaltet Spieleabende. Als der Spieleabend bei Max‘ Sonnyboy-Bruder Brooks ausgetragen wird, wird ein interaktives Rollenspiel getestet. Kurz nach der Erklärung der Regeln brechen zwei maskierte Männer in das Haus ein und entführen Brooks nach einem kurzen Kampf. Die restliche Gruppe hält diese Aktion für einen Teil des Rollenspiels und schaut tatenlos bzw. amüsiert zu. In weiterer Folge untersuchen sie das Haus nach Hinweisen und nehmen schließlich der Verfolgung der Entführer auf, halten die Situationen und Dialoge mit vermeintlichen Protagonisten aber weiterhin für ein Spiel…
Begründung: Jungregisseur John Francis Daley (bekannt als Hauptcharakter in Freaks & Geeks) hat mit Game Night eine flotte Mystery-Comedy geschaffen, welche in ihrer Handlung kaum Pausen einlegt. Besonders gut gefallen hat mir gefallen, dass einige alt bekannte Film-Klischees nicht befolgt wurden bzw. sogar auf den Kopf gestellt wurden (Stichwort Glastisch). Neben den Hauptprotagonisten Jason Bateman und Rachel McAdams ist vor allem der Charakter von Jesse Plemons (Breaking Bad) herrlich schräg und anfänglich auch nicht wirklich einschätzbar. Der Film ist einigermaßen anspruchslos und mit Sicherheit kein Material für Cineasten. Wer allerdings zwei Stunden Zeit hat und diese mit einem spannenden, lustigen und kurzweiligen Film verbringen will, der sollte durchaus über Game Night nachdenken.
Darsteller (Originalstimmen): Bryan Cranston, Ed Norton, Bill Murray, Jeff Goldblum, Bob Balaban, Liev Schreiber
Synopsis: Nach dem Ausbruch einer übertragbaren Hundegrippe in der fiktiven japanischen Stadt Megasaki City werden vom despotischen Bürgermeister Kobayashi alle Hunde auf eine abgeschiedene Müllinsel verbannt. Der erste Hund, der auf die Insel deportiert wird, ist Spot, der Wachhund des 12-jährigen Atari, der wiederum das Mündel von Kobayashi ist. Ein halbes Jahr später macht sich Atari mit einer kleinen Propellermaschine auf die Suche nach seinem kleinen Freund und stürzt dabei auf der Insel ab. Er wird von einer Gruppe von Alpha-Hunden geborgen, die die klingenden Namen Chief, Rex, King, Boss und Duke tragen. In weiterer Folge helfen sie ihm bei der Suche nach Spot. Währenddessen arbeiten auf der Hauptinsel Wissenschaftler daran, ein Serum zu erstellen, welches die Hundegrippe heilen kann. Dies ist jedoch nicht im Sinne von Kobayashi, der die Hunde auf der Müllinsel am liebsten töten würde..
Begründung: Filme von Wes Anderson sind stets Pflichtprogramm. Es gibt kaum Regisseure, welche penibler an ihren Geschichten und Charakteren tüfteln. In seinem zweiten Stop-Motion-Film nach The Fantastic Mr. Fox (u.a. mit George Clooney und Meryl Streep) widmet er sich diesmal der japanischen Kultur. Und dabei folgt ihm wieder alles, was Rang und Namen hat. Bis in die kleinste Nebenrolle werden die Hunde (und auch Menschen) von Stars wie Scarlett Johansson, Yoko Ono, Greta Gerwig, Tilda Swinton, Harvey Keitel oder F. Murray Abraham gesprochen. Die Filmmusik stammt wie immer von Alexandre Desplat und ist bereits für den Golden Globe nominiert. Kinderfilm ist Isle Of Dogs trotz seiner niedlichen Optik natürlich keiner, denn genau genommen dreht sich die Handlung um viele ernste Themen wie Krankheit, Verfolgung oder Deportation. Aber wie könnte es auch anders sein – letztendlich löst sich (fast) alles in Wohlgefallen auf.
Synopsis: Irgendwann in der nahen Zukunft. Scheinbar nur wenige Menschen haben eine Invasion von Aliens überlebt. Darunter auch das Ehepaar Abbott mit ihren drei Kindern. Sie bewegen sich zu Fuß (barfuß) und kommunizieren in Gebärdensprache. Als der jüngste Sohn ein heimlich mitgenommenes elektronisches Raumschiff fallen lässt und dieses einen vorprogrammierten Sound abspielt, wird er wenige Sekunden später von einem Alien angegriffen und weggezerrt. Man erfährt in weiterer Folge, dass die Aliens nur auf Schall reagieren (können) und man daher nur eine Überlebenschance hat, wenn man sich absolut ruhig verhält. Blöd nur, dass die Frau gerade mit ihrem vierten Kind schwanger ist und kurz vor der Geburt steht..
Begründung: A Quiet Place ist gemessen an Produktionskosten (17 Mio.) und Einspielergebnis (341 Mio.) einer der erfolgreichsten Filme des Jahres 2018. Der Endzeit-Horrorfilm ist der Regie-Durchbruch für John Krasinski, der heuer auch als Jack Ryan in der gleichnamigen Amazon-Serie reüssieren konnte. Für die Hauptrolle seiner Ehefrau konnte er seine echte Ehefrau Emily Blunt gewinnen. Der Film lebt primär von der beinahe unerträglichen Stille, es gibt nur wenige Dialoge und diese auch nur im Flüsterton. Dementsprechend emotional ist der Film auch stellenweise, hauptsächlich weil niemand seine Emotionen verbal äußern kann. AQP ist ein weiteres Werk in der Renaissance des Horrofilms, der letztes Jahr von Get Out eingeläutet wurde. Im Gegensatz zu den 90ern, wo mit Scream, Ich weiß was du letzten Sommer getan hast das Slasher-Genre seine Hoch-Zeit hatte und den 00ern, wo mit Saw oder Final Destination Menschen auf perverseste Methoden umgebracht wurden, kann ich mich als großer Fan von The Shining sehr mit dieser neuen Welle des Psycho-Horrors identifizieren. Apropos…
Darsteller: Toni Collette, Gabriel Byrne, Ann Dowd, Milly Shapiro, Alex Wolff
Synopsis: Die Matriarchin einer Kleinstadtfamilie stirbt im Alter von 78 Jahren. Auf ihrem Begräbnis spricht ihre Tochter Annie über ihr schwieriges Verhältnis zur Mutter, mit der es zwischendurch auch jahrelang keinen Kontakt gab. Nach und nach erfährt man verstörende Fakten aus der Familienhistorie von Annie Graham, so hat sich etwa der Vater zu Tode gehungert und der Bruder im Alter von 16 Jahren selbst erhängt. Die 13-jährige Tochter Charlie ist entstellt und eine Außenseiterin. Ihre Freizeit verbringt sie beispielsweise damit, Figuren aus Plastikabfällen zu basteln und (toten) Vögeln den Kopf abzuschneiden. Ihr älterer Bruder Peter verbringt seine Freizeit primär mit dem Rauchen von Gras. Als es zu einem dramatischen Ereignis unter Beteiligung der beiden Geschwister kommt, verkommt das Leben der Familie Graham zu einem nicht enden wollenden Albtraum.
Begründung: Bei Previews in den USA kam es häufig vor, dass Zuschauer den Kinosaal während des Films verlassen mussten. Ich kann dies verstehen. Ich habe Hereditary einmal gesehen und werde mir den Film nie wieder ansehen. In den USA gab es sogar eine „Puls-Challenge“ – die Ergebnisse sprechen für sich. Über weite Strecken des Films hat man ein enorm ungutes bzw. bedrückendes Gefühl. Auch weil der Film nur teilweise ein Horrorfilm, gerade in der ersten Hälfte jedoch auch ein deprimierendes Familiendrama ist. Regisseur Aster spielt ebenfalls mit Horror-Klischees und manipuliert den Zuseher durch die abwechselnde Anwendung bzw. Nicht-Anwendung von bekannten Schemen. Toni Collette (Oscarnominierung für The Sixth Sense) überragt das kleine Ensemble als panisch-depressive Mutter und wurde für ihre schauspielerische Leistung auch bereits für den Critics Choice Award nominiert. Über das Ende des Films sollte man besser nicht zu viel nachdenken – dieses ist nämlich umso verstörender, je länger man darüber nachdenkt.
Darsteller: Chadwick Boseman, Michael B. Jordan, Lupta Nyong’o, Danai Gurira, Daniel Kaluuya, Letitia Wright, Martin Freeman
Synopsis: Wakanda ist eine afrikanische Nation, welche komplett von der Außenwelt abgeschnitten ist. Nach außen gibt man vor, ein Dritte-Welt-Land zu sein, dabei ist man jedoch durch das Metall Vibranium eine technisch weit fortgeschrittene Zivilisation. Nach einem Attentat auf seinen Vater (den König von Wakanda) übernimmt sein Sohn T’Challa den Thron. Er muss Wakanda in weiterer Folge vor allerlei bösen Einflüssen schützen, sowohl von innen als auch von außen.
Begründung: Black Panther ist ein Bestandteil des MCU (Marvel Comic Universe). Er ist deswegen besonders wichtig, weil die dunkelhäutige Community damit ihre(n) Held(en) erhalten hat, sowohl männliche als auch weibliche. Und dies hat vielen Ewiggestrigen nicht gepasst. Schon vor Release des Filmes gab es zielgerichtete Störaktionen von rechten Gruppierungen, so wurde u.a. versucht der IMDb-Wert des Filmes bewusst nach unten zu pushen. Dies alles hat freilich nichts gebracht, Black Panther ist der kommerziell zweit erfolgreichste Film des Jahres 2018 und musste sich nur Avengers: Infinity War geschlagen geben. Doch nicht nur bei den Zuschauern, sondern auch bei den Kritikern kam der Film exzellent an. Als erster Superheldenfilm überhaupt wurde er für einen Golden Globe für das Beste Drama des Jahres nominiert. Und dies aus meiner Sicht auch verdient, weil der Film nicht bloße Action ist, sondern auch kritische Themen wie die Stellung von Afrika in der globalisierten Welt bzw. die Stellung der Frau in einer zivilisierten Gesellschaft behandelt. Perfekt abgerundet wird Black Panther bei den End Credits auch vom Song All The Stars von Kendrick Lamar, welcher nicht nur für einen Golden Globe sondern auch für einen Grammy für Record of the Year nominiert wurde.
Darsteller: John David Washington, Adam Driver, Laura Harrier, Topher Grace, Ryan Eggold
Synopsis: Der junge Afroamerikaner Ron Stallworth bewirbt sich auf Basis einer Ausschreibung für ethnische Minderheiten um einen Posten bei der Polizei von Colorado Springs. Doch nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch innerhalb seiner Polizeikollegen wird er regelmäßig rassistisch konfrontiert. Aufgrund dessen bittet er den Polizeichef darum, nicht mehr im Archiv sondern als Undercover-Agent eingesetzt zu werden. Nach dem Lesen einer Zeitungsanzeige ruft er beim örtlichen Ku-Klux-Klan (KKK) an und gibt sich als Rassist aus, worauf hin er zu einem persönlichen Treffen eingeladen wird. Nachdem er dieses Treffen natürlich nicht selber wahrnehmen kann, bittet er seinen Polizeikollegen Flip Zimmerman darum, sich für Stallworth auszugeben. Stallworth wird nach einigen (von Zimmerman ausgeführten) Tests vom KKK aufgenommen und so hat die Polizei fortan Augen und Ohren mitten in der Terrormiliz.
Begründung: Das erstaunlichste Faktum an BlacKkKlansman ist, dass die Story auf einer wahren Begebenheit beruht. Spike Lees Verfilmung beruht auf der Autobiographie von Ron Stallworth bzw. den Aufzeichnungen der Investigationen gegen den KKK in den 1970er-Jahren. Der einigermaßen unbekannte John David Washington (Ballers) konnte mit seiner Darstellung von Stallworth bereits eine Golden Globe Nominierung einheimsen und ist auch ein Kandidat für eine Oscarnominierung. Nebenbei ist er der Sohn von Denzel Washington (der insgesamt viermal mit Lee zusammenarbeitete). Wie beinahe jeder Film von Spike Lee (Do The Right Thing, Malcolm X) dreht sich naturgemäß auch BlacKkKlansman um die Rolle der Afroamerikaner in der US-amerikanischen Gesellschaft. Der Film endet auch mit Originalfilmmaterial aus Charlottesville, wo 2017 rechtsradikale Gruppierungen aufmarschierten und die Journalistin Heather Heyer bei einem Autoanschlag getötet wurde. Der Film ist ein Statement gegen den Rechtsruck in den USA (bzw. überall auf der Welt) und soll den Zuschauer nicht vergessen lassen, was vor knapp 40 Jahren noch möglich war (und vielleicht bald wieder möglich ist).
Darsteller: John Cho, Debra Messing, Michelle La, Joseph Lee
Synopsis: Der Software-Entwickler David Kim muss seine 16-jährige Tochter Margot nach dem Krebstod seiner Ehefrau alleine erziehen. Sein Verhältnis zu seiner Tochter ist seit dem Tod der Mutter jedoch angespannt, weil er selber nicht genau weiß wie er den Tod verarbeiten kann oder mit seiner Tochter darüber sprechen kann. Eines Tages verschwindet Margot spurlos. Lediglich ihr MacBook dient als Anhaltspunkt für die letzten Schritte der Tochter. Schritt für Schritt durchsucht er ihre sozialen Profile nach Hinweisen und schon bald wird klar, dass seine Tochter nicht die Person war, welche sie stets vorgegeben hatte zu sein.
Begründung: Searching ist einer der ersten mir bekannten Thriller, welcher wirklich akkurat mit Spuren und Hinweisen auf digitalen Devices arbeitet. Es wird mit keinen Fake-Programmen oder Fake-Browsern gearbeitet (wie dies früher in Filmen oft der Fall war) sondern mit Chrome, Google, Facebook, Instagram, YouTube und vielen anderen Programmen und Apps, welche es auch in der Wirklichkeit gibt. Dies verleiht dem Film viel Authentizität und Nachvollziehbarkeit. Es gibt keine Super-Hacker bei der Polizei welche irgendwelche geheimen Indizien auffinden, sondern nur einen verzweifelten Vater, der allen noch so kleinen Spuren folgt um seine Tochter zu finden. Doch diese Bestandteile alleine ergeben noch keinen guten Film. Searching ist deswegen so weit vorne auf meiner Liste, weil er wirklich extrem spannende Handwerksarbeit ist und den Spannungsbogen vom Verschwinden der Tochter bis zur letzten Szene im Film konstant aufrecht erhalten kann. Und dies ohne dabei unrealistisch oder unglaubwürdig zu wirken. Und es gibt auch einige unerwartete Wendungen, welche jedoch ebenfalls nicht gekünstelt wirken.
Darsteller: Rami Malek, Gwilym Lee, Ben Hardy, Joseph Mazzello, Mike Myers
Synopsis: Queen steht beim Live-Aid im Wembley-Stadion kurz vor ihrem Auftritt. Dies bildet auch das Ende dieses Films. Nach einem Zeitsprung ins London des Jahres 1970 wird die Geschichte von Farrokh „Freddie“ Bulsara erzählt, der zusammen mit Roger Taylor, Brian May und John Deacon eine Band namens „Queen“ gründet. In weiterer Folge wird die Geschichte der legendären Musikgruppe erzählt, von den Drogenexzessen und exzessiven Partys über die unzähligen Welthits und Welttourneen bis zur HIV-Erkrankung von Freddy Mercury.
Begründung: Während Bohemian Rhapsody bei den Kritikern nicht besonders gut angekommen ist (der Metascore von 48 ist unterdurchschnittlich), so kam er beim Publikum umso besser an. Mit einem weltweiten Einspielergebnis von knapp 670 Millionen (bei Produktionskosten von 52 Millionen) ist der Film einer der erfolgreichsten des Jahres. Famos vor allem die Leistung von Rami Malek (Mr. Robot) als Mercury, der bereits für Golden Globe und SAG-Award nominiert wurde und wohl auch ein lock-in für eine Oscarnominierung ist. Ich habe Interviews mit Roger Taylor und Brian May gesehen, die lebenden Queen-Mitglieder waren über die Wahl des Mercury-Darstellers äußerst zufrieden und glücklich. Für mich persönlich ist Mercury der ultimative Showman des 20. Jahrhunderts. Bereits seit Jahren sage ich, wenn ich den Wunsch frei hätte, eine (historische) bestimmte Band live zu sehen, dann wäre dies mit absoluter Sicherheit Queen. Ich bin mit den Greatest Hits CDs der Band aufgewachsen, habe Bohemian Rhapsody per se (wie wohl viele Gleichaltrige) durch Wayne’s World entdeckt und mir die bestehenden Konzertaufnahmen der Band (z.B. Live Aid, Live in Montreal) mehrmals angesehen. Für mich wird Queen immer ein (schöner) Rückblick in meine Jugend sein. Daher war dieser Film für mich auch ein zweistündiges Highlight, welches den Abschluss meiner heurigen Liste bildet.
Knapp gescheitert an der Aufnahme in meine Top10 sind heuer Mission Impossible: Fallout (einer der besten Actionfilme der letzten Jahre), First Man (der leider einige Längen aufweist und mit Whiplash bzw. La La Land nicht mithalten kann), Incredibles 2 (bei dem für mich der Innovationsgrad fehlte), Annihilation (der ab einem bestimmten Punkt einfach zu komplex wird), A Simple Favor (kurzweilig aber auch nur kurz im Gedächtnis), Roma (cineastisch ein Meisterwerk, von der Story her musste ich aber dreimal aus Langeweile pausieren) und First Reformed (für den Ethan Hawke als aussichtsreicher Oscar-Anwärter gilt).
Noch nicht gesehen habe ich The Favourite (einer der Top-Oscarfavoriten des Jahres), A Star Is Born (hier gilt selbiges für Lady Gaga und Bradley Cooper), If Beale Street Could Talk und Widows.
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tl;dr – Thomas Weissenböck ist am 12. November als Cheftrainer der SV Ried zurückgetreten. Nach einer wochenlangen Offensiv- und Ergebniskrise ist der Aufstieg in die Bundesliga bereits im November in höchster Gefahr, der Abstand zum (aktuell einzigen) Konkurrenten aus Wattens liegt bei 6 Punkten. Wieder einmal war nur für wenige Monate Ruhe im Innviertel eingekehrt.
Es ist fast auf den Tag genau drei Monate her, als ich zum ersten Mal seit (gefühlten) Jahren einen positiven Beitrag über die SV Ried veröffentlicht hatte. Die SV Ried ist wieder ein Team hieß es von meiner Seite am 12. August 2018. Dieses Hochgefühl hielt auch danach noch einige Wochen an, denn Anfang September zeigte sich das nachfolgende Tabellenbild in der 2. Liga:
Als eine von zwei ungeschlagenen Mannschaften der Liga hatte man zum damaligen Zeitpunkt die vermeintlich größten Titelrivalen aus Wattens (2-1) und Liefering (3-0) in die Schranken gewiesen. Besonders die Leistung an einem 35°C heißen Sonntagvormittag gegen Wattens hatte es allen Anhängern der SVR angetan. Durch viel Leidenschaft, Kampfgeist und auch spielerische Klasse konnten die Kristall-Buam mit einer Niederlage nach Tirol heimgeschickt werden. Man hatte das untrügliche Gefühl, dass im Innviertel wieder ein zartes Pflänzchen am gedeihen war.
Kaum jemand konnte zu diesem Zeitpunkt erahnen, dass nur drei Monate später eine Herbstdepression im Innviertel vorherrschen würde. Vergleicht man nämlich den Saisonstart mit den acht nachfolgenden Runden, so zeigt sich ein völlig konträres Tabellenbild:
Seit der Länderspielpause im September hat man neun Punkte gegenüber Wattens verloren, acht Punkte gegenüber BW Linz (die jedoch auf den Aufstieg verzichten und deswegen kein echter Konkurrent sind). Von acht Spielen wurden gleich drei verloren. Am unglaublichsten ist allerdings der Fakt, dass man mit einer reinen Profimannschaft mit vielen bundesligaerfahrenen Spielern seither die wenigsten Tore der Liga erzielt hat.
Ein Torverhältnis von 7:6 in acht Spielen erinnert an eine durchschnittliche Catenaccio-Mannschaft aus der Serie A der späten 80er-Jahre. Durch die drei Gegentore am Freitag im Heimderby gegen BW Linz kann man nicht einmal mehr auf die beste Defensive der Liga verweisen, auch dieses Prädikat muss man sich mittlerweile mit Wattens teilen (die aber gleichzeitig 12 Tore mehr erzielen konnten).
Daher kam kam die Pressemeldung der SV Ried am Nachmittag des 12. November 2018 (zumindest für mich) nicht ganz überraschend.
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Nach 208 Tagen (bzw. 25 Spielen) trat Thomas Weissenböck freiwillig als Chefcoach der SV Ried zurück. Man muss ihm diese Entscheidung persönlich hoch anrechnen, denn (bei weitem) nicht jeder Trainer hätte zu diesem Zeitpunkt eine solche Entscheidung getroffen. Als Begründung gab er an, „der Mannschaft keine Impulse mehr geben zu können“.
Die schwachen, teilweise lethargischen Leistungen der vergangenen Wochen sind auch ein schlagkräftiges Indiz für seine Aussage. Mich hat zudem ziemlich verärgert, dass das unterirdische 0-0 bei Austria Klagenfurt mit „fehlender Spritzigkeit“ nach drei Spielen in einer Woche argumentiert wurde – in einer Saison mit so wenigen Pflichtspielen wie nie zuvor.
Auch waren einige Entscheidungen (wie etwa die kurzfristige Umstellung auf eine Dreierkette mit Thomas Reifeltshammer als linken Verteidiger gegen BW Linz, oder aber die Umstellung von Dreierkette auf Viererkette mit Flavio Dos Santos in der Startelf gegen den FAC) von außerhalb nur schwer nachzuvollziehen.
Nebenbei war bis zuletzt keine spielerische oder taktische Weiterentwicklung erkennbar – eher im Gegenteil, die Leistungen wurden zuletzt immer dürftiger obwohl zuletzt erstmalig der gesamte Kader zur Verfügung stand. Deswegen hat Weissenböck auch mein persönliches Vertrauen, das Ruder noch herumreißen zu können, im Laufe der letzten Wochen verloren.
Der gebürtige Grieskirchner wird den Verein jedoch nicht verlassen, sondern in das 2. Glied zurück rücken und wieder im Nachwuchs der SV Ried tätig sein. Auch dies ist für mich eine gute Entscheidung, weil Weissenböck zweifelsohne ein harter Arbeiter ist, welcher über die letzten Jahre hinweg auch nachhaltige Arbeit im Nachwuchsbereich geleistet hat und dort nicht mehr im Rampenlicht steht.
In die Rolle des Cheftrainers wurde er nach dem Hinauswurf von Lassaad Chabbi mehr oder weniger hinein gedrängt, auch weil Sportdirektor Franz Schiemer sich im Frühjahr von allen anderen Kandidaten nur Absagen einfing. Zu dieser Farce („Schinkels-Gate“) habe ich damals meine klare Meinung abgegeben.
Im Sommer kam es für viele nach dem verpassten Aufstieg auch überraschend, dass Weissenböck trotzdem den Vertrauensbeweis erhielt und das Amt weiterhin ausführen durfte. Dies wurde mitunter auch als Indiz für eine vermeintlich schwierige finanzielle Lage des Vereins nach dem kolportierten „All-In-Poker“ rund um den Aufstieg angesehen.
Für die Kaderplanung zeichnen sich andere verantwortlich
Es waren nämlich immer noch Roland Daxl und die anderen Vorstandsmitglieder, die im Februar 2017 den Novizen Franz Schiemer in einer schwierigen Situation zum neuen Sportdirektor bestellt hatten. Und es sind immer noch der Finanzvorstand und der Sportdirektor, welche den Kader der Vorsaison und der aktuellen Saison zusammengestellt haben.
Dabei wurden auch heuer wieder einige fragwürdige Entscheidungen getroffen. Mit Thomas Fröschl wurde etwa ein verdienter Spieler, welcher die Rieder Tugenden beispielhaft symbolisiert hat, im Sommer kommentarlos gegangen. Und genau solche Fußballarbeiter fehlen im aktuellen Kader. Ebenso fehlt ein Leadertyp oder Routinier in Defensive und/oder Mittelfeld, welcher den jungen Teamkollegen in schwierigen Situationen am (und auch neben dem Feld) sagen kann, wo es lang geht.
Im letzten Winter ließ man Marko Stankovic nach Indien ziehen, was sich im Nachhinein als Fehler entpuppte. Mit Cabrera, Mader, Grünwald (und auch Dober) verfügt Wattens übrigens gleich über mehrere dieser Spielertypen, welche für eine gute Balance mit den jungen Talenten sorgen.
Doch man muss nicht weiter als nach Linz blicken. Wie man für einen Umbruch binnen eines Sommers sorgen kann, hat BW Linz heuer mit einer Mischung aus arrivierten Oberösterreichern (Hartl, Fröschl, Grasegger) und talentierten Legionären (Canillas, Alan) bewiesen. Wie man Mario Ebenhofer (letzte Saison bei Wiener Neustadt 5 Tore und 10 Assists) als Tabellenletzter der Vorsaison ohne Gegenwehr ablösefrei verpflichten konnte, ist mir bis heute ein Rätsel.
Wie auch immer, in Ried wäre ein ähnlicher Umbruch im Sommer wohl an den (vergleichsweise) hochdotierten Bundesliga-Verträgen von Derzeit-Nicht-Leistungsträgern wie Wießmeier, Ziegl oder Reifeltshammer gescheitert, welche [also die Verträge] man mitschleppen muss. Immerhin konnte man im Sommer das Gehalt von Thomas Gebauer an den LASK abgeben und dafür mit Johannes Kreidl eine ohnehin jüngere und bessere Nummer Eins verpflichten.
SV Hollywood Ried
Apropos LASK. Jahrelang (jahrzehntelang) nahmen die Linzer dankenswerterweise die Rolle des FC Hollywood Oberösterreich ein: Die Affäre rund um Wolfgang Rieger, die „Fusion“ mit dem FC Linz, der Abstieg 2001 (inkl. sechs Jahren in der Zweitklassigkeit), die Präsidentschaft von Peter-Michael Reichel, der erneute Abstieg 2011, der Zwangsabstieg in die Regionalliga im darauf folgenden Jahr, der Nichtaufstieg in die Bundesliga als Aufstiegsfavorit – zwischen 1998 und 2015 sorgten die Linzer für viel (Schaden-)Freude unter den Anhängern der SV Ried.
In der gleichen Zeit holte die SV Ried zweimal den österreichischen Pokal, wurde Vizemeister der Bundesliga, spielte mehrfach im Europacup und galt in der Ära Paul Gludovatz unter vielen Experten aufgrund jahrelanger kontinuierlich guter Arbeit sogar als inoffizieller Bestandteil der „Top 5“ der Bundesliga (neben Rapid, Salzburg, Sturm und Austria).
Doch wie bereits erwähnt schlägt das Pendel seit wenigen Jahren (massiv) in die andere Richtung. Seit der Übernahme der Linzer durch die Freunde des LASK leistet man in Linz (bzw. Pasching) kontinuierlich gute Arbeit. Dies muss man bei aller Abneigung anerkennen.
Seit der Abgang von Oliver Glasner von Ried zum Erzrivalen nach Linz am Pfingstwochenende 2015 an die Öffentlichkeit drang, entfernen sich beide Mannschaften diametral zueinander. Der LASK ist aktuell die zweitbeste Mannschaft Österreichs. Handschrift, Taktik und Konzept des Trainers sind stets klar erkennbar. Die Kaderplanung von Glasner (der ebenfalls Sportdirektor ist) war während der letzten Jahre nahezu unfehlbar (Goiginger, Trauner, Joao Victor usw.) – in etwa wie dies vor einem Jahrzehnt noch bei Stefan Reiter in Ried der Fall war.
Seit die ehemalige Ried-Legende das Traineramt bei den Linzern übernommen hat, haben Trainer in Ried circa die gleiche Lebenszeit wie eine Heuschrecke. Schwarz auf weiß untermauert dies eine nachfolgende Aufstellung der Trainer, welche seit Mai 2015 (das sind 42 Monate) in Ried im Amt waren (vielen Dank an den ASB-User „meniqo“ für diese detaillierte Aufstellung):
Trainer
Amtsdauer
Punkteschnitt
Thomas Sageder (Interim)
6 Tage (1 Spiel)
1.00
Helgi Kolvidsson
76 Tage (6 Spiele)
0.76
Paul Gludovatz II
274 Tage (33 Spiele)
1.33
Christian Benbennek
272 Tage (25 Spiele)
0.92
Lassaad Chabbi
397 Tage (42 Spiele)
1.55
Franz Schiemer (Interim)
16 Tage (3 Spiele)
1.33
Thomas Weissenböck II
208 Tage (25 Spiele)
1.88
Miron Muslic (Interim)
???
???
Selbst wenn man die Interimslösungen aus der Gleichung nimmt, kommt man immer noch auf fünf verschiedene Trainer in knapp dreieinhalb Jahren. Kontinuität Fremdwort, wie Wolf Haas es vielleicht formulieren würde. Doch wer ist an dieser fehlenden Kontinuität der „neuen Nummer 3“ von Oberösterreich nun wirklich verantwortlich?
Aus viel wird wenig gemacht
Bis jetzt ist (zumindest offiziell) nicht klar, was das heurige Saisonziel ist. Mitunter hat man als Saisonziel eine „Entwicklung“ (ugh) der Mannschaft genannt. Mit dem höchsten Gesamtbudget der Liga sollte man jedoch zumindest im November noch annähernd um den Titel mitspielen. Dies ist aktuell nicht der Fall. Weder tabellarisch und spielerisch schon gar nicht.
Fun fact: seit dem Abstieg war die SVR in exakt 50 Ligaspielen auch 50x der Quotenfavorit auf den Sieg bei den Wettanbietern (Quelle = bwin). Dies kommt nicht von ungefähr – letzte Saison verfügte man über den teuersten Kader der Liga und auch heuer befindet man sich auf einer Stufe mit Wattens (lt. Schiemer verfügt man über das zweithöchste Kaderbudget nach den Tirolern).
An dieser Stelle muss auch die verhältnismäßig überragende Infrastruktur angeführt werden, welche man in Ried vorfindet: ein voll-überdachtes Stadion mit Rasenheizung in Vereinsbesitz, eines der modernsten Trainingszentren in Österreich, eine Nachwuchsakademie. Nicht nur in der 2. Liga sondern sogar auch in der Bundesliga würde man hiermit aktuell weit vorne mitspielen. Doch Infrastruktur schießt ebenso wie Geld keine Tore.
Wenn von den äußeren Bedingungen her alles passt, dann muss man sich die Entscheidungsträger genauer ansehen. Die allgemeine Kritik und Unzufriedenheit fokussiert sich immer wieder auf den Finanzvorstand Roland Daxl, den so genannten „starken Mann“ der SV Ried. Mehreren Quellen zufolge kam es am vergangenen Freitag nach dem Derby im VIP-Club der josko Arena bis in die frühen Morgenstunden zu (freundlich ausgedrückt) intensiven Diskussionen zwischen VIP-Club-Besuchern und den Vorstandsmitgliedern Daxl sowie Thomas Gahleitner.
Während der vergangenen Saison hatte ich Daxl und auch Sportdirektor Franz Schiemer in meinen Blogartikeln mehrmals (stark) kritisiert. Vor allem, weil vor Saisonbeginn ein nahezu unmenschlicher Erfolgsdruck auf die Mannschaft auferlegt wurde, an dem man letztendlich zerbrach.
Heuer hat man diese Taktik um 180° geändert, aus Erfolgsdruck wurde (zumindest in der Kommunikation nach außen) Montessoripädagogik. Denn von Daxl hört und liest man gar nichts mehr, von Schiemer kamen zumeist nur lapidare Kommentare. So nach dem Motto „sind eh alle brav“.
Es ist offenbar nicht möglich, Ergebnisse oder Entwicklungen in der Außenkommunikation halbwegs realistisch einzuschätzen. Kein Mensch mit Affinität für die SVR (weder Anhänger noch Sponsor) glaubt der Führungsriege, wenn behauptet wird, dass man mit dem aktuellen 3. Platz zufrieden sei.
Wer hat Angst vor den Amateuren? (Wir)
Zum Thema Außenkommunikation: in der Woche vor dem Cup-Ausscheiden gegen Wiener Neustadt wurde die Defensive in den Himmel gelobt – blieb man doch immerhin sechsmal en suite ohne Gegentor. Dass man in den letzten vier dieser sechs Spiele jedoch selber nur zwei Tore erzielen konnte, wurde beiläufig unter den Tisch gekehrt.
Die Gegner in diesen vier Spielen lauteten Wacker Innsbruck II, SV Lafnitz, Austria Lustenau und Austria Klagenfurt. Das sind drei Aufsteiger und zwei Halbprofiteams. Der Sieg gegen Wacker II fiel letztendlich glücklich aus, selbiges gilt für die beiden inferioren Auswärtsspiele in Lafnitz und Klagenfurt, welche jeweils mit 0-0 endeten. Lediglich (ausgerechnet?) beim 1-0 gegen Lustenau wurde eine wirklich ansprechende spielerische Leistung geboten.
Für mich grenzten diese Aussagen daher teilweise an Realitätsverweigerung (noch dazu von einem Sportdirektor wie Schiemer, der vergangene Saison noch RB-Offensiv-Power-Fußball spielen lassen wollte).
Generell zieht sich das „Amateurproblem“ durch die gesamte Saison. Von sieben Spielen gegen Amateurteams konnten nur die Heimspiele gegen Horn und Wacker II gewonnen werden. In Steyr, Amstetten, Lafnitz und Klagenfurt setzte es jeweils Unentschieden, gegen die Young Violets Austria Wien verlor man zuhause sogar.
Die möglichen Gründe für den Leistungsabfall gegenüber den Spielen gegen Topteams (gegen Wattens, Liefering, Kapfenberg, Austria Lustenau und Wiener Neustadt konnte man jeweils gewinnen) kann man sich wohl bis heute nicht erklären.
Hat man die vermeintlich schwächeren Gegner unterschätzt? Kommt man mit einer Dorfplatz-Atmosphäre (wie in Lafnitz) nicht zurecht? Hat man sich von den teilweise hart agierenden Mannschaften die Schneid abkaufen lassen? Hat man die Gegner nicht gut genug oder oft genug beobachtet? Fragen über Fragen – was auch immer die richtige(n) Antwort(en) sind, für viele dieser Ergebnisse kann ich dann Thomas Weissenböck doch nicht aus der Verantwortung nehmen.
Die eigenen Amateure
Im schlimmsten Fall geht man aufgrund dieser unterdurchschnittlichen Ergebnisse mit einem Rückstand von neun Punkten (und dem schlechteren Torverhältnis) gegenüber Wattens in die dreimonatige Winterpause. Sollte man in der zweiten Runde des Frühjahres das direkte Duell in Tirol verlieren, so kann man bereits Ende Februar für die nächste Saison in der Zweitklassigkeit planen.
Ob man am Ende der Saison Platz 2 oder Platz 13 belegt, spielt in dieser Liga keine Rolle. Und sollte der vorher genannte worst case eintreten, so kann man nur auf einen radikalen Umbruch im Team hoffen. Dass man Mannschaften binnen kurzer Zeit auch (wirklich) weiterentwickeln kann, beweist heuer Miron Muslic (siehe Foto unten) bei den Ried Amateuren (ich verbitte mir den Ausdruck „Junge Wikinger„).
Nachdem man vergangene Saison unter Florian Königseder dem Abstieg erst in der allerletzten Runde entgehen konnte, so spielt die (verjüngte) Truppe des gebürtigen Tirolers heuer um den Titel mit. Mit 29 Punkten zur Winterpause liegt man nur um 3 Punkte hinter dem Endwert der vergangenen Saison.
Wer den Ried Amateuren heuer einmal (oder mehrmals, wie in meinem Falle) bei der Arbeit zugesehen hat, der weiß bei welcher Mannschaft im Herbst in der josko Arena der bessere Fußball gespielt wurde. Aggressiver, direkter Offensivfußball mit einstudierten Spielzügen führten zu bemerkenswerten Ergebnissen wie einem 7-0 gegen Weißkirchen, einem 1-1 gegen den übermächtigen Meister aus Oedt oder zuletzt einem 2-1 gegen den Fast-Herbstmeister von Donau Linz.
Deswegen bin ich auch auf die kommenden (Trainings-)Tage in Ried gespannt. Unter Interimstrainer Muslic wird nämlich dort ein anderer Wind wehen – basierend auf den sechs Spielen welche ich im Herbst gesehen habe, steht er nämlich ab und zu nicht an der Seitenlinie, sondern er brodelt wie ein Vulkan. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich einige vermeintliche Stammspieler im letzten Spiel der Hinrunde gegen die OÖ Juniors nicht im Kader wiederfinden werden.
Und sollte es ab März wirklich nur mehr um die Goldene Ananas gehen (unter welchem Cheftrainer auch immer), dann kann man nur hoffen, dass Nachwuchstalente wie beispielsweise Belmin Cirkic (ein technisch überragender Spielmacher mit Freistoßqualitäten), Felix Seiwald (linker Verteidiger) oder Daniel Pointner (defensiver Mittelfeldspieler) vermehrt zum Einsatz kommen und dafür Profi-Treibholz (ich will hier keine Namen nennen) abgegeben wird.
Denn im Gegensatz zu einigen lethargischen Profis geben diese Nachwuchsspieler jedes Mal 90 Minuten Vollgas für ihre Mannschaft und sind dem Verein auch (viel tiefer) verbunden. Abgesehen davon will ich aus dem aktuellen Profikader auch Johannes Kreidl (22) sowie Constantin Reiner (21), Kennedy Boateng (21), Arne Ammerer (22) und Ante Bajic (23) positiv hervorheben. Bei diesen Spielern hat man immerhin das Gefühl, dass sie nicht stagnieren (oder abbauen) – ganz im Gegenteil zu den so genannten Ried-Urgesteinen oder fast allen verbliebenen Neuverpflichtungen aus der Ära Chabbi.
Die Zuschauer bleiben da
Der (im Endeffekt völlig verdiente) Abstieg vor zwei Jahren war ein Tiefpunkt der Rieder Fußballgeschichte. Dieser wurde im vergangenen Jahr vom Nichtaufstieg jedoch noch einmal (im negativen Sinne) getoppt. Doch ganz egal wo gespielt wird: „Ob erste oder zweite Liga – wir sind alle treue Rieder“ heißt es in einem bekannten Fangesang. Und dieser Inhalt wird nicht nur gesungen, denn auch heuer halten die (meisten) Anhänger der SV Ried weiterhin unerbittlich zu ihrer Mannschaft. Dies beweist ein Blick auf die Zuschauerzahlen der aktuellen Saison:
Mit einem Zuschauerschnitt von 3.424 Zuschauern nach sieben Heimspielen hat man bei jedem Heimspiel im Schnitt 1.400 Zuschauer mehr als der zweitbeste Verein aus dieser Aufstellung. Auf die gesamte Liga gerechnet waren sogar 19% der Gesamtzuschauer der bisherigen Saison in der josko Arena zu Gast.
Der aktuelle Schnitt übertrifft auch jenen der Admira und Mattersburg aus der Bundesliga, vom Sensationsaufsteiger aus Hartberg und der Überraschungsmannschaft aus St. Pölten ist man nicht weit entfernt. Im Gegensatz zu den Bundesligisten durfte man in Ried jedoch nicht Rapid, Salzburg oder den LASK begrüßen, sondern Horn, Young Violets und Liefering.
Es ist durchaus bemerkenswert, wie treu und leidensfähig eine Vielzahl an Anhängern ist. Nach der zweiten Chance (nach dem Abstieg) gaben die meisten der Mannschaft und Verein auch heuer eine dritte Chance (nach dem verpassten Wiederaufstieg). Ob es jedoch eine vierte Chance geben wird, steht derzeit noch in den Sternen.
Denn auch Leidensfähigkeit und Geduld der treusten Fans haben irgendwann ihr Ende. Bereits vergangenen Freitag hallten „Trainer raus“ und „Schiemer raus“ Sprechchöre durch das Stadion. Der Unmut und die Unzufriedenheit unter den Fans (und Fanclubs) ist aktuell auf einem noch nie da gewesenen Level. Dies bemerkt man bei jedem Gespräch mit langjährigen Ried-Anhängern. Eine Mischung aus Resignation und Wut hat sich im Laufe der vergangenen Wochen im Innviertel breit gemacht.
Vor allem das völlig unnötige Cup-Out im Heimspiel gegen Wiener Neustadt (mit einem Mann mehr am Platz hat man beim Stand von 1-1 einen Elfmeter verschossen und anschließend noch verloren) war bezeichnend für die aktuelle Situation des Vereins. Hier wurde fahrlässig ein etwaiges Heimspiel gegen Rapid, Salzburg oder den LASK verspielt. Ein volles Stadion hätte neben dem Startgeld und TV-Geldern einen segenreichen Obolus in sechsstelliger Höhe für die Vereinskasse bedeutet.
Quo vadis SV Ried, schon wieder.
Fehlende bzw. sinkende Zuschauereinnahmen sind (neben fehlenden TV-Geldern) auch ein großes finanzielles Problem für die SV Ried. Im Laufe der letzten Tage habe ich auch Gerüchte vernommen, dass die Saison 2018/2019 zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht ausfinanziert sei. Die Substanz hinter diesen Gerüchten kann ich freilich nicht verifizieren.
Aufgrund der diversen Ausgangsbedingungen der 2. Liga dürfte es allerdings nicht einfach sein, den Profibetrieb (auf mittelfristige Sicht in der Zweitklassigkeit) aufrecht zu erhalten.
Im vergangenen Sommer wurde der Sparstift notgedrungen nicht nur bei der Kaderplanung angesetzt, sondern u.a. auch bei Angestellten (z.B. Co-Trainer, Nachwuchstrainer) oder etwa Auswärtsspielen (bei kürzeren Anreisen verzichtet man auf die Anreise am Vorabend inkl. Übernachtung). Welche Konsequenzen ein erneuter Nichtaufstieg auf die kommende Saison haben würde, will ich mir derzeit (noch) nicht einmal vorstellen.
Denn wäre der Aufstieg letzte Saison theoretisch so leicht wie nie zuvor (zwei Aufstiegsplätze, ein Relegationsplatz) realisierbar gewesen, so wäre es heuer ebenfalls noch relativ einfach (gewesen?). Ab kommender Saison wird der Aufstiegskampf wieder deutlich schwieriger werden, mit der Admira, Altach, Mattersburg oder Innsbruck (diese Vereine sind am wahrscheinlichsten) wird die Liga nämlich wieder durch einen namhaften Verein bereichert werden.
Ein zweiter namhafter Gegner wird höchstwahrscheinlich GAK heißen, die Grazer liegen derzeit mit Respektabstand an der Tabellenspitze der Regionalliga Mitte. Durch den Absteiger aus der Bundesliga, BW Linz, Austria Lustenau und dem GAK würde man kommende Saison dann wohl auch zum ersten Mal nicht mehr der (Quoten-)Favorit auf den Aufstieg sein.
Im Februar 2017 wurde als mittelfristige Zielsetzung eine Rückkehr in den Europacup angestrebt. Knapp eineinhalb Jahre und viele unglückliche Entscheidungen später ist die SV Ried hingegen so weit entfernt vom Europacup wie schon seit 28 Jahren nicht mehr. Die kommenden Monate und Entscheidungen der Vereinsverantwortlichen werden es zeigen, ob das Fußballwunder Ried (zumindest vorerst) Geschichte ist oder doch noch ein neues Kapitel geschrieben werden kann.
https://emprechtinger.com/wp-content/uploads/2018/11/weissenboeck-schiemer.jpg568696Gerald Emprechtingerhttps://emprechtinger.com/wp-content/uploads/2018/04/emprechtinger-com-logo-2.pngGerald Emprechtinger2018-11-13 13:27:492018-12-16 17:40:20SV Ried: Jetzt ist schon wieder was passiert
„Oben (in der Bundesliga, Anm.) ist es Freizeitdienstleistung, Glitzer, Glamour, Show, Schampus und Scampi. Unten ist es Leberkäse und Bier.“ Bundesligavorstand Reinhard Herovits, 24. Juli 2018
Gleich mal vorweg: wenn man bodenständige Vereine wie Mattersburg, Hartberg oder die Admira betrachtet, dann sind Schampus und Scampi in dieser Aussage genau so deplatziert wie Skirennen im Oktober. Und wenn die 2. Liga heuer Leberkäse und Bier symbolisieren soll, dann handelt es sich dabei mehrheitlich um abgestandenes Bier und Leberkäse über dem Verfallsdatum.
Nach diesem etwas polemischen Einstieg in meinen Blogbeitrag gehe ich sofort in medias res. 12 von 30 Runden der „neuen“ 2. Liga sind absolviert, Grund genug mir die augenscheinlichsten Trends und Auffälligkeiten der letzten vier Monate anzusehen.
Ein Disclaimer vorweg: es handelt sich dabei um meine persönliche Meinung, welche durch Empfindungen, Gesprächen mit anderen ligainteressierten Menschen und Artikeln untermauert ist.
Zurück ins 20. Jahrhundert
Besonders schlimm ist der technische Rückschritt beim Übertragungsstandard. 2003 hat sky (damals noch als Premiere) die zweithöchste Spielklasse als Red Zac Erste Liga (später ADEG Erste Liga, noch später skyGo Erste Liga) in ein neues Zeitalter gehievt. Von einer Saison auf die andere gab es plötzlich Liveübertragungen von allen Spielen, fixe Spieltermine am Freitag um 18:30 bzw. 20:30 und kompetente Kommentatoren bei jedem Spiel. Die Liga wurde zur Marke, die Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Bundesliga wurde gesteigert und dadurch konnten die Aufsteiger in die Bundesliga auch meistens unmittelbar auftrumpfen – egal ob jetzt Grödig bzw. Altach unter Hütter, Ried unter Hochhauser oder der WAC unter Bjelica.
Der Ausstieg von sky aus der 2. Liga war für mich persönlich mehr als verständlich. Weder das Ligaformat noch die Vereinsstruktur kann als Premiumprodukt bezeichnet werden (und soll es auch nicht gemäß Herovits-Aussage). Die Laola1-Streams der Spiele sind zwar nett gemeint, meistens aber technisch ungenügend (auch mit Premium-Abo) umgesetzt (mit zwei Kameras und Übertragungsrucksack). Die Qualität des Kommentars ist im Vergleich mit den Kapazundern von sky wie etwa Trukesitz, Paternina oder Konrad leider ungleich schlechter (und teilweise werden auch halblustige Kabarettisten als „Experten“ verpflichtet) und wirkt bei weitem nicht so vorbereitet und/oder souverän.
Mir war Laola1 und viele seiner Reporter wirklich immer sehr sympathisch, aber mit dem Spieltermin am Sonntag und der Umsetzung der Ligarechte wurden viele Sympathien verspielt.
Ebenfalls gab es dank Opta Sports vielfältige Statistiken aus der 2. Liga (bzw. damals noch Erste Liga) – Ballbesitz, Fouls, durchschnittliche Feldpositionen, Zweikampfwerte usw. – im Grunde alles, was das Statistikerherz begehrte. Dies ist seit heuer passé. Der Vertrag mit dem Dienstleister wurde nicht verlängert (oder gekündigt?). Seit heuer liefert Sportradar/Laola1 die Statistiken: nämlich Tore, Assists und Karten. That’s it. Ein Zustand wie in grauer Vorzeit des Fußballsports. Ohne eigenes Equipment (wie etwa FieldWiz bei Ried) hätten die Vereine sämtliche wichtigen Informationen hinsichtlich der Performance der eigenen Spieler verloren.
Abgesehen davon schafft es nicht einmal die eigene Website der 2. Liga, die Zuschauerzahlen anzuzeigen. Diese muss man sich über Portale wie weltfussball.at oder alternativ direkt bei fussballoesterreich.at besorgen. Vermutlich hat dies auch taktische Gründe, dass die Zuschauerzahlen auf der offiziellen Seite nicht angezeigt werden, auf diese Weise muss sich niemand über die deprimierenden Zahlen schämen. Dies bringt mich direkt zur Zuschauerentwicklung.
Das Zuschauerinteresse ist begrenzt
12 von 16 Vereinen der Liga konnten im Vergleich zum Vorjahr bislang zwar einen leichten Anstieg der Zuschauerzahlen verzeichnen. Weil die Zuschauerzahlen in meiner initialen Berechnung etwas kontrovers diskutiert werden, habe ich mich am 2. November im Nachhinein zu einer separierten Darstellung entschlossen. Zunächst die Zuschauerzahlen der Vereine, die bereits in der Vorsaison in der 2. Liga agierten (Quelle für die Zahlen = weltfussball.at):
Verein
Zuschauerschnitt 17/18
Zuschauerschnitt 18/19 (nach 12 Spielen)
Veränderung
SV Ried
3.595
3.188
– 407 [-11.3%]
Austria Lustenau
2.079
1.620
– 459 [22.1%]
Blau Weiß Linz
1.159
1.458
+ 299 [+25.8%]
WSG Wattens
1.194
1.067
– 127 [-10.7%]
Kapfenberger SV
719
794
+ 75 [+10.4%]
Floridsdorfer AC
526
617
+ 91 [+17.3%]
Wiener Neustadt
1.070
566
-504 [-47.1%]
FC Liefering
343
393
+ 50 [14.6%]
GESAMT (Bestand)
1.336
1.213
-123 [-9.2%]
Vier Vereine weisen Negativtendenzen auf, vier Vereine konnten den Zuschauerschnitt steigern. Insgesamt ist der Schnitt dennoch um knapp 10% gesunken, da es sich bei den Zuwächsen bei Kapfenberg, Floridsdorf und Lieferung jeweils nur um zweistellige Zahlen handelt. Wirklich merklich positiv nur der Zuwachs bei BW Linz, der allerdings der Tabellensituation geschuldet ist.
Zurücklaufend ist sie größtenteils auch genau bei jenen Vereinen, welche letzte Saison die höchsten Zuschauerzahlen vermeldeten. Bedenklich ist die Situation beim Aufstiegsfavoriten aus Wattens, der (wohl hauptsächlich wegen des Ligenwechsels von Wacker Innsbruck) als Tabellenführer einen niedrigeren Zuschauerschnitt aufweist als in der Vorsaison.
Noch viel dramatischer schaut es beim SC Wiener Neustadt aus, bei dem nach dem Nichtaufstieg die Luft komplett raus sein dürfte, die Zuschauerzahlen haben sich jedenfalls halbiert. Aber auch Kapfenberg hat am vergangenen Samstag beim Spiel gegen Wiener Neustadt mit 330 (!) Zuschauern negativ aufhorchen lassen.
Nachfolgend die Entwicklung bei den Aufsteigern (vielen herzlichen Dank vor allem an @richard_TRK aber auch an @jemerich8 für die Organisation der letztjährigen Zuschauerzahlen der ehemaligen Regionalligisten):
Verein
Zuschauerschnitt 17/18
Zuschauerschnitt 18/19 (nach 12 Spielen)
Veränderung
Vorwärts Steyr
1.236 (RLM)
2.133
+ 897 [+73%]
SKU Amstetten
961 (RLO)
1.380
+ 419 [+43.6%]
SV Horn
732 (RLO)
743
+ 11 [+1.5%]
SV Lafnitz
517 (RLM)
736
+ 219 [+42.3%]
Austria Klagenfurt
275 (RLM)
650
+ 375 [+136%]
OÖ Juniors
167 (RLM)
375
+ 208 [+124%]
Young Violets
258 (RLO)
370
+ 112 [+43.3%]
Wacker Innsbruck II
120 (RLW)
254
+ 134 [+116%]
GESAMT (Aufsteiger)
533
830
+ 297 [+35.8%]
Alle Aufsteiger konnten eine Zuschauerzuwachs verzeichnen, teilweise um mehr als 100%. Wirklich markant ist allerdings nur der Zuwachs von durchschnittlich 897 Zuschauern in Steyr. Dafür hauptverantwortlich zum Teil auch die Auslosung, zwei der drei interessantesten Heimspiele der Saison (die beiden Derbys gegen Ried und Amstetten) sind bereits absolviert.
Um einen ligaweiten Gesamtvergleich machen zu können, rechne ich die Zuschauerzahlen von Wacker Innsbruck (3.627) und Hartberg (1.180) zu den Bestandsvereinen. Auf dieser Basis ist der Schnitt der Liga (nach 12 Runden) um 35% zurück gegangen.
Die dreistelligen Zuschauerschnitte ab Kapfenberg werden mitunter auch in der letzten österreichischen Spielklasse erreicht. Was sind nun also die Gründe für den Zuschauerrückgang (der sich mit fortlaufendem Herbst noch drastischer auswirken wird)?
Beispielsweise machen es die unterschiedlichen Anstoßzeiten (u.a. Freitag 19:00, Freitag 19:10, Freitag 20:30, Samstag 14:30, Samstag 20:20, Sonntag 10:30, Sonntag 14:30) und relativ kurzfristigen (übertragungsbedingten) Verschiebungen dem passionierten Stadiongänger nahezu unmöglich, eine langfristige Freizeit- bzw. Matchplanung zu vollziehen.
In der Bundesliga gibt es heuer genau drei verschiedene Spieltermine an zwei verschiedenen Wochentagen. Auf Formel 1 oder Schifahren muss dank des Rechteverlusts des ORF endlich keine Rücksicht mehr genommen werden.
Sonntag 10:30
Ein besonderer Dorn im Auge ist für viele Menschen aus der aktiven Fanszene die Sonntagsmatinee um 10:30, welche als das „Laola1 Top-Spiel der Woche“ vermarktet wird. Hier wird keinerlei Rücksicht auf Auswärtsfans genommen und Terminisierungen wie etwa BW Linz gegen Austria Lustenau (470 km), Ried gegen Lustenau (375 km), Ried gegen Wattens (240 km) oder Wiener Neustadt gegen Ried (270 km) angesetzt.
Als Lustenauer muss man also durchschnittlich um 04:00 in der Früh wegfahren, um seinen Verein in die Fremde begleiten zu können. Mit den traditionellen Sonntagsmatineen in der Wiener Stadtliga mit einer Anreise von wenigen Kilometern ist dies nur schwer (bzw. eigentlich gar nicht) vergleichbar. Man könnte diesen Termin auch verwenden, um Lokalduelle (z.B. FAC – Young Violets, Lafnitz – Kapfenberg, OÖ Juniors – Vorwärts Steyr) anzusetzen, welche auch anreisetechnisch vertretbar wären. Eine mangelnde Attraktivität von Übertragungen durch Geisterkulissen scheint jedoch kein Problem für die Bundesliga zu sein.
Schenkt man Angestellten aus der Wettbranche Glauben, dann gibt es diesen Spieltermin sowieso nur, weil um diese Zeit ansonsten wenige bis gar keine anderen Spiele stattfinden und man damit auch den asiatischen Markt bedienen kann.
Einem Insider zufolge erreichen die Sonntags-Streams auf Laola1 nur manchmal vierstellige Zahlen, verbleiben jedoch zumeist im dreistelligen Bereich. Dies kann ich nicht verifizieren, klingt jedoch glaubhaft, weil auch die Streamingzahlen von A1 in der Bundesliga nicht viel besser sind.
Fernsehgelder von Laola1 an die Vereine gibt es übrigens (meinem Wissensstand nach) keine. Die Übertragungen werden als Service für den interessierten Nutzer vermarktet. Nur als Vergleich: Hartberg und Wacker Innsbruck kassieren durch den Aufstieg in die Bundesliga heuer knapp 2 Millionen mehr an TV-Geldern als die Vereine in der 2. Liga. Für den Großteil der Zweitligaclubs stellen diese Summen mehr als das Jahresbudget dar.
Viele unattraktive Gegner .. und Amateurteams
Den Vereinen entgehen durch diese Sonntagstermine nicht nur Zuschauereinnahmen (in Ried wären am letzten Wochenende am Freitag sicherlich 400-600 Zuschauer mehr gekommen) sondern auch (Mehr-)Einnahmen aus der Gastronomie. Kaum jemand konsumiert am Sonntagvormittag auch nur annäherend so viel wie an einem Freitagabend – weder vor noch nach dem Spiel – und schon gar nicht im Herbst bei Regen und 5C°.
Die Heimspiele und damit die Zuschauereinnahmen sind insgesamt weniger geworden (18 statt 15), dafür sind die Gegner gleichzeitig unattraktiver geworden – sowohl für die bestehenden Zweitligavereine als auch für die Aufsteiger. Nur um ein Beispiel zu nennen, Lafnitz hätte gegen Bad Gleichenberg und Weiz sicherlich mehr Zuschauer als gegen Horn und Lustenau. Eine lose-lose-Situation für alle Beteiligten.
Noch schlimmer verhält sich dies mit den Zweitclubs der Bundesligisten. Dass diese Mannschaften nicht nur die Liga verzerren (die Aufstellung von Liefering erfolgte letzte und vorletzte Saison auf Basis der Youth League Spiele von RBS), sondern auch überaus unattraktiv (auch für „Heimfans“) sind, beweist die Statistik.
Die Zweitteams (egal ob Mogelpackung oder echter Zweitverein) belegen die vier letzten Plätze der Zuschauertabelle, abgeschlagen vom Rest der Liga. Der Kniefall der Bundesliga vor den großen Teams wie Rapid, Austria oder Sturm (die eigenen Talente müssen nicht mehr verliehen werden) hat also genau im Bezug auf Zuschauerzahlen und Attraktivität genau jene Auswirkungen mit sich gebracht, welche von jeglichen Menschen mit Fußballverstand prophezeit wurden.
Kein einheitliches Erscheinungsbild
Ein einheitliches Erscheinungsbild lädt einen Markenkern positiv auf und steigert somit den Markenwiedererkennungswert. Wenn man an große Marken wie Apple, Coca Cola oder Audi denkt, denkt man automatisch an bestimmte Formen, Farben und Schriftarten. In größeren Ligen wie etwa in der Premier League wird es schon seit einem Jahrzehnt so gehandhabt, dass Inserts stets gleich aussehen, egal ob ein Spiel (oder Spielausschnitt) bei Sky Sports, BT oder BBC gezeigt wird.
Die Bundesliga hat selber schon seit längerer Zeit eine CI (Corporate Identity) und damit eingehend ein CD (Corporate Design). Dieses wird seit heuer in der Bundesliga von Sky Sport Austria auch perfekt umgesetzt. Man beachte am nachfolgenden Bild das Wasserzeichen der Bundesliga im rechten unteren Eck, das Bundesligalogo im rechten oberen Eck sowie die Schriftart der Spielstandanzeige, welche ebenfalls an den Bundesligastandard angepasst ist. (Bildquelle = 90minuten.at).
Nun im Gegensatz dazu ein Screenshot (via laola1.tv) aus der 2. Liga:
Das Wasserzeichen der 2. Liga im rechten unteren Eck ist vorhanden. Abgesehen davon hat man sich anscheinend dazu entschlossen, die alten Inserts von ORF Sport+ als Standardinserts für die 2. Liga zu verwenden. Wo liegt hier der Wiedererkennungswert mit der CI der Bundesliga?
Es werden keinerlei Farben, Formen oder Schriftarten verwendet, welche man auf der offiziellen Website der Liga findet. Und weil die 2. Liga offiziell ein Teil der Bundesliga ist, sollte doch auch ein einheitliches Bild abgegeben werden. Oder sehen die Verantwortlichen dies anders? Weil solche Feinheiten (die eigentlich klar definiert sein sollten) nicht berücksichtigt werden, sollte auch mein nächster Punkt keine Überraschung sein.
Die Medienpräsenz liegt irgendwo bei null
Vergeblich suchte ich am Sonntagnachmittag einen redaktionellen oder APA-Bericht von Ried gegen Austria Lustenau auf derstandard.at. Kaum einmal schafft es ein Ereignis in der 2. Liga in einen Bildbericht bei sport.orf.at. Abgesehen von den Stadiongängern und den wenigen 100 Zuschauern bei Laola1 bekommt man also als Sponsor eines Zweitligisten (egal ob auf einem Trikot oder auf einer Bande) keine Reichweite.
Man könnte natürlich entgegnen, dass man mit einem Engagement im österreichischen Fußball sowieso keine Markenbekanntheit steigern kann. Dem ist aber nicht so, denn wer kannte vor einem Jahr schon Profertil? Durch Hartberg erreicht dieser Sponsor nun seit Monaten regelmäßige Medienpräsenz in Print und Web. Auch Josko konnte mit seinem langjährigen Engagement in Ried die Markenbekanntheit gemäß eigener Aussage überregional steigern.
Wie auch immer – wenn es sich nicht gerade um einen traditionellen Sponsor oder Sponsor mit regionaler bzw. lokaler Zielgruppe handelt, dann würde ich mir als Sponsor ein Engagement in dieser Liga doppelt und dreifach überlegen. Es ist einfach keine kein ausreichender Werbewert gegeben. Die Markenbekanntheit eines Sponsors kann durch ein Engagement in der 2. Liga kaum gesteigert werden, darüber hinweg können auch die punktuellen fünfstelligen Zuschauerzahlen bei den Liveübertragungen auf ORF Sport+ nicht helfen. Immerhin gibt es die Highlights im ORF jetzt nicht mehr am Freitag nach Geisterstunde, sondern am Samstag bzw. Sonntag im Rahmen der Bundesligasendung. Doch dies ist der einzige Fortschritt.
Weniger mal vier
Ich fasse also zusammen: professionell aufgestellte Vereine in der 2. Liga haben seit heuer:
weniger Zuschauereinnahmen durch unattraktivere Gegner und weniger Spiele,
weniger Fernseheinnahmen durch den Wegfall von sky,
weniger Sponsoreneinnahmen durch die geringere Reichweite der Liga
weniger Gastronomieeinnahmen durch manche Spielansetzungen, Stichwort Sonntag 10:30.
Es dürfte daher nur eine Frage der Zeit sein, bis es einzelne Vereine mit ambitionierten Zielen implodieren. Auch Traditionsvereine sind bei ausbleibenden Erfolgen langfristig nicht davor gefeit, den schweren Gang in die Unterklassigkeit antreten zu müssen. Dieses Stichwort bringt mich auch direkt zum letzten Punkt meiner Analyse.
(Fast) niemand will rauf
Dieser Satz trifft sowohl auf die aktuellen Regionalligisten als auch auf Blau-Weiß Linz zu. Das Überraschungsteam aus Linz hat sich letzte Woche dazu entschlossen, heuer trotz ausgezeichneter Tabellenposition den Aufstieg in die Bundesliga nicht anzustreben, weil zu viele Voraussetzungen nicht gegeben sind und man kein Roulettespiel mit der eigenen Existenz riskieren will.
Eine detaillierte Aufschlüsselung dieser Gründe findet man bei den OON. Mit Wattens, Ried, Austria Lustenau und Wiener Neustadt gibt es daher vermutlich nur vier Vereine, welche den Aufstieg in die Bundesliga antizipieren – alle notwendigen Erfordernisse hinsichtlich Infrastruktur, Akademie und rechtlicher Rahmenbedingungen erfüllt derzeit freilich nur Ried.
Wie schon in der letzten Saison, als Wacker Innsbruck II als Tabellenachter (!) der Regionalliga West aufsteigen durfte, weil die sieben Vereine davor verzichteten, gibt es auch heuer nur eine Handvoll an Vereinen, welche am Aufstieg in die 2. Liga interessiert sind.
Der GAK, Stadl-Paura, Gleisdorf und Weiz aus der RLM, Mauerwerk (ehemals FC Karabakh Wien) und Ebreichsdorf aus der RLO sowie Dornbirn und Anif aus der RLW. Die Intention bei den Grazern sowie Mauerwerk ist ein Durchmarsch in die Bundesliga. Die anderen Vereine sind bei ihren Aussagen hinsichtlich Aufstieg in die 2. Liga schon deutlich vorsichtiger bzw. skeptischer.
Es kann also durchaus sein, dass sich auch heuer am Saisonende keine drei Vereine finden, welche den Aufstieg in die 2. Liga anstreben wollen. Dadurch erhöhen sich die Chancen, dass sich mit den Rapid Amateuren oder Sturm Graz Amateuren kommende Saison ein drittes „echtes“ Zweitteam in der Liga wieder findet.
Neben den Mogelpackungen (Liefering und OÖ Juniors) sind übrigens maximal drei Amateurteams zugelassen. Sollten zwei Amateurteams den Aufstieg auf dem sportlichen Weg schaffen, dann müsste das schlechter platzierte Amateurteam der 2. Liga (also Young Violets oder Wacker II) automatisch absteigen – auch wenn man sich auf keinem Abstiegsplatz befindet. Klingt seltsam und kurios, passt aber daher irgendwie genau zu dieser Liga.
Was wird aus der 2. Liga?
Um die Bundesliga (noch) attraktiver zu machen, Vereine wie Rapid (hinsichtlich Verteilung der TV-Gelder) zu befrieden und den heiligen Gral der antizipierten 10.000 Zuschauer pro Spiel zu erreichen (von dem man derzeit mit einem Schnitt von 6.608 in etwa so weit entfernt ist, wie Rapid von einer Champions-League-Qualifikation), wurde bei der Bundesligareform der ehemals solide Unterbau der Liga geopfert. Durch eine inverse Robin-Hood-Mentalität wurden die Reichen noch reicher gemacht und die Armen noch ärmer gemacht. Kennt man auch von diversen Beschlüssen der aktuellen Bundesregierung und ist ein allgemeiner Trend quer durch alle Nationen und Bereiche.
In Zukunft wird es für einen Zweitligisten in 99 von 100 Fällen unmöglich sein, einen talentierten Eigenbauspieler länger als eine Saison zu halten, weil das finanzielle Gefälle (auch hinsichtlich Gehälter) gegenüber der Bundesliga einfach zu groß ist. Musste man früher als Ried oder Lustenau hauptsächlich nur Angst haben, Talente an die Austria, Rapid oder Salzburg zu verlieren, so besitzen in Zukunft auch „kleinere“ Vereine wie Hartberg oder Mattersburg das Potential, die zweite Liga nach den besten Spielern abzugrasen.
Über kurz oder lang werden in der 2. Liga auch keine Stars mehr spielen – erstens weil durch die 12er-Liga nun 50 Spieler mehr in der Bundesliga agieren und zweitens weil diese finanziell für 90% der Vereine nicht leistbar sein werden.
Daher prophezeie ich ebenfalls, dass in Zukunft kein Aufsteiger mehr direkt im oberen Playoff der Bundesliga mitspielen wird, weil der Kader aufgrund des Gefälles zwischen beiden Ligen mindestens um 50% erneuert werden muss. Vorbei die Zeiten, in den u.a. Ried (4.), Grödig (3.) oder Altach (3.) als Aufsteiger direkt in den Europacup kamen. Einen ersten Vorgeschmack auf den Klassenunterschied bekam man in der 2. Runde des ÖFB-Cups, als die Zweitligaspitzenmannschaft aus Wattens beim damals noch-nicht-erstarkten TSV Hartberg sang- und klanglos 0:3 unterging.
Andererseits wird der heurige Absteiger aus der tipico Bundesliga kommende Saison massive Probleme bekommen – man denke an die vorher genannten Fernsehgelder zurück, ein Verein wie Hartberg oder Mattersburg müsste wohl den gesamten Kader austauschen und/oder halbieren um den finanziellen Rückschritt auffangen zu können. Sollte es ein Überraschungsteam wie etwa Altach „erwischen“, dann könnten die Konsequenzen sogar noch dramatischer ausfallen. Der Betrag, welcher von Bundesliga an einen Absteiger ausbezahlt wird, wird diese Situation auch nicht vollends auffedern bzw. entschärfen können.
Mein persönliches Resümee
Persönlich war ich in dieser Saison bei jeder SVR-Heimpartie sowie in Steyr und Amstetten live dabei. Mein persönliches TV-Interesse an der zweithöchsten Spielklasse hat allerdings einen historischen Tiefstand erreicht, abgesehen von KSV-Ried habe ich mir bisher nur eineinhalb andere Spiele (Wattens – BW Linz am ORF sowie Steyr – Neustadt bei Laola1) im TV bzw. Internet angeschaut.
Der Anreiz, mir beispielsweise Wacker II gegen Lafnitz in einem Webstream mit antiquierter Qualität anzusehen, ist in etwa so groß wie mir meine Fingernägel einzeln herauszureißen. Im Gegensatz dazu habe ich während der letzten Jahre kaum eine EL-Konferenz bei sky verpasst (auch als die SVR noch erstklassig war). Ich behaupte, es wird nicht nur mir so gehen.
Bereits vor der Ligareform habe ich mit einigen Personen gewettet, dass es die 2. Liga in der aktuellen Form (16 Teams, Amateurmannschaften, Zweitteams) maximal zwei Jahre lang geben wird, bevor man die nächste Reform einleiten muss. Bei dieser Ansicht bleibe ich auch weiterhin. Die 2. Liga ist für Teams mit großen Zielen eine Art dauerhafter Limbus, aus dem man nur erwachen kann, falls der Aufstieg in die Bundesliga gelingt. Früher war sicher nicht alles besser, aber im Bezug auf die zweite Liga trifft dieses Sprichwort für mein Empfinden leider voll und ganz zu.
https://emprechtinger.com/wp-content/uploads/2018/10/Stadion-Lafnitz.jpg450600Gerald Emprechtingerhttps://emprechtinger.com/wp-content/uploads/2018/04/emprechtinger-com-logo-2.pngGerald Emprechtinger2018-10-30 21:18:052018-12-16 17:39:52Die schlechteste 2. Liga aller Zeiten?
Knapp 35 Tage sind seit meinem ersten Artikel der Saison rund um den Transfer von Ex-Kapitän Thomas Gebauer zum LASK vergangen. Nach vier Saisonspielen (eines im Cup sowie drei in der Liga) ist es jetzt Zeit für ein Kurzresümee mitsamt Ausblick auf die nächsten Wochen. Und ihr werdet euch eventuell wundern, denn zum ersten Mal seit Ewigkeiten kann ich auch wieder positive Dinge berichten.
Souveräner Einzug in die 2. Runde des ÖFB-Cups
Die Saison begann mit einem souveränen 6-0 Auswärtssieg in der 1. Runde des ÖFB-Cups beim Landesligisten HELLA Dornbirner SV aus der Vorarlberg-Liga. Neben der Neuerwerbung Darijo Pecirep (2 Tore) konnten sich auch Thomas Mayer (ebenfalls 2 Tore) sowie Lukas Grgic und Stefano Surdanovic in die Schützenliste eintragen. Nach einem etwas mühevollen Beginn mit einem Schockmoment (ein Tor der Dornbirner wurde wegen einer Abseitsstellung aberkannt) war der mehrfache Klassenunterschied in fast allen Aktionen erkennbar und am Ende hätte der Sieg auch noch höher ausfallen können bzw. müssen. Mit 1150 Zuschauern im Stadion lockte die SVR übrigens auch die fünftmeisten Heimfans ins Stadion. Nur die Gegner von RBS, Rapid, Austria Wien und dem LASK konnten noch mehr Menschen in die hochsommerlich heißen Stadien locken.
In der 2. Runde fällt die Reise für Team und Fans deutlich kürzer aus: mit dem UVB Vöcklamarkt (derzeit auf Platz 9 in der Regionalliga Mitte) kommt es zu einem echten Derbykracher. Mit Tobias Jetzinger, Wolfgang Schober, Philipp Rensch, Philipp Birglehner, Stefan Kirnbauer weisen gleich mehrere Akteure eine Ried-Vergangenheit auf. Außerdem handelt es sich bei den Vöcklamarktern um einen der härtesten SVR-Gegner der 80er-Jahre sowie Dauerrivalen um den Meistertitel (u.a. mit Neo-Oedt-Coach Gerhard Schweitzer). Trotz eines Dienstagstermins (25. September) sollten vielen Rieder Anhänger den nur 29km langen Weg ins 2.700 Plätze fassende „Black Crevice Stadion“ in Vöcklamarkt finden.
Heißer Saisonbeginn in der Liga
Einen sprichwörtlich heißen Saisonbeginn musste man in der Zweiten Liga (die jetzt endlich nicht mehr Erste Liga heißt) bewältigen. Beim 1-1 gegen den top-motivierten Aufsteiger aus Steyr sahen die 3.200 Zuschauer im Vorwärts-Stadion ein weitestgehend unterhaltsames Spiel. Nach einem Blitzstart mit einem durch Darijo Pecirep verwandelten Elfer nach nur 3 Minuten verabsäumten es die Spieler der SVR, ein zweites Tor nachzulegen. Nach einem Tausendguldenschuss zum Ausgleich knapp vor der Pause schafften es Christian Schilling und Stefano Surdanovic knapp nach der Pause jeweils nicht, zwei hundertprozentige Chancen im Tor unterzubringen. Gegen Spielende hin konnten die Rieder nicht mehr zusetzen und die Steyrer feierten ihren Premierenpunkt in der Liga daher zusammen mit den Fans verdientermaßen wie einen Sieg.
Somit befand sich die SVR bereits in der 2. Runde unter Zugzwang – der selbsternannte Titelfavorit aus der Kristallstadt Wattens hatte mit einem 6-1 gegen Lafnitz in der 1. Runde bereits ein Statement gesetzt. In einem der heißesten Spiele (sowohl auf der Tribüne als auch auf dem Platz) der letzten Jahre feierte die SVR einen völlig verdienten 2-1 Sieg. Nach der Führung durch Thomas Mayer verabsäumte man es abermals, ein zweites Tor nachzulegen. Pech hatte man auch bei einem Lattenknaller von FAC-Neuerwerbung Mario Kröpfl aus einem Freistoß aus großer Distanz. Nach dem Ausgleich durch einen Konter konnte Darijo Pecirep jedoch fast postwendend mit einem Kopfball nach einer Kerhe-Ecke zum 2-1 Siegtreffer einköpfen.
Die 30C° am Vormittag setzten offensichtlich auch einigen Akteuren am Platz zu, so provozierte unter anderem Gäste-Keeper Ferdinand Oswald laufend die Fans auf der West, Andreas Dober ist sowieso für Scharmützel mit den gegnerischen Fans bekannt und wurde nach einer schauspielerischen Leistung der Extraklasse bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen. Außerdem wurde der Wiener auch vom Karma nach einer Provokation seinerseits direkt vor der Ecke zum 2-1 bestraft. Nach dem Spiel gab es auch noch eine Auseinandersetzung zwischen Ersatzkeeper Grünwald, einigen Ried-Fans und der szenekundigen Polizei. Dem 35-Jährigen droht lt. OON-Bericht sogar noch ein unangenehmes Nachspiel wegen Beamtenbeleidigung.
Impressionen von den Spielen gegen Vorwärts Steyr und WSG Wattens (Copyright = ich selber)
Egal wie diese Geschichte fortgesetzt wird, mit den Tirolern hat man definitiv einen neuen Rivalen gefunden, der nach den Verpflichtungen von Dober, Cabrera und auch Clemens Walch die mit Abstand älteste Mannschaft der Liga stellt. Beim Gastspiel in Ried lag das Durchschnittsalter der Startelf bei extrem hohen 27.2 Jahren. Warum genau die Kristallerbin Diana Langes-Swarowski mit ihrem Verein (letzte Saison im Schnitt 1.300 Zuschauer, wobei die beiden Derbys gegen Wacker Innsbruck diese Zahl größer erscheinen lässt als sie eigentlich ist) in die Bundesliga aufsteigen will, erschließt sich für den neutralen Beobachter nur bedingt. Neben Wattens wollen übrigens auch Wiener Neustadt (mäßig in die Saison gestartet) sowie Austria Lustenau und BW Linz um den Aufstieg mitspielen. Der aktuelle Tabellenführer Liefering spielt wie auch die OÖ Juniors sowie Wacker II und die Young Violets sozusagen außer Konkurrenz.
Nach einer unwetterbedingten Absage kam es gestern am frühen Nachmittag zum Nachtragsspiel in Kapfenberg. Bei einem Gegner, bei dem man in der Vorsaison nur einen einzigen Punkt holen konnte, geriet man als bessere Mannschaft wie aus dem Nichts durch einen Distanzschuss von KSV-Kapitän David Sencar in Rückstand. Doch der wiedergenesene Julian Wießmeier (er hatte die beiden ersten Saisonspiele nach einem Rippenbruch verpasst) erzielte knapp nach seiner Einwechslung einen Doppelpack. Er verwertete jeweils ein Zuspiel von Thomas Mayer einmal per Direktabnahme und einmal per Flugkopfball. Im Gegensatz zu Steyr und Wattens hielt die Rieder Abwehr zum Ende hin dem Ansturm der Falken recht gut entgegen.
Das Faktum, dass man zuletzt nach zwischenzeitlichem Ausgleich sowie nach Rückstand noch zwei Spiele gewonnen hat, bringt mich zu meiner nächsten Beobachtung.
Es menschelt wieder in Ried
Der Teamgeist, der über große Strecken der Vorsaison schmerzlich vermisst wurde, scheint wieder ins Innviertel zurückgekehrt zu sein. Einige Beweise dafür:
Nach dem Sieg in Kapfenberg gingen die Spieler unaufgefordert auf die Tribüne, um mit einem langjährigen Fan im Rollstuhl abklatschen zu können. Eine scheinbar kleine Geste, die aber viel Aussagekraft über die Moral in der Mannschaft zeigt. Ebenso nach diesem Spiel veröffentlichten einige Spieler auf Instagram ein Mannschaftsbild mit einem Motivationsposter für Denis Kahrimanovic, der sich im Abschlusstraining für das Kapfenberg-Spiel einen Wadenbeinbruch zugezogen hatte.
Foto via Instagram-Account von Lukas Grgic. Text: „Nach jeder Schwierigkeit kommt Erleichterung – kämpfen, Deno“
Und nach der Heimfahrt von Kapfenberg erschienen noch große Teile der Mannschaft in der josko Arena, um den letzten Minuten des Schlagerspiels der Ried Amateure gegen den Meister Oedt beizuwohnen und die junge Truppe damit moralisch zu unterstützen. Dies hatte ebenfalls ein happy end, denn die wieder einmal total neuformierte Truppe von Miron Muslic knöpfte dem Starensemble einen letztendlich verdienten Punkt ab. In der Startelf standen jede Menge 18-jährige und 17-jährige, mit 22 Jahren ist Jungprofi Felix Hebesberger der „Routinier“ bei der zweiten Mannschaft der SV Ried.
Der Partie wohnte auch Flavio Dos Santos bei, der nach der unendlichen Geschichte rund um seinen kapverdischen Pass endlich im Innviertel angekommen ist. Ich habe gestern nach Spielende auch noch ein Foto mit ihm gemacht und war binnen weniger Momente von seiner bemerkenswert positiven und freundlichen Aura fasziniert.
Wenige Tage vorher wurde er auch extrem herzlich von der Mannschaft empfangen. Ein sehr herzerwärmendes Video von diesem Empfang hat auch Thomas Streif per Video festgehalten.
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Diese Aktionen wirken alle nicht gekünstelt. Der Teamgeist hat sich bereits jetzt positiv auf die Leistungen der Spieler ausgewirkt, denn bei Rückständen und Rückschlägen ist die Mannschaft der Vorsaison meistens umgehend auseinandergebrochen. Natürlich ist es noch viel zu bald und ich will die Saison nicht vor dem Saisonende loben, aber heuer scheint wieder eine Mannschaft im schwarzgrünen Trikot aufzulaufen, mit welcher man sich als Fan identifizieren kann, weil auch wieder alte Tugenden wie Zweikampfstärke und Aggressivität an den Tag gelegt werden.
Die Macher (bleiben) im Hintergrund
Franz Schiemer dürfte bei der Kaderzusammenstellung im Sommer einiges richtig gemacht haben und bei der Verpflichtung von Spielern mehr auf den Charakter als im Vorjahr geachtet haben. Unter den Abgängen befinden sich laut vertrauenswürdigen Quellen ebenfalls einige Spieler, welche für den Teamgeist nicht besonders förderlich waren, ohne hier konkrete Namen nennen zu wollen.
Außerdem hält sich Schiemer – wie auch Roland Daxl – heuer angenehm im Hintergrund. Das Saisonziel wurde mit „vorne mitspielen“ und „junge Spieler weiterentwickeln“ bewusst defensiv angesetzt um die Erwartungen nicht derart hoch wie in der Vorsaison zu schüren. Dass man vor einem Jahr bei jeder Gelegenheit anmerkte, dass man aufsteigen will/muss und die beste Mannschaft der Liga hat, habe ich in meinem Blog des Öfteren angemerkt und kann ich nach diesem Beitrag hoffentlich für immer ruhen lassen.
Mit Understatement ist man im Innviertel schon immer gut gefahren, vor allem weil große Töne auch keine zusätzlichen Zuschauer in das Stadion locken. Der SVR-Fan ist generell sehr resistent gegenüber Rückschlägen, die knapp 3.100 Zuschauer bei der Sommer-Matinee gegen Wattens haben wohl alle Erwartungen an die Zuschauerzahl in diesem Spiel deutlich übertroffen.
Spielsystem und Mannschaft
Die Gewinner aus der Systemumstellung – man in der letzten Saison noch meistens mit einem flachen 4-4-2 agiert – sind bereits nach wenigen Spielen erkennbar. So profitieren vor allem Thomas Mayer und Julian Wießmeier auf den offensiven Halbpositionen vom neuen 3-4-3 System. Letzterer dürfte seine Stärken in der Offensivzentrale deutlich besser ausspielen können als in der Vorsaison, in der er meistens auf den rechten Flügel ausweichen musste oder gar als defensiver Mittelfeldspieler aufgeboten wurde. Auch Christian Schilling, der in der letzten Saison nicht über die Backuprolle als linker Verteidiger hinaus kam, ist ein Gewinner der bisherigen Spiele. Mit Mario Kröpfl hat man eine bis dato exzellente Neuverpflichtung nach Ried gelotst. Der Wiener kann als Links- sowie Innenverteidiger agieren, das Spiel aufbauen und hat nebenbei wie bereits erwähnt auch einen starken Schuss/Freistoß.
Mit Johannes Kreidl (der Tiroler kam von der zweiten Mannschaft aus Nürnberg) und Filip Dmitrovic (der Serbe wurde vom LASK verpflichtet) verfügt man wohl über das talentierteste Tormannduo der Liga. Bei Kreidl sieht man bereits nach wenigen Spielen, wie wertvoll es im Jahr 2018 ist, einen Spieler zwischen den Pfosten stehen zu haben, der auch Fußball spielen kann. Bloß in punkto Kommunikation hat der junge Tiroler noch viel Aufholbedarf. Bei den Spielen gegen Steyr und Wattens kam es immer wieder zu Ungereimtheiten mit Abwehrchef Kennedy Boateng bei hohen Bällen.
Noch kein finales Urteil möchte ich über Darijo Pecirep und Edrisa Lubega abgeben. Die beiden Nachfolger von Seifedin Chabbi und Thomas Fröschl unterscheiden sich hinsichtlich Spielstil enorm von ihren Vorgängern. Pecirep arbeitet viel und hat (inkl. Cup) bereits vier Tore auf seinem Konto. Einzig hinsichtlich Schnelligkeit hat er meines Erachtens nach klare Defizite.
Diese Schnelligkeit bringt dafür Lubega ein. Der aus Uganda ausgeliehene Spieler hat vor allem beim 4-2 der SVR im April in Floridsdorf viel Eindruck erweckt, als er Peter Haring und Thomas Reifeltshammer schwindlig gespielt hat. Mit seiner Schnelligkeit und Wendigkeit war er auch bereits gegen die hüftsteifen Verteidiger von Wattens eine echte Waffe. Beim Auswärtsspiel in Kapfenberg gelang ihm hingegen gar nichts. Ich persönlich gehe davon aus, dass wir in dieser Saison keinen Torjäger (wie im Vorjahr) haben werden, sondern die Last des Toreschießens auf viele Spieler verteilt sein wird – was die Mannschaft damit auch schwerer ausrechenbar macht.
Die Verlierer der bisherigen Saison sind Thomas Reifeltshammer und Marcel Ziegl, die jeweils nach einer schwachen Leistung in Steyr ihren Stammplatz in der Mannschaft verloren haben. Vor allem Arne Ammerer hat sich mit einer starken Leistung gegen Wattens wohl für längere Zeit in die Mannschaft gespielt und bildet zusammen mit Lukas Grgic die Mittelfeldzentrale. Der Welser hat in Abwesenheit der beiden Rieder Urgesteine auch die Kapitänsbinde übernommen (wie von mir in meiner Saisonanalyse gefordert).
Ausblick auf die nächsten Spiele
Das extrem schwierige Startprogramm der SV Ried wird am Freitag um 19:10 mit dem Heimspiel gegen den Tabellenführer aus Liefering gebührend fortgesetzt. Generell kommt es hier zu einem echten reality check, weil die Jungbullen neben Wattens der einzige Verein dieser Liga sind, der im Sommer kadermäßig und finanziell nicht abspecken musste. Mit einem Sieg könnte man bei einem gleichzeitigen (aber nicht zu erwartenden) Punkteverlust von BW Linz (daheim gegen Amstetten) sogar die Tabellenführung übernehmen. Anschließend muss man eine Woche darauf die zweite Matinee in Amstetten bewältigen. Dort kommt es zum Wiedersehen mit Thomas Hinum, der vor dieser Saison zum Aufsteiger aus der RLO wechselte.
Generell dürfte sich in dieser Liga ein ziemliches Gefälle zwischen den Profiteams und den Amateurteams entwickeln, denn bereits nach drei Spieltagen befindet sich mit den Wacker Innbruck Amateuren nur ein einziger Aufsteiger unter den Top10 – mit den OÖ Juniors, den Young Violets, Amstetten, Austria Klagenfurt, Lafnitz, Steyr und Horn werden die sieben letzten Plätze durchwegs von Aufsteigern belegt. Nach einem Heimspiel gegen Horn, das getrost als Pflichtsieg bezeichnet werden kann, gibt es ein Wiedersehen für Edrisa Lubega, Mario Kröpfl sowie Flavio Dos Santos mit ihrem Ex-Verein in Floridsdorf.
Ein Heimspiel gegen die Young Violets sowie eine weitere Matinee in Wiener Neustadt runden das Programm bis Ende September ab. Zu diesem Zeitpunkt wird man auch bereits wissen, wer im Falle eines Weiterkommens im ÖFB Cup in der 3. Runde als Gegner wartet. Ein attraktives (Heim-)Los gegen einen Bundesligisten könnte ein ORF-Livespiel mit sich ziehen, welches aufgrund der massiv gesunkenen Fernsehgelder in dieser Saison zusätzlich attraktiv für die Vereinskasse wäre.
Die neue Zweite Liga
Apropos Vereinskasse – ursprünglich wollte ich zu Saisonbeginn einen allgemeinen Artikel über die Zweite Liga verfassen. Das neue Stiefkind der Bundesliga erfüllt bisher nämlich alle meine Befürchtungen. Die Vermarktung ist ziemlich amateurhaft, die Qualität der Streams von Laola1 versetzt den Zuschauer wieder in die 90er-Jahre. Es ist verständlich, dass sky bewusst auf diese Mischkulanz aus Profi- und Amateurteams verzichtet hat – ein Spiel zwischen Wacker Innsbruck II und Lafnitz vor 87 Zuschauern (im Stadion und vorm TV zusammengezählt) ist für den Konsumenten nicht wirklich sexy. Auch wenn ich noch immer die Meinung vertrete, dass es diese Liga in dieser Form vielleicht zwei, maximal drei Jahre geben wird, so möchte ich ihr jetzt noch eine Chance geben.
Klar ist jedoch, dass die Schere zwischen Bundesliga und Zweite Liga weit auseinander gegangen ist – Absteiger aus der obersten Spielklasse werden in Zukunft ums Überleben kämpfen (müssen) und auch Aufsteiger werden sich ziemlich weit unten in der Tabelle orientieren müssen. Der Spagat für die willigen Aufsteiger wie Ried, Wattens oder Wiener Neustadt wird auch wieder größer als zuvor – bei nur einem Aufstiegsplatz muss man investieren bzw. riskieren, obwohl zeitgleich die finanziellen Mittel weniger geworden sind. Die Vereinsleitung hat zwar versichert, dass es auch weiterhin Profifußball in Ried geben wird, auch wenn der Aufstieg heuer erneut nicht gelingt. Über kurz oder lang wäre es dennoch ziemlich wichtig, diese Liga wieder dauerhaft verlassen zu können. Sollte man in der Vereinsführung weiterhin die Bodenhaftung behalten und die Mannschaft den Teamgeist konservieren können, dann habe ich diesbezüglich ein gutes Gefühl.
https://emprechtinger.com/wp-content/uploads/2018/08/sv-ried-denis-kahramanovic.png416667Gerald Emprechtingerhttps://emprechtinger.com/wp-content/uploads/2018/04/emprechtinger-com-logo-2.pngGerald Emprechtinger2018-08-12 19:45:192018-08-13 09:10:20Die SV Ried ist wieder ein Team
Knapp eineinhalb Monate sind seit dem Nichtaufstieg der SV Ried vergangen. Diese spielfreie Zeit war auch notwendig, um die Misserfolge der vergangenen beiden Spielzeiten aus dem Kopf zu bekommen. Abgesehen davon hat sowieso gerade die Fußball-WM in Russland die Welt in seinem Bann. Doch passend zur zweitägigen WM-Pause vor den Viertelfinalspielen gab es gestern und heute zwei Aufreger mit und rund um die SV Ried.
Aufreger #1 – Thomas Gebauer wechselt zum LASK
Wie aus heiterem Himmel wurde heute am Nachmittag bekannt gegeben, dass Thomas Gebauer die SVR mit sofortiger Wirkung verlässt und für die nächsten drei Jahren beim LASK unterschreibt.
Dies kommt wohl für 99% aller Ried-Anhänger (und auch LASK-Anhänger) ziemlich überraschend. Besonders erfreulich bei diesem Wechsel, dass das Archiv auch die Rache des Hobbyjournalisten ist. Denn im März 2017 gab Gebauer bei einem Interview mit den OON folgenden Satz von sich:
Die Liga ist zweitrangig, mein Herz hängt an der SV Ried, und ich möchte in Österreich für keinen anderen Verein spielen.
So schnell kann man sich also um 180° drehen. Wenn man an unvermutete Wechsel nach Linz denkt, dann wurden bei einigen wohl auch Gedanken an den Nacht-und-Nebel-Wechsel von Oliver Glasner zum Lokalrivalen aus Linz vor das geistige Auge geführt. Doch diese beiden Wechsel unterscheiden sich massiv. Glasner war ein Anfänger als Profitrainer, dem von Stefan Reiter die Chance auf eine Trainerposition bei einem (wieder-)aufstrebenden Bundesligisten gegeben wurde. Er konnte seinen Kader nach Wunsch zusammenstellen (u.a. Thomas Murg, Stefan Lainer, Dieter Elsneg), seine eigene Spielphilosophie (das allseits beliebte RB-Pressing) verwirklichen und wurde auch im tiefsten Abstiegsschlamassel im Spätherbst nicht entlassen. Sein völlig überraschender Wechsel zum ASK in die zweite Liga am Pfingstwochenende fühlte sich damals für 100% der Rieder Fans wie Hochverrat an.
Gebauer ist nicht Glasner
Viel pragmatischer muss man dies bei Gebauer sehen. Ein 36-jähriger Tormann, dessen Leistungen in den letzten 2-3 Jahren maximal durchschnittlich waren, bekommt am Ende seiner Karriere nochmal die Chance auf ein nettes Fußballprofi-Gehalt und darf sich die Spiele der neuen 12er-Bundesliga aus nächster Nähe (von der Ersatzbank aus) ansehen. Außerdem kann die SVR gleichzeitig einen der Topverdiener von der Gehaltsliste streichen – der sportlichen Führung kam dies wohl nicht ungelegen, nachdem man den Sparstift sowieso an allen Ecken und Enden ansetzen muss.
Ich kann mir auch gut vorstellen, dass dieser Wechsel für das Mannschaftsgefüge nur förderlich sein kann, weil hier alte Seilschaften eingerissen werden und eine neue organische Führungsstruktur im Team aufgebaut werden kann. Nächster Kapitän kann und muss ein Feldspieler werden, mit Lukas Grgic habe ich bereits in meinem Saisonrückblick einen „echten Typen“ für diese Funktion vorgeschlagen (welche er auch heuer bereits bei einem Testspiel ausübte). Sein Interview mit den OON im Juni bestätigten mir dieses positive Gefühl zusätzlich.
Thomas Gebauer war zwölf Jahre lang in Ried, wurde Cupsieger und Vizemeister. Aber trotzdem wird er mir als Symbolfigur für den Abstieg des Rieder Fußballs (damit meine ich den Abstieg sowie den Nichtaufstieg) in Erinnerung bleiben. Die unzähligen leidvollen Blicke in Richtung der Westtribüne, die unzähligen Versuche mit den verstimmten Fans zu kommunizieren. Dieses Bild hat sich in meinem Gehirn eingebrannt. Ich wünsche ihm gesundheitlich und privat in der Stahlstadt nur das Beste, sportlich aber eine Vielzahl von „Was macht Gebauer da draußen?“-Aktionen – so viel gesunde Rivalität muss sein.
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Aufreger #2 – Meisterschaftsspiele am Sonntag um 10:30
Am gestrigen Tag wurden von der Bundesliga die Spieltermine der ersten vier Spieltage fixiert. Nach dem Meisterschaftsbeginn mit dem OÖ-Derby beim Aufsteiger in Steyr (27. Juli, 19:10, auch live auf ORF Sport+) trägt die SVR ihr erstes Heimspiel am Wochenende danach aus. Und zwar am Sonntag um 10:30 am Vormittag. Nein, dies ist kein Scherz. Der erste große Shitstorm auf Facebook (und auch in anderen sozialen Kanälen) ließ erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten. Auch meine erste Reaktion auf Twitter fiel im Affekt wenig freundlich aus, stieß aber mit knapp 6000 Impressions und 70 Interaktionen auf viel Interesse und Zustimmung.
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Die neue Zweite Liga (die nun endlich wirklich zweite Liga heißt) ist eine unausgegorene Mischung aus Profimannschaften (z.B. Ried, Wiener Neustadt, Lustenau), Halbprofimannschaften (z.B. Lafnitz, Amstetten), Amateurteams von Bundesligisten (z.B. Wacker II, Young Violets) und Fake-Amateurteams von Bundesligisten (Liefering, OÖ Juniors). Die Spiele dieser Stiefkind-Liga finden immer dann statt, wenn man die Bundesliga im Fernsehen nicht stört (und damit meine ich sowohl die österreichische als auch die deutsche).
Neben dem ORF hat auch Laola1 die Bildrechte und darf infolgedessen die wöchentliche Sonntagspartie diktieren. Aufgrund der relativen Attraktivität der SVR (schon in der letzten Saison übertrug ORF Sport+ die mit Abstand meisten Spiele der Rieder, noch vor Wacker Innsbruck) kann man jetzt schon davon ausgehen, dass auch nach Runde 4 die eine oder andere Sonntagspartie in Ried angesetzt werden wird.
Aber warum spielt man überhaupt an einem Sonntag um 10:30? Wie ein User mit Wett-Know-How im ASB geschrieben hat, hat der Termin vor allem einen globalen Hintergrund, so blöd dies auch klingen mag. Man kann dadurch nämlich asiatische Wettmärkte bedienen, denen sonst um diese Zeit relativ langweilig ist. Die Spiele werden auch auf dem TV-Sender von Laola1 (zu empfangen u.a. via A1 TV) sowie auf Laola1.tv live übertragen. Gemessen an YouTube-Übertragungen von ÖFB-Cup-Spielen kann man hier jetzt schon sagen, dass dies eventuell 100-700 Menschen sein werden, die manchen Vereinen wiederum die x-fache Anzahl an Stadionbesuchern wegnehmen werden.
Nachteile bei Auswärtsspielen
Manche haben schon gesagt, dies wäre nicht so schlimm, in der Wiener Stadtliga hätte dieser Termin sogar Tradition. Liebe Leute, dort haben die gegnerischen Mannschaften (und vor allem FANS) auch keine dreistündigen Anreisen zu bewältigen. Die Fahrtzeit von Wattens nach Ried beträgt gemäß Google Maps knappe 2:40. Damit muss ein Fanbus irgendwann vor 07:00 wegfahren. Hier kann man sich fast schon überlegen, ob man am Abend davor fortgeht und durchmacht.
In der 9. Runde erwischt es dann auch die Rieder Fans, denn an diesem Spieltag ist das Auswärtsduell mit Wiener Neustadt (gemessen an der Vorsaison eines der absoluten Topspiele dieser Liga) für Sonntag um 10:30 angesetzt. Bei 2:55 Fahrtzeit darf man mit dem Bus spätestens um 06:30 losfahren. Kurzum: bei diesem Spieltermin (und vor allem den Ansetzungen) wurde der Faktor Auswärtsfan vollkommen ignoriert bzw. eliminiert.
Nachteile bei Heimspielen
Doch auch für Heimmannschaften hat dieser Spieltermin einschneidende Nachteile. Neben fehlenden TV-Geldern und weniger Sponsoreneinnahmen wird auch die Stadiongastronomie diesen Spieltermin in punkto fehlende Einnahmen zu spüren bekommen. Ich selber (und wohl auch viele andere treue Stadiongänger) haben die letzten Jahre hinweg bei den Abendpartien wohl regelmäßig 2-12 Halbe Bier konsumiert. Dies ist mit diesem Termin an diesem Wochentag einfach nicht möglich. Theoretisch schon, aber ich persönlich habe keine Lust dazu, einen Frühschoppen in der Josko Arena (so heißt übrigens jetzt unser Stadion) zu zelebrieren und mich so durch den Sonntag (und folglich durch den Montag) zu quälen.
Auch hinsichtlich Leistungsfähigkeit der Spieler ist es alles andere als förderlich, wenn einmal um 10:30, einmal um 14:00 und einmal um 19:10 gespielt wird. Je mehr hier variiert wird, desto schwieriger ist es für den Biorhythmus, sich optimal auf ein Match einzustellen.
10:30 gab es auch in den 90ern
Übrigens wurde auch schon früher einmal am Sonntag um 10:30 gespielt. Zwischen 1991 und 1994 (die älteren Semester werden sich erinnern) musste die SVR in der 2. Division insgesamt sechsmal an diesem Termin antreten. Viermal beim FavAC, einmal bei der Vienna, einmal in Donaufeld und einmal bei LUV Graz. Also stets in Großstädten, wo die kleineren Vereine versuchten, den Granden (Rapid, Austria, Sturm, GAK) großräumig auszuweichen. Die Zuschauerzahlen damals übrigens stets majestätisch: 700 beim FavAC, 700 bei der Vienna und 400 bei LUV Graz. Historische Zahlen zu diesen Spielen findet man in diesem Archiv.
Wie auch immer: ich persönlich rechne beim Spiel gegen Wattens mit dem schlechtesten Heimspielbesuch seit der Saison 2003/2004 und eine Zahl über 2000-2500 Besucher würde mich stark überraschen (wobei auch das Ergebnis in Steyr eine Rolle spielen wird).
Abseits der Aufreger – der neue Mannschaftskader
Als Dauerkartenbesitzer hat man letzte Woche die Information erhalten, dass das Budget für die kommende bei 3.8 Millionen liegen wird. Das ist beispielsweise deutlich mehr als beim Bundesligisten in Hartberg, die mit 2.8 Millionen kalkulieren. So konnte man sich mit der erneuten Leihe (mit Kaufoption) von Kennedy Boateng auch einen Spieler leisten, der für die Oststeirer nicht leistbar war.
Nach den Abgängen von Seifedin Chabbi (Gazisehir Gaziantep Futbol Kulübü / TUR), Thomas Fröschl (BW Linz) und Philipp Prosenik (hoffentlich irgendwas ohne Fußball) hat man mit Darijo Pecirep (CRO) vom Wiener Sport Club (letzte Saison 17 Tore in der RLO) bisher nur einen Stürmer verpflichtet. Hier könnte bis zum Saisonbeginn noch eine Verpflichtung vollzogen werden, auch wenn Thomas Mayer (der fünffache Torschütze vom letzten Saisonspiel gegen Kapfenberg) offensiver spielen soll und auch die Rolle von Stefano Surdanovic offensiver angelegt sein soll. Felix Hebesberger und Belmin Crcic waren vergangene Saison zwei der offensiven Aktivposten bei den Ried Amateuren, ersterer hat für diese Saison auch einen Jungprofivertrag erhalten.
Mit Mario Kröpfl (der ehemalige Kapitän des FAC, also ein Leadertyp) hat man einen Defensivspieler verpflichtet, der Ronny Marcos schnell vergessen machen wird – neben der Linksverteidigerposition kann er auch auf der Position des linken Innenverteidigers agieren. Der Abgang von Peter Haring (Hearts of Midlothian) wurde mit der Verpflichtung von Bojan Lugonja (BIH) aus Liefering kompensiert (einem „Gschropp“, wie wir letzte Saison beim Auswärtsspiel in Grödig feststellen mussten – den man aber gerne in der eigenen Mannschaft hat).
Auch Flavio Dos Santos (CPV) hat endlich seinen Pass erhalten (man glaubt es kaum) und kann im Spätherbst wohl als Option im Offensivspiel gesehen werden, wo er die Rolle von Ilkay Durmus (Wacker Innsbruck) übernehmen könnte. Mit dem bereits erwähnten Lukas Grgic sowie Marcel Ziegl und Julian Wießmeier konnte die gesamte Mittelfeldzentrale gehalten werden. Dazu kommt mit Ante Bajic aus Gurten ein Perspektivenspieler, der letzte Saison 24x in der RLM auflief und im offensiven Mittelfeld variabel einsetzbar ist.
Auf der Torhüterposition bekommt mit dem Neuzugang Johannes Kreidl aus Nürnberg nun ein junger Torhüter die Chance auf einen Stammplatz. Der 22-jährige Tiroler war zuletzt auch zweimal für die U21 von Werner Gregoritsch im Einsatz. Nach dem plötzlichen Abgang von Gebauer kann man allerdings damit rechnen, dass auf dieser Position vereinsseitig wohl noch reagiert und ein zweiter (erfahrener) Tormann geholt werden wird.
Alles in allem gefällt mir der Kader bisher nicht schlecht, weil anscheinend stärker auf die Einstellung und auf den Charakter geachtet wurde als in der Saison zuvor. Außerdem hat man auch anderswo dazu gelernt, statt Großkotzigkeit setzt man heuer auf Understatement, Ziel ist es „eine junge Mannschaft weiterzuentwickeln„. Keine Rede mehr vom Meistertitel als Muss, obwohl man mit diesem Budget und diesem Kader sicher wieder zu den Favoriten zu zählen ist.
Die Gegner im Kampf um den Aufstieg sind wohl (abermals) Austria Lustenau, Wiener Neustadt und eventuell auch Austria Klagenfurt (Peter-Svetits-Alarm). Alle anderen Mannschaften dürfen nicht aufsteigen (Liefering, OÖ Juniors, Wacker II, Young Violets) oder wollen teilweise nicht aufsteigen (Lafnitz).
„Muss“ die SVR heuer aufsteigen?
Sollte man den Aufstieg auch in dieser Saison nicht schaffen, dann könnte es über kurz oder lang (eher über kurz) schlecht mit dem Profifußball in Ried aussehen. Auf Dauer gesehen kann man sich in dieser unattraktiven Liga mit Gruselankick-Zeiten wohl kein Profitum leisten. Und ohne Profitum gibt es auch keine Akademie mehr. Und ohne Akademie hat man keine Chance mehr, sich wirklich hoffnungsvolle Talente selber heranzuzüchten.
Daher bin ich knapp zwei Wochen vor Saisonbeginn (im ÖFB-Cup wurde uns gerade zum gefühlt 17. Mal ein Auswärtsspiel in Dornbirn zugelost) positiv gestimmt (trotz aller Aufreger) und hoffe darauf, dass alle Verantwortlichen die richtigen Lehren aus dem Versagen der Vorsaison(en) gezogen haben und kommende Saison auch wieder EINE SV Ried auf dem Platz stehen wird. Denn wie viele Tiefschläge und Tiefpunkte auch noch kommen mögen – die SV Ried ist (leider?) trotzdem die Droge die uns gefangen hat.
Bildquellen:
– Thomas Gebauer via lask.at,
– Mannschaftsbild via svried.at
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https://emprechtinger.com/wp-content/uploads/2018/07/lask-gebauer.jpg500750Gerald Emprechtingerhttps://emprechtinger.com/wp-content/uploads/2018/04/emprechtinger-com-logo-2.pngGerald Emprechtinger2018-07-04 21:06:492018-07-05 14:45:37Thomas Gebauer will nicht um 10:30 spielen
Seit gestern 21:18 steht es endgültig fest. Die SV Ried hat den Aufstieg aus der sky Go Erste Liga in der Saison 2017/2018 völlig verdientermaßen nicht geschafft und bleibt weiterhin zweitklassig.
Wacker Innsbruck ist seiner Favoritenrolle (bei meinem ASB-Tipp im Juli hatte ich die Tiroler auf Platz 1 gesehen) nach einem Stotterstart gerecht geworden. Karl Daxbacher ist (nach dem LASK und St. Pölten) zum insgesamt dritten Mal in dieser Liga als Meister aufgestiegen. Nach einem durchwachsenen Herbst dominierten die Innsbrucker ihre Gegner im Frühjahr nach Belieben und konnten den Meistertitel bereits in der 34. Runde fixieren – pikanterweise gegen den vermeintlich größten Gegner aus Ried.
Der zweite Aufsteiger entscheidet sich am kommenden Montag. Hartberg (der sportliche Tabellenzweite) hat eindrucksvoll bewiesen, was man mit einem eingespielten Kollektiv mit viel Herz und Leidenschaft, gecoacht von einem aufstrebenden jungen Trainer alles erreichen kann. In Sachen Zuschauerinteresse und Infrastruktur wird Hartberg jedoch ein Sorgenkind bleiben – der nur fünftbeste Zuschauerschnitt (mit knapp über 1000 Zuschauern) und der Ausblick auf eine halbe Saison im 75 km entfernten Graz erzeugen wohl schon jetzt Sorgenfalten in den Gesichtern der Bundesligaverantwortlichen. Nebenbei bemerkt war Hartberg (neben Kapfenberg) die einzige Mannschaft, die in beiden Auswärtsspielen in Ried kumuliert keinen einzigen Zuschauer zur Präsenz im Fansektor bewegen konnte. Nicht einmal bei Wattens, Floridsdorf oder Liefering (!) war dies der Fall.
Wiener Neustadt (die aufsteigen, wenn Hartberg die Lizenz auch im dritten und letzten Anlauf nicht bekommt – ansonsten Relegation gegen St. Pölten spielen) hat mit der Verpflichtung von Hamdi Salihi im Sommer den perfekten Schritt gesetzt. Selbst als 34-jähriger wurde der ehemalige Ried-Goalgetter scheinbar mühelos Torschützenkönig in dieser Liga. Form is temporary, class is permanent – wie das englische Sprichwort so schön sagt. Auf seine Klasse hat in Ried freiwillig verpflichtet, denn der Albaner wäre dem Vernehmen zufolge an einer Rückkehr nach Ried interessiert gewesen. Allgemein verlief die Saison der Niederösterreicher in sehr unterschiedlichen Phasen – nach einem Wunderstart drohten die Neustädter im Spätherbst abzurutschen, kratzten aber immer wieder zum richtigen Zeitpunkt die Kurve und stehen nun verdienterweise in der Relegation und müssen sich im niederösterreichischen Duell mit St. Pölten beweisen.
Nach dieser kurzen Retrospektive rund um die Aufsteiger fokussiere ich mich in meinem Blogeintrag auf verschiedenste Faktoren, wieso die SV Ried meiner Meinung nach das oftmals deutlich und vehement formulierte Ziel (kläglich) verpasst hat. An dieser Stelle gleich noch eine tl;dr-Warnung: insgesamt umfasst dieser Artikel knapp 4900 Wörter.
Kapitel 1) Warum man den Aufstieg verpasst hat
Man kann Fehler machen (und jeder macht Fehler), aber die Anzahl an Fehlern, welche in dieser Saison wieder und wieder begangen wurden, waren schlicht und einfach zu viele.
1.1) Was Wacker Innsbruck besser gemacht hat
Wie schon mehrmals in meinen Blogs erwähnt, war es stets eine Tugend der Rieder Vereinsführung, die Spielphilosophie an den vorhandenen Kader bzw. die erhältlichen Spieler anzupassen. Nur um ein Beispiel zu nennen, unter Paul Gludovatz wurde mit dem kompakten 3-3-3-1 selten ein Offensiv-Furioso abgefeuert, aber die Ergebnisse sprachen zumeist für sich. Ich wage zu behaupten, dass im bodenständigen Innviertel die meisten Zuschauer dann zufrieden sind, wenn sie mit dem Gefühl des Sieges aus dem Stadion gehen können. Ob das Gezeigte am Feld übermäßig attraktiv war oder nicht, ist kurz darauf vergessen. Denn die Spielweise einer Mannschaft kann noch so attraktiv sein, aber wenn unter dem Strich keine Punkte herauskommen, dann hat diese Mannschaft versagt. Fußball ist ein Ergebnissport. Für diese Aussage zahle ich auch gerne fünf Euro in ein Phrasenschwein.
Doch heuer änderte sich die Herangehensweise an die Spielphilosophie drastisch. Die Spieler wurden zumeist in ein starres 4-4-2-Korsett gesteckt, auch wenn essentielle Schlüsselspieler fehlten oder eine Unform mit sich herumschleppten. Auch nach der sieglosen Serie im Frühjahr hielt man es in der sportlichen Führung nicht für notwendig, etwas am Spielprinzip oder der Spielphilosophie zu ändern. Man könnte dies als Überheblichkeit bezeichnen, weil man die Klasse von Individualisten über die Stärke eines eingespielten Kollektivs (wie etwa bei Hartberg) stellte.
Wacker wurde (auch) deswegen Meister, weil man mit Karl Daxbacher einen erfahrenen und abgebrühten Trainer-Sir auf der Bank hatte, dessen bevorzugtes Spielprinzip eigentlich auf Ballbesitz beruht. Doch nach einem mäßigen Start in die Saison (u.a. mit klaren Niederlagen in Hartberg und Ried) sah Daxbacher rasch von seinem normalen Spielprinzip ab. Er adaptierte seine Taktik passte seine Mannschaft trotz der eigenen Favoritenrolle in 90% aller Spielen an die jeweiligen Gegner an. In einem Interview mit Sky Sport Austria erklärte er dies folgendermaßen:
Ich würde schon sagen, wir haben uns so richtig adaptiert an die Liga. Wir haben nach fünf, sechs Runden im Herbst unseren Spielstil geändert. Wir haben mehr auf Konter gespielt, haben die anderen Mannschaften mehr heraus gelockt. (…) Das war dann letztendlich die richtige Entscheidung.”
1.2) Was Hartberg besser gemacht hat
Auf Hartberg trifft das Merkmal der Anpassungsfähigkeit an den Gegner ebenso zu. Besonders bemerkenswert war für mich ein Interview mit Christian Ilzer, welches vor dem Auswärtsspiel in Ried mit dem ORF geführt wurde. Dabei wurde er von Dennis Bankowsky gefragt, worauf er seine Umstellungen begründet, warum der dribbelstarke Flügelspieler Kröpfl nur auf der Bank sitzen würde. Dabei gab Ilzer zu Buche, dass man mit Christian Ilic die Zentrale verstärkt um ein Übergewicht im Mittelfeld zu schaffen und gleichzeitig an Kopfballstärke bei Standards gewinnen würde.
Nicht nur, dass ein Kopfball von Ilic nach vier Minuten an die Latte landete – mit diesem recht logischen Rezept wurden Grgic und Wießmeier im 4-4-2 der Rieder quasi permanent ausgeschalten, was zur Folge hatte, dass Chabbi und Fröschl stets in der Luft hingen und sich die Bälle zumeist selber holen wollten/mussten. Dies wiederum hatte die Konsequenz, dass beide dann auch öfters selber in der Sturmspitze fehlten und das Rieder Offensivspiel auseinander brach.
1.3) Ried war zu oft leicht berechenbar
Ein weiteres Beispiel dafür, wie berechenbar die SVR heuer zumeist agierte, waren die Spiele im Frühjahr gegen BW Linz und den FAC. Beim glücklichen 4-2 Sieg in Floridsdorf brachten die Wiener die SVR-Defensive mit einem einzigen Kniff laufend in Bedrängnis: hohe Bälle auf Lubega in die Schnittstelle der Innenverteidigung. Wäre Edrisa Lubega ein Stürmer mit Abschlussqualität, hätte er in dieser Partie wohl vier bis fünf Tore erzielen können, da er die Langsamkeit von Haring und Reifeltshammer wiederholt schamlos aufdecken konnte. Für eine ähnliche Schwimmstunde in Sachen Defensivarbeit sorgten die schnellen Koita und Lüchinger dank eines ähnlichen Prinzips beim 2-2 im zweiten OÖ-Derby bei BW Linz.
1.4) Im Rieder Spielplan gab es keinen Plan B
Dies bringt mich gleich zu meinem nächsten Kritikpunkt: der SVR fehlte die gesamte Saison über ein Plan B. In elf Spielen dieser Saison (30%) geriet man in Rückstand. Die Bilanz aus diesen Spielen? Lediglich ein Sieg (gegen den FAC), ein Unentschieden (gegen Wacker) und acht Niederlagen. Noch schlimmer ist jedoch die Statistik, wenn man mit 0:1 in Rückstand geriet. Hier holte man in acht Fällen nur einen einzigen Punkt.
Runde
Gegner
Zwischenstand
Endstand
Punkte
1
Wiener Neustadt
0:1
0:1
0
3
FAC
1:2
3:2
3
4
Liefering
0:1
0:4
0
9
Kapfenberg
1:2
1:2
0
15
Innsbruck
0:1
1:1
1
16
Hartberg
0:1
2:3
0
24
Wacker
1:2
1:3
0
25
Hartberg
0:1
0:1
0
28
Wiener Neustadt
0:1
0:1
0
33
Wacker
0:1
1:3
0
34
Hartberg
0:1
0:1
0
Selten bis gar nie wurde bei Rückstand eine spieltaktische Anpassung durchgeführt, echte Impulse von außen fanden kaum statt. In dem alles-oder-nichts-Spiel gegen Hartberg wurde nach 72 Minuten Prosenik für Fröschl eingewechselt. Positionsgetreue Wechsel wie dieser dominierten die gesamte Saison, egal ob unter Lassaad Chabbi oder den Interimstrainern Franz Schiemer und Thomas Weissenböck. Der Mut zum vollen Risiko wurde zu keinem Zeitpunkt gezeigt.
1.5) Anfälligkeit in der Schlussphase
Die Schlussphase des 35. Spieltags war stellvertretend für die gesamte Saison der sky Go Erste Liga. Wiener Neustadt erzielte einmal mehr in den letzten Minuten eines Spiels den Siegtreffer durch einen Stürmerroutinier. Die SVR ging mit 1-0 in Führung, kassierte aber in der Nachspielzeit (mal wieder) den Ausgleich aus einer Standardsituation (mal wieder). Weder das eine noch das andere war für mich ein Zufall.
In der Schlussviertelstunde kassierte man gleich 15 Gegentore und damit so viele wie in der gesamten ersten Halbzeit zusammen. Besonders bitter in Erinnerung: das 1-1 in Linz, beide Tore beim 2-2 in Hartberg, das 1-2 in Kapfenberg, das 2-2 gegen Wiener Neustadt, das 0-1 in Wiener Neustadt sowie das 1-1 in Wattens. Insgesamt wurden in der Schlussviertelstunde 11 Punkte verschenkt, jedoch nur 1 Punkt gewonnen (beim späten 1-1 in Innsbruck).
Noch schlimmer ist die Statistik, wenn man Punkteverluste nach Führungen den Punktegewinnen nach Rückstand gegenüberstellt.
Runde
Gegner
Zwischenstand
Endstand
Punkte
Gegentore
5
BW Linz
1:0
1:1
2
83. Minute
7
Hartberg
2:0
2:2
2
78., 90.
9
Kapfenberg
1:0
1:2
3
44., 80.
19
Wiener Neustadt
2:0
2:2
2
36., 91.
21
FAC
1:0
1:1
2
60.
22
Liefering
1:0
1:1
2
27.
23
BW Linz
1:0 / 2:1
2:2
2
15., 64.
35
Wattens
1:0
1:1
2
91.
Auf der Soll-Seite stehen hier unfassbare 17 Punkte. Auf der Haben-Seite? Nur vier Punkte (beim erwähnten 1-1 bei Wacker sowie beim 3-2 gegen den FAC im Sommer). Ergibt ein Minus von 13 Punkten.
In vielen dieser Spielen konnte man nach dem Ausgleich (oder gar Rückstand) nicht mehr zusetzen. Neben dem fehlenden Plan B hat für mich auch der spieltaktisch bedingte Kräfteverschleiß bei vielen ernüchternden Ergebnissen eine Rolle gespielt.
Denn der unter Sportdirektor Schiemer angestrebte RB-Fußball zeichnet sich durch ein massives Offensivpressing aus und ist daher auch übermäßig kräfteraubend. Genau dies wurde der SVR in der heurigen Saison in der Schlussphase scheinbar laufend zum Verhängnis, obwohl man mit Tamasz Tiefenbach zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte über einen hauptberuflichen Konditionstrainer verfügte.
1.6) Anfälligkeit bei Ecken und Freistößen
Ebenfalls frappant war die Anfälligkeit bei Standardsituationen. Hier fallen mir spontan die Spiele gegen Wiener Neustadt und Hartberg ein, in denen vielen Punkte durch gegnerische Eckbälle und Freistöße verloren gingen. Und zuletzt der Ausgleich von Wattens nach 91 Minuten durch einen Freistoß. In einer Raumdeckung deckt man den Raum. Diese Aussage nahmen die Rieder Verteidiger oft zu wörtlich. Ein gutes Beispiel hierfür der bereits erwähnte Lattenkopfball von Ilic (Hartberg), der nach einer Ecke völlig unbedrängt im Fünfmeterraum zum Kopfball kam. So eine Szene sieht man sonst nicht einmal in der 2. Klasse West.
1.7) Mit 41 Gegentoren in 36 Spielen gewinnt man keinen Blumentopf
Die ständige Rotation in der Innenverteidigung zu Beginn des Frühjahres mit vier Paarungen in ebenso vielen Spielen (Haring – Reiner; Haring – Boateng; Boateng – Reifeltshammer, Haring – Reifeltshammer) verunsicherte die gesamte Defensive. Dieser Fehler der permanenten Rotation setzte sich auch unter Schiemer und Weissenböck fort.
Anstatt auf die einigermaßen solide Paarung aus dem Herbst (Haring – Boateng) zu setzen, forcierte etwa Weissenböck mit Reifeltshammer den ehemaligen Abwehrchef der SVR und machte diesen wieder zum Fixposten. In der entscheidenden Phase der Saison agierte das Urgestein gegen Wacker und Hartberg leider alles andere als souverän und musste gegen Wattens aus Sicherheitsgründen sogar ausgewechselt werden.
Von allen vier Aufstiegskandidaten kassierte die SV Ried die meisten Gegentore. Auch hier gibt es einen Spruch, der wieder einmal seine Gültigkeit beweist: offense wins games, defense wins championships. Und so erscheint es irgendwie logisch, dass die beste Defensive auf Platz 1 steht, die zweitbeste Defensive auf Platz 2 und die drittbeste Defensive auf Platz 3.
Niemand aus dem Trio Haring, Boateng und Reifeltshammer ragte über die Saison gesehen wirklich heraus oder erlaubte sich weniger Fehler als ein anderer. Ein unumstrittener Abwehrchef fehlte augenscheinlich. Ronny Marcos spreche ich nach seinen Leistungen im Frühjahr jegliche Tauglichkeit für eine Profimannschaft ab, neben seinen beiden Ausschlüssen gegen Kapfenberg und den FAC verschuldete er u.a. auch den Ausgleich in Linz und sorgte mit vielen konfusen Aktionen laufend für Kopfschütteln unter den Fans. Nicht umsonst hatte er kurz vor Saisonende seinen Platz gegenüber Christian Schilling verloren und rutschte nur dank dessen Verletzung wieder in die Startelf. In der Offensive fand er quasi nicht statt: ein Assist (bei 61 Toren) ist für einen Außenverteidiger in einem 4-4-2 System nicht akzeptabel. Sein Pendant auf der rechten Abwehrseite, Manuel Kerhe, war wohl der stabilste Defensivmann im Verbund, jedoch ohne wirklich zu glänzen.
1.8) Das Toreschießen wurde verlernt
Doch nicht nur die Defensive sorgte (vor allem im Frühjahr) für viel Kopfzerbrechen. Auch die Offensive schien bei warmen Temperaturen zunehmend ihr gelerntes Handwerk zu vergessen. So besagt eine weitere deprimierende Statistik zum Frühjahr, dass (wenn man jetzt das 7-1 gegen Kapfenberg ausnimmt) nur BW Linz (13) und der FAC (15) zwischen Februar und Mai weniger Tore als die SVR (17) erzielten. Im Herbst war die SV Ried (44) noch jene Mannschaft, welche die meisten Tore erzielen konnte (+5 auf Liefering, +11 auf Neustadt, +13 auf Wacker). Ilkay Durmus konnte an seine Form aus dem Herbst nicht annährend anknüpfen, Clemens Walch war wieder einmal Clemens Walch (= meistens verletzt oder krank) und auf die Verschwendung von Julian Wießmeier komme ich später zu sprechen. Auch Chabbi und Fröschl konnten an ihre Torquote aus dem Herbst nicht annähernd anknüpfen.
1.9) In direkten Duellen wurde stets versagt
Generell funktionierte (das ist ein Trend meiner Analyse) im Frühjahr fast gar nichts mehr. Vor allem das Versagen in den direkten Duellen mit den Aufstiegskonkurrenten verursachte das Abrutschen in der Tabelle. Im Herbst konnte die Mannschaft aus sieben Duellen mit den direkten Gegnern (Wacker Innsbruck, Hartberg und Wiener Neustadt) noch akzeptable neun Punkte holen und belegte damit in einer Mini-Tabelle sogar den ersten Tabellenplatz. Außerdem erzielte man im Schnitt zwei Tore pro direktem Duell.
HERBST 2017
SP
S
U
N
TV
P
1.
Ried
7
2
3
2
14:10
9
2.
Neustadt
6
3
0
3
3:7
9
3.
Hartberg
6
2
2
2
8:7
8
4.
Wacker
6
2
2
2
7:8
8
Doch wenn man selbige Mini-Tabelle aus den Spielen im Frühjahr erstellt, so ergibt sich ein Bild des Grauens. In fünf Spielen setzte es ebenso viele Niederlagen. Dazu waren die zwei geschossenen Tore (jeweils gegen Wacker) ein weiterer Faktor, wieso man einfach keine Spiele für sich entscheiden konnte.
FRÜHJAHR 2018
SP
S
U
N
TV
P
1.
Wacker
6
4
1
1
10:3
13
2.
Hartberg
6
3
2
1
5:4
11
3.
Neustadt
6
2
2
2
6:8
8
4.
Ried
5
0
0
5
2:9
0
Das Gesamtbild (wenn man Herbst und Frühjahr zusammenrechnet) ist desaströs. Aus den insgesamt zwölf Duellen mit diesen Gegnern konnte man lediglich zwei gewinnen und verlor gleich vier von sechs Spielen vor eigenem Publikum.
GESAMT
SP
S
U
N
TV
P
1.
Wacker
12
6
3
3
17:11
21
2.
Hartberg
12
5
4
3
13:11
19
3.
Neustadt
12
5
2
5
09:15
17
4.
Ried
12
2
3
7
16:19
9
Da die Punkte aus solchen Duellen bekannterweise doppelt zählen, kann dies als zentraler Aspekt im Versagen der Mannschaft stilisiert werden. Klar war manchmal auch Pech mit Schiedsrichterentscheidungen dabei (der nicht gegebene Elfer an Kerhe in Hartberg ist für mich weiterhin der klarste Elfer aller Zeiten, der nicht gegeben wurde).
Im Endeffekt war jedoch eine Mischung aus den bereits genannten Faktoren (Anpassungsfähigkeit bzw. Plan B) ausschlaggebend, welche mit teilweise apathischer Abschlussschwäche und fehlendem Killerinstinkt angereichert wurde. Denn sowohl auswärts und daheim gegen Hartberg als auch in Wiener Neustadt hätten Chabbi, Durmus oder Wießmeier die Spiele jeweils bereits frühzeitig entscheiden oder zumindest positiv beeinflussen können.
Nebenbei bemerkt war die Steiermark kein guter Boden für die SV Ried, aus den vier Ausflügen in die Ost- bzw. Obersteiermark konnte man nur einen von zwölf möglichen Punkten holen, in zwei der vier Spielen blieb man sogar ohne Tor. Abgesehen von Hartberg und Kapfenberg kann man mit der Punkteausbeute gegen die „Kleinen“ einigermaßen zufrieden sein – dies ist gewissermaßen ein Hauptgrund, wieso man knapp vor Saisonende überhaupt noch im Aufstiegs- bzw. Relegationsrennen war.
Die nachfolgende Statistik zeigt überblicksmäßig die Punkteausbeute gegen jeden Gegner an, sowie den eigenen Punkteschnitt und im Vergleich dazu den Punkteschnitt des Gegners gegen alle anderen Gegner (* Stand nach 35 Runden).
Die Ausbeute in den Derbys hätte man vor der Saison wahrscheinlich unterschrieben, ebenfalls die Ergebnisse gegen Wattens, FAC und dem anderen selbsternannten Aufstiegsfavoriten aus Lustenau. Aber gleichzeitig kann man ableiten, dass man neben den „Top3“ wie bereits erwähnt auch gegen Kapfenberg überdurchschnittlich schlecht abschnitt.
1.10) Im Winter hat man alles falsch gemacht
Egal welche Spielanlage man im Winter weiterentwickeln wollte – dieser Schuss ist nach hinten losgegangen. Anstatt sich auf Automatismen (wie etwa auf Defensivverhalten oder Standardsituationen) zu fokussieren, wollte man etwas am Spielkonzept verändern, das eigentlich ganz passabel funktionierte – immerhin überwinterte man an der Tabellenspitze.
Ich habe bereits mehrmals erwähnt, dass mit Julian Wießmeier ein potentieller Spieler des Jahres gnadenlos verschenkt bzw. verheizt wurde. Als klassischer 10er nach Ried gekommen, musste er zumeist als zentraler Mittelfeldspieler oder rechter Flügelspieler im 4-4-2 agieren. Als ZM ist er jedoch zu wenig robust, als RM zu langsam. Eingesetzt wurde er dennoch auf beiden Positionen.
Mit Marko Stankovic durfte ein Routinier den Verein im Winter zum FC Pune nach Indien verlassen, der im Frühjahr mit seiner Erfahrung und seinen Standards schmerzlich vermisst wurde. Die Eckbälle von Kerhe (gefühlte 34 gegen Wacker, gefühlte 18 gegen Hartberg) waren an Harmlosigkeit kaum zu überbieten. Und aus Standardsituationen aus dem Spiel ging sowieso gar nichts mehr. Entweder wollte Stankovic unbedingt weg, oder man war sich des Aufstiegs schon zu sicher und ließ ihn deswegen ziehen. Rückwirkend gesehen war er trotz seiner altersbedingten Behäbigkeit trotzdem immer zumindest für 50-60 Minuten ein ideenreicher Offensivfaktor im Team der SVR.
Gabriel Lüchinger wurde nach Linz verliehen, wo er in den ersten vier Spielen fünf Tore erzielen konnte. Warum der quirlige Schweizer mit dem starken Distanzschuss unter Chabbi überhaupt keine Chance bekam, war/ist für den Beobachter von außen nicht wirklich erkennbar. Bei jedem Testspiel gehörte er zu den Aktivposten im Spiel der Rieder. Klarerweise hatte er mit Ilkay Durmus einen der (zumindest im Herbst) beständigsten Gegenspieler – dennoch wurde sein Talent auf der Tribüne oder in der OÖ Liga verschenkt.
Auf die Neuzugänge im Winter will ich nur mehr mehr wenigen Worten eingehen: Prosenik war ein epochaler Flop, Reiner nach seinem Fehler im Spiel gegen den FAC fast ausnahmslos bei den Amateuren in der 4. Liga im Einsatz und Flavio sitzt passbedingt noch immer auf seiner Heimatinsel fest. Anstatt die Mannschaft punktuell zu verstärken, wurde das Spielgefüge mit den Wintertransfers tendenziell sogar geschwächt. Und auch die Comebacks von Reifeltshammer und Ziegl verliefen enorm kontraproduktiv. Beide sind nach ihren langwierigen Verletzungen noch nicht annäherend dort, wo sie vor wenigen Jahren einmal waren.
1.11) Der ÖFB Cup war eine Ablenkung und kein Bonus
Das Weiterkommen im ÖFB-Cup und die Vorfreude auf das Viertelfinalduell mit Rapid wurde offensichtlich zum mentalen Problem für die Mannschaft. Allen Unkenrufen zum Trotz wurde der FAC in der ersten Runde im Frühjahr unterschätzt, ein behäbiges 1-1 gegen den Tabellenletzten die Folge. Gegen eine Mannschaft, die im Frühjahr lange Zeit bei diesem einen erzielten Tor bleiben würde. Was dieses Ergebnis für mich noch schlimmer gestaltete, war, dass kein Hehl daraus gemacht wurde, dass „die Gedanken der Spieler schon bei Rapid waren“ – somit nicht einmal versucht wurde, eine Ausrede zu finden.
Abgesehen davon litt man auch an einem Post-Cup-Kopfweh: Nach dem 4-0 beim Wiener Sport Club setzte es ein 0-1 gegen Wiener Neustadt, nach dem 4-1 gegen den LASK ein 2-3 gegen Hartberg und nach dem 1-2 in Hütteldorf (immerhin) in 1-1 in Liefering.
Kapitel 2) Ein kurzer Ausblick in die Zukunft
Einer aus St. Pölten, Hartberg und Wiener Neustadt muss kommende Saison in der 2. Liga spielen. Man wird man sechs Derbys (gegen BW Linz, Vorwärts Steyr und die OÖ Juniors) austragen können. Dazu verzerren neben den OÖ Juniors mit Liefering, Wacker und Austria drei weitere Amateurteams die Liga. Aus dem Süden des Landes bekommt man es neben Kapfenberg nun auch mit Lafnitz und Austria Klagenfurt zu tun. Aus dem Osten hat Horn den sofortigen Wiederaufstieg geschafft, dazu kommt mit Amstetten ein weiterer Verein aus Niederösterreich sowie der FAC aus Wien. Ergänzt wird die Liga westwärts durch Wattens und Austria Lustenau.
Hier eine kleine Übersicht auf die Gegner der 30 Spiele in der kommenden Saison:
Oberösterreich
Niederösterreich
Steiermark
Tirol
SV Ried
SV Horn
Kapfenberger SV
WSG Wattens
BW Linz
SKU Amstetten
SV Lafnitz
Wacker Amateure
Vorwärts Steyr
(Wiener Neustadt / St. Pölten)
(Hartberg)
OÖ Juniors
Wien
Vorarlberg
Salzburg
Kärnten
FAC
Austria Lustenau
FC Liefering
Austria Klagenfurt
Austria Wien Amateure
2.1) Wie schaut’s eigentlich mit dem Nachwuchs aus?
Bevor ich mich der Vereinsführung und den Spielern der Profimannschaft widme, noch ein kleiner Sidestep zu den Amateuren und der Akademie. Beim letzten Aufstieg aus der Bundesliga waren mit Schiemer, Lasnik und Sulimani gleich drei Nachwuchskicker regelmäßig im Einsatz. Doch seit Patrick Möschl im Jahre 2013 zum Stammspieler avancierte, schaffte es kein Spieler aus dem eigenen Nachwuchs mehr, zu einer Stammkraft im Profiteam zu werden. Mehrfache Umstrukturierungen und Trainerwechsel verbesserten diese (in dem Fall langjährige) Situation nicht. Aufgrund der intensiven Tätigkeiten von RB Salzburg und mittlerweile auch dem LASK ist es natürlich auch immer schwieriger, wirklich talentierte und gleichzeitig hungrige Nachwuchskicker für das kleine Ried gewinnen zu können.
Wie auch immer – in der aktuellen Saison spielten Stefano Surdanovic und Arne Ammerer (bis zum gestrigen Spiel) im Frühjahr keine Rolle mehr, nachdem sie im Herbst von Chabbi zumindest ab und zu ins Spiel gebracht wurden. Dies kommt nicht von ungefähr. Die Ried Amateure liegen derzeit auf dem viertletzten Platz der OÖ Liga und kämpfen zwei Spieltage vor Saisonende noch immer gegen den Abstieg, was den Rückfall in die sportliche Bedeutungslosigkeit zur Folge hätte. Das Leistungsgefälle zwischen diesen beiden Ligen ist einfach zu groß.
Nur zum Vergleich – die Amateure von Wacker Innsbruck, Austria Wien und auch vom LASK (als Mogelpackung „OÖ Juniors“ analog zu Liefering) spielen kommende Saison in der zweithöchsten Spielklasse, was eine viel bessere Annäherung an die Profimannschaft und eine gesteigerte sportliche Wettbewerbsfähigkeit als Konsequenz mit sich ziehen wird.
Die AKA U18 liegt derzeit im Tabellenmittelfeld, die AKA U16 im hinteren Drittel, die AKA U15 ist abgeschlagen Letzter.
Kapitel 3) Wer trägt die Schuld am Nichtaufstieg?
Geld schießt keine Tore. Dieses Zitat wurde früher immer wieder gerne verwendet, wenn die großen Mannschaften aus Hütteldorf, Favoriten oder Graz in das beschauliche Innviertel kamen und mit einer Niederlage heimgeschickt wurden. Nun erfährt man am eigenen Leib, dass dieses Zitat noch immer Gültigkeit besitzt.
Trotz „Top-Budget“, „Top-Infrastruktur“ (Stadion, Trainingszentrum), „Top-Fansupport“ und (vermeintlichem) „Top-Kader“ belegt man in der Endabrechnung eben nur diesen unrühmlichen 4. Platz. Eine kurze Chronologie der letzten eineinhalb Jahre:
7. Februar 2017: Langzeitmanager Stefan Reiter wird von der Vereinsführung der SV Ried (rund um Finanzvorstand Roland Daxl) beurlaubt. Grund für die Trennung sei, dass man „mit Reiter nicht zufrieden sei“. Kurz darauf wird Franz Schiemer als neuer Sportdirektor vorgestellt und als mittelfristiges Ziel wird (in akuter Abstiegsbedrohung) die Rückkehr in den Europacup ausgegeben.
28. Mai 2017: Nach einem Katastrophenfrühjahr mit nur 15 Punkten aus 18 Spielen steigt man zum zweiten Mal nach 2003 aus der höchsten Spielklasse ab. Der Wiederaufstieg wird als klares Ziel ausgegeben, man sei Topfavorit, so die Devise vor Saisonbeginn und auch noch in der Winterpause.
25. Mai 2018: Der sofortige Wiederaufstieg wird kläglich verpasst. In einem Jahr, in dem es mit 2.5 Aufstiegsplätzen (dank Relegation) so viele wie nie zuvor gibt, beendet man die Saison nur auf dem 4. Tabellenplatz, unter anderem hinter dem steirischen Underdog aus Hartberg, der vielleicht ein Drittel des Rieder Budgets zur Verfügung hatte.
Die bittere Realität lautet nun Lafnitz statt Leverkusen, Amstetten statt Atalanta und Horn statt Hibernian.
3.1) Die Vereinsführung hat versagt
Eigentlich muss dies nach dem letzten Absatz nicht mehr extra erwähnt werden.
Es bleibt abzuwarten, ob diese kommende Saison noch mit Roland Daxl (der seinen Rückzug bei Nichtaufstieg angekündigt hatte und nach den Spielen gegen Hartberg und Kapfenberg von der Westtribüne schwer angefeindet wurde) und Franz Schiemer stattfinden wird. Beide Herren sind seit 15 Monaten für die Geschicke eines ehemals sportlich soliden Vereins verantwortlich und haben diesen in eine permanente Abwärtsspirale geführt. Beachtlich für das CV: 2017: Abstieg aus der Bundesliga. 2018: Nichtaufstieg in die Bundesliga.
„Ich muss aber ganz offen sagen, dass ich den Verein im Falle eines Nichtaufstiegs wohl übergeben würde.“
Roland Daxl am 23. Februar im Interview mit den OON
Ich hoffe stark, dass Daxl sein Wort hält. Eigentlich müssten beide Personen die Konsequenz aus ihrem Versagen ziehen und von ihren jeweiligen Posten zurücktreten. Daxl hat Stefan Reiter (der übrigens noch nie abgestiegen ist, jedoch zweimal aufstieg und zweimal Cupsieger wurde) wie vorher erwähnt knapp vor dem Beginn der Frühjahrsaison 2017 rausgeworfen und damit einen ganzen Verein destabilisiert. Mit Franz Schiemer wurde ein Novize installiert, der Fußball bisher nur als aktiver Spieler sowie als Co-Trainer bei einem Verein miterlebt hatte, in dem es eigentlich um nichts geht. Der Zeitpunkt war so katastrophal schlecht, dass Schiemer auch keine Transferperiode zur Kaderverstärkung zur Verfügung hatte.
OON: Im Frühjahr 2017 hat sich der Klub von Langzeit-Manager Stefan Reiter getrennt und mit Franz Schiemer einen „Rookie“ engagiert. War das richtig?
Daxl: Das war nicht allein meine Entscheidung, sondern die des Präsidiums. Und die war nicht einfach.
Hier schafft er mit einem Satz, dass Schiemer wie ein Fehler klingt und die Entscheidung in Wahrheit sowieso die anderen getroffen haben. Der Fisch fängt jedoch immer am Kopf zu stinken an und Daxl hat sich im Februar 2017 ganz klar als Kopf dieses Vereins positioniert und deklariert.
Wenigstens hat Franz Schiemer gestern Eier gezeigt, seinen Kopf hingehalten und sich für das Scheitern als Hauptverantwortlicher hingestellt. Im Gegensatz dazu folgte ein weiteres Kapitel aus dem Buch der Selbstgefälligkeit von Daxl. Aus dem gestrigen Interview mit Sky Sport Austria:
Es wissen sehr viele Rieder Urgesteine, die den Verein schon 30, 40 Jahre begleiten, sehr wohl, was der Vorstand hier leistet und welches Herzblut und welche Energie wir hier reinstecken. […] Bin sehr stolz darauf und freue mich auch, dass die echten Protagonisten der SV Ried nach wie vor zu uns stehen!”
Ich kenne viele Menschen, die den Verein seit 20 oder 30 oder 40 oder 50 Jahren begleiten (bei mir selber sind es auch bereits 29 Jahre) und mit nur einem Satz diskreditiert Daxl alle Menschen, die es gewagt haben, (berechtigte) Kritik anzubringen. Natürlich stehe ich zur SV Ried. Aber ich stehe nicht zu Daxl und ich stehe nicht zu allen anderen austauschbaren Personen die den Bezug zur Realität und den Menschen abseits des VIP-Clubs offenbar völlig verloren haben.
Doch auch Schiemer hat zumindest einen Fehler (mit-)gemacht: der Rauswurf von Lassaad Chabbi fand zum falschen Zeitpunkt statt und hätte schon viel früher, zumindest aber in der Länderspielpause unmittelbar nach dem 1:3 gegen Wacker stattfinden müssen. Auch die Übergabe an einen Berufstrainer (Thomas Weissenböck) nach seiner Interimstätigkeit erfolgte mindestens eine Woche zu spät (unter Schiemer setzte es ein lasches 2-0 gegen Wattens, ein vergessenswertes 0-0 in Kapfenberg sowie ein im Endeffekt fatales 0-1 in Wiener Neustadt).
In der medialen Farce rund um die Bestellung von Thomas Weissenböck zum Cheftrainer (der aus einer relativ sicheren Quelle bis knapp vor seiner Bestellung nichts von seinem Glück wusste – von wegen „Wunschkandidat“) haben beide Akteure übrigens auch ihr wahres Gesicht gezeigt. Amateurhaft Hilfsausdruck.
3.2) Die Spieler haben (auch menschlich) versagt
Die Zusammenstellung des vermeintlichen Aufstiegskaders durch die sportliche Führung rund um Schiemer, Chabbi und auch Daxl funktionierte augenscheinlich nach zwei Gesichtspunkten: es wurden Spieler geholt, die entweder aus Lustenau (Haring, Wießmeier, Grabher, Chabbi, Durmus) oder vom LASK (Grgic, Kerhe, Boateng, Mayer) bekannt waren. Dazu wurden (aus sentimentalen Gründen?) Spieler in Ried belassen (Gebauer, Reifeltshammer, Walch, Marcos, Ziegl, Fröschl), die jedoch leider teilweise ihren Zenit im Verein schon überschritten hatten. Mit den „Spielerblöcken“ verfolgte man die Idee einer schnelleren Spielfindung, vergaß aber auf menschliche Aspekte bzw. bestehende Vorurteile. So kam es einigen Quellen zufolge zu massiven Gruppenbildungen innerhalb der Mannschaft welche zu Saisonende in handfeste Auseinandersetzungen ausarteten.
Diese Gruppenbildungen hatten definitiv keinen positiven Effekt auf die spielerischen Leistungen. Man hatte als Fan auf der Westtribüne des Öfteren das Gefühl, dass nicht jeder Spieler für jeden anderen bedingungslos laufen und kämpfen würde. Mit ganz wenigen Ausnahmen wie etwa Lukas Grgic können sich daher alle Spieler von mir aus gerne (wieder) aus Ried verabschieden, weil sie größtenteils keine Ahnung haben, was es bedeutet das schwarzgrüne Trikot zu tragen. In Ried wird Fußball immer noch primär gearbeitet. Überhebliche Interviews wie jenes von Chabbi nach dem Match gegen Wattens, in dem er dem Schiedsrichter die notwendige Klasse abspricht, sind übrigens auch bezeichnend. Von Selbstreflexion und einem Suchen der Fehler bei der eigenen Person teilweise keine Spur.
Um einen Kollegen aus dem ASB zu zitieren: die Menschen im Innviertel sind fußballverrückt – über die Rieder (und nicht „Wikinger“, weil kein echter Rieder Anhänger mit diesem Terminus über seinen Verein spricht) wird überall und jederzeit diskutiert. Beim Wirt, im Café, beim Friseur (passiert mir immer mal wieder), an der Tankstelle oder im Supermarkt.
Natürlich war, ist und wird Ried nie die Endstation für einen ambitionierten Spieler sein – aber jeder Spieler hat die gottverdammte Pflicht, sein Maximum zu geben und zu laufen und zu kämpfen bis er sich übergeben muss, solange er das Trikot dieser Mannschaft anziehen darf. Apropos kämpfen: auch wenn Gelbe Karten kein Indikator für Einsatz sind – aber beim 0:1 gegen Hartberg wurde exakt ein Spieler verwarnt. Ich lasse das einfach einmal im Raum stehen.
Wenn kein Einsatz am Platz stattfindet, kann auch kein Funke auf die Menschen überspringen. Daher war die Verbindung zwischen Mannschaft und Fans in der abgelaufenen Saison wohl so schwach wie noch nie zuvor. Wer sich an die Aufstiegsmannschaft aus 2004/2005 erinnert: das waren ganz andere Typen, welche sich mit dem Verein identifizieren konnte und daher eine ganze Region im positiven Sinne anstecken konnten. Dieses Phänomen blieb in dieser Saison über weite Stecken (verständlicherweise) aus. Im Frühjahr folgten dann nach dem katastrophalen Beginn mit acht sieglosen Spielen auch diverse Supportstreiks und eine (noch) weitere Entfernung von Mannschaft und Fans. Das Band wurde nach dem Scheitern nun vorübergehend zerschnitten.
4) Einmal mehr: Quo vadis, SV Ried?
Zum nunmehr dritten Mal binnen eineinhalb Jahren muss ich leider diese Frage aufwerfen. Zum ersten Mal sind einige Fragen aber wirklich existenzieller Natur:
Kann man die finanziellen Mittel auf die Beine stellen, um in der nächsten Saison den Wiederaufstieg anzustreben?
Welche Spieler verfügen über einen gültigen Vertrag für eine weitere Zweitligasaison? Welche Spieler will man überhaupt behalten?
Wie stark muss das Budget aufgrund der (viel) niedrigeren Fernsehgelder reduziert werden?
Welche Konsequenzen ziehen Roland Daxl, die anderen Vorstandsmitglieder und Franz Schiemer aus ihrem Scheitern?
Hat die Kooptierung von Maximilian Schmidt als Vorstandsmitglied im April schon den ersten Schritt eines größeren Plans dargestellt?
Wie will man verärgerte Fans, Sympathisanten und Sponsoren aus der Region wieder für sich gewinnen?
Ich persönlich habe im April mit meinem Artikel #desisnetmeiverein schon ein klares Statement abgegeben, was ich von den letzten Entwicklungen bei der SV Ried halte. Überheblichkeit und unrealistische Ziele passen nicht in diese bodenständige Region. Vor allem, wenn man dann wie im Mai 2017 und auch im Mai 2018 kläglich scheitert. Understatement und Demut wären wie schon früher wieder deutlich passendere Grundhaltungen.
Alle, die mich kennen und in den letzten Wochen und Monaten auf mich zugegangen sind und mich auf meine Blogeinträge angesprochen haben, wissen wie vernarrt ich eigentlich in diesen Verein bin.
Doch das letzte Jahr, die letzten Monate, die letzten Wochen haben mich immer emotionsloser werden lassen. Es ist gut, dass die Saison zu Ende ist. Denn aktuell fühle ich mich von der SV Ried so weit entfremdet wie noch nie zuvor in meinem 34-jährigen Leben.
Vielen Dank an alle, welche sich bis zum Ende dieses Artikels durchgekämpft haben, man sieht/hört/liest sich.
Bildangaben: Zuschauerschnitt via weltfussball.at, Gegentore via bundesliga.at. Titelfoto (c) Florian Ertl, GEPA
Ich wollte eigentlich niemals inflationär über die SV Ried schreiben. Daher will ich mich prophylaktisch für zwei Beiträge innerhalb von vier Tagen entschuldigen. Aber die Ereignisse rund um die Trainersuche bei der SV Ried haben sich im Laufe der aktuellen Kalenderwoche mehrmals überschlagen. Somit fühlte ich mich jetzt am Abend kurzfristig dazu gezwungen, einen neuen Eintrag in mein Logbuch des Wahnsinns schreiben zu müssen.
So viel vorab: zur Amtszeit von Stefan Reiter war im Vorhinein stets wenig oder gar nichts über Transferpläne oder konkrete Transferziele (Spieler und Trainer) bekannt. Dies änderte sich im Sommer 2017 unter der Führung Daxl/Schiemer drastisch – man möchte sogar sagen um 180°. In der Sommerpause war bei so gut wie jedem Transfer bereits am Vortag (oder noch länger davor) bekannt, welcher Spieler neu in den Verein eintreten würde.
Bei den verschiedensten Trainerkandidaten der letzten Woche war selbiges der Fall. Die Vermutung liegt nahe, dass Reiter sein Netzwerk (welches u.a. aus Managern, Agenten, Fußballfunktionären und Journalisten besteht) hinsichtlich Informationssperren (besser) im Griff hatte. Denn die peinliche Reality Soap der letzten Tage wäre bei der SV Ried noch vor zwei Jahren kaum vorstellbar gewesen.
Kandidat 1: Frenkie Schinkels
Am Montagnachmittag wurde bekannt, dass Frenk „Frenkie“ Schinkels am Dienstag als neuer Cheftrainer bei der SVR installiert werden solle. Der Dancing Star aus Niederösterreich (am 14. August auf dem feuchtfröhlichen Copa Pele Kickerdampfer unterwegs) hatte sich am Sonntag bereits mit Franz Schiemer getroffen und die Details schienen geklärt. Als die Information der bevorstehenden Verpflichtung von Schinkels jedoch am Montagnachmittag an die Öffentlichkeit durchsickerte, hatte dies einen massiven Shitstorm in sozialen Medien und Fanforen zur Konsequenz. Die Vereinsführung rund um Roland Daxl, durch diese Geschehnisse offensichtlich stark verunsichert (überrascht? gehemmt?) nahm infolgedessen Abstand an einer Verpflichtung des aktuellen Sportdirektors von Krems.
Um auf Nummer Sicher zu gehen, hat Schinkels dann am Mittwoch übrigens auch noch selbst abgesagt ;- )
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Kandidat/en 2: Paul Gludovatz & Gerhard Schweitzer
Ohne (zumindest für den Laien) erkennbare Linie wandte man sich noch am Montagnachmittag einem altbekannten Duo zu. Paul Gludovatz und Gerhard Schweitzer – das Erfolgsduo rund um den Cupsieg 2011 – hätten für eine dritte Amtszeit im Innviertel reaktiviert werden sollen. Nach einer kurzen (nächtlichen) Bedenkzeit hagelte es jedoch bereits am Dienstagvormittag schallende Absagen, sowohl vom Burgenländer als auch vom Vöcklamarkter (der als Sportdirektor bei der UVB derzeit Tabellendritter in der Regionalliga Mitte ist).
Der mittlerweile 71-Jährige Gludovatz trat auch verbal nach: in einem Interview mit den OON (Anm: in dem er die SVR mit „wir“ und „unser“ bezeichnete) gab er zu Protokoll, dass er bereits in der Länderspielpause mit einem Anruf gerechnet hatte. Zu diesem Zeitpunkt hätte er seiner Aussage nach auch noch die notwendige Zeit gehabt, um Dinge wirklich zu bewegen. Die verlorenen Sechspunkter gegen die direkte Konkurrenz aus Hartberg und Wiener Neustadt sowie das inferiore 0-0 in Kapfenberg fallen übrigens genau in die Zeit zwischen der Länderspielpause und heute.
Deswegen auch vollstes Verständnis meinerseits, dass sich Gludovatz dieses Himmelfahrtskommando nicht antun wollte. Auch mit dem Hintergrund, dass er von Daxl während seiner letzten Amtszeit in Ried (2015/2016 nach der Beurlaubung des glücklosen Helgi Kolvidsson) auch nicht ins Klare darüber gesetzt wurde, dass hinter seinem Rücken nach einem anderen Trainer für die Nachfolgesaison 2016/2017 gesucht wurde. Zudem wurde bei der aktuellen Trainersuche auch Schinkels zuerst kontaktiert. Ein mehrfacher Vertrauensbruch, der nicht zu kitten ist.
Kandidat 3: Heimo Pfeifenberger
Nach den Absagen von Gludovatz/Schweitzer und der Distanzierung von Schinkels sickerte am frühen Abend des Dienstags durch, dass Heimo Pfeifenberger nun Favorit auf das Amt des Trainers während der acht letzten Saisonrunden sein solle. Der ehemalige Coach von Grödig und Wiener Neustadt war nach seiner Entlassung beim Wolfsberger AC auf dem Trainermarkt. Die oberösterreichische Medienlandschaft schrieb in den mittwöchlichen Ausgaben mehr oder minder unisono darüber, dass der Salzburger am Mittwochvormittag nach Ried kommen werde, dort einen Vertrag unterschreiben und am Nachmittag bereits das Training leiten solle. Doch erstens kommt alles anders und zweitens als man denkt. Aus derzeit noch unbekannten Gründen konnte man sich mit dem Ex-WAC-Trainer nicht einigen. So verging der Mittwoch ohne jegliche Vollzugsmeldung.
Kandidat 4: Thomas Weissenböck
Am Mittwochnachmittag machte dann ein Gerücht die Runde, dass Thomas Weissenböck (aktuell Akademieleiter in Ried) und Miron Muslic (AKA 18 Trainer) die Mannschaft bis Saisonende übernehmen würden.
Dies klang zunächst nach einer internen (und verhältnismäßig kostengünstigen) Lösung, welche auch dafür spräche, dass die liquiden Mittel knapp bemessen sind. Es kann natürlich auch sein, dass sich nach dem Chaos der vergangenen Tage niemand mehr die (sportliche) Selbstmordmission antun wollte. Dass falsches Timing mittlerweile zur Vereinsphilosophie gehört, habe ich bereits am Sonntag ausführlich beschrieben.
Das Nachmittagstraining am Mittwoch leiteten übrigens Dieter Alge und Tamasz Tiefenbach (die ehemaligen Co-Trainer von Lassaad Chabbi). Thomas Streif hat heute am Nachmittag in den OON geschrieben, dass die Trainerfrage noch ungeklärt sei.
Sieger: Kandidat 4
Knapp nach 19:35 wurde Thomas Weissenböck dann per Pressemeldung (Anm.: Nein, das ist kein Fake. Kein(e) Grafiker(in) dieser Welt sollte bitte auf diesen Link klicken) offiziell bestätigt. Er wird morgen um 14:00 im Trainingszentrum am Voglweg der Öffentlichkeit präsentiert.
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In seiner ersten Amtszeit in Ried erreichte er zusammen mit Gerhard Schimpl in 18 Spielen einen Schnitt von 0.78 Punkten/Spiel (10 Niederlagen standen nur 3 Siegen gegenüber). Dies ist ziemlich genau 10 Jahre her – am 5. April 2008 wurde er drei Spieltage vor Saisonende entlassen und durch den damaligen Trainernovizen Michael Angerschmid ersetzt.
Die letzte Chance (schon wieder)
Ich würde mir natürlich wünschen, dass die Mannschaft unter neuer Führung am Freitag gegen Austria Lustenau nochmal mit einer „Jetzt erst recht“-Einstellung in das Spiel der letzten Chance geht. Vorstellen kann ich mir dies freilich nicht mehr. Das Hin und Her der letzten Tage kann auch an der Mannschaft nicht spurlos vorübergegangen sein. Wohlgemerkt an der massiv verunsicherten Mannschaft, die unter Druck sowieso nicht reüssieren kann und eigentlich mehr als genug mit sich selber zu kämpfen hat. Auch wenn das Training heute bemerkenswert gut gelaunt absolviert worden ist.
Genug ist genug
Auf den sozialen Plattformen wie Facebook oder Twitter hagelt es seit Tagen bzw. Wochen unerbittlichen Spott bzw. mittlerweile sogar Mitleid (was noch schlimmer ist). Ironischerweise hat Laola1 heute einen Podcast über den Lokalrivalen aus Linz mit dem Titel „Vom Chaos-Klub zum Vorzeige-Verein“ veröffentlicht. Das Timing könnte kaum passender sein.
Denn anders als undurchschaubares Chaos und kollektives Versagen der sportlichen Vereinsführung (wie einst bei Peter-Michael Reichel beim LASK) kann man die Zustände bei der SVR nicht mehr bezeichnen.
Krisenmanagement und richtiger Umgang mit den Medien sind zwei Fremdwörter in diesem überregional bekannten Unternehmen mit Millionenumsatz. Aber gut – polemisch formuliert wird dieses auch nebenberuflich von einem Autohändler und hauptberuflich von einem Berufseinsteiger geleitet. In der realen Wirtschaft wäre eine solche Konstellation undenkbar.
Auch mein Vertrauen (und nicht nur meines) gegenüber den agierenden Personen ist mittlerweile nicht mehr vorhanden. Sollte dieser Verein durch den drohenden Nichtaufstieg nicht sowieso zu Grunde gehen, dann sollten der gesamte Vorstand und der Sportdirektor eigentlich den gebührenden Anstand besitzen und zurücktreten.
Apropos reale Wirtschaft: seit Sommer 2017 wird für Marketingzwecke der Slogan „Des is mei Verein“ eingesetzt. Noch nie war dies jedoch unpassender als zum aktuellen Zeitpunkt. Der Ruf des früheren Vorzeigevereins aus dem Innviertel wurde im Laufe der letzten Monate durch planlosen Aktionismus nachhaltig ruiniert. Dies kann auch ein Aufstieg nicht mehr retten.
Wie Harald Bartl von den OON heute in einem Kommentar richtigerweise bemerkt hat, wenn sich selbst Sir Paul von der SVR abwendet, dann ist dies nicht mehr der uns bekannte Verein. Also #desisnetmeiverein.
In diesem Sinne beende ich meinen Beitrag diesmal mit einem Zitat, dessen Urheber unbekannt ist. Dieses kann man auf Fans, Sympathisanten und auch (langjährige) Sponsoren anwenden:
Trust takes years to build, seconds to break, and forever to repair.
Bilderquelle: Paul Gludovatz: (c) GEPA
Thomas Weissenböck: (c) Daniel Scharinger
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