Ich habe mein Bewertungssystem ausnahmsweise mal nicht geändert. Wie im letzten Jahr besteht meine Liste heuer sowohl aus Serien, welche im aktuellen Kalenderjahr ihre Premiere (in Europa) gefeiert haben, als auch aus fortlaufenden Serien mit mehreren Staffeln. Zu Beginn ein kurzer Rückblick auf meine bisherigen Serien des Jahres:

2019 Mr. Robot (Staffel 4)
2018 Killing Eve (Staffel 1)
2017 Halt And Catch Fire (Staffel 4)
2016 Stranger Things (Staffel 1)
2015 Mr. Robot (Staffel 1)
2014 Game of Thrones (Staffel 4)
2013 Breaking Bad (Staffel 5.5)

Wie schon bei den Filmen habe ich auch bei den Serien den Metascore und den IMDb-Score bewusst weggelassen. Sämtliche dieser Bewertungen sind nämlich subjektiv und ich habe mich schon selber einige Male dabei ertappt, dass ich mir eine Serie nicht anschaue, nur weil die populäre Bewertung nicht einen bestimmten Kritikerwert überschreitet. Per Klick auf den Serientitel werdet ihr jedoch zur jeweiligen IMDb-Seite weitergeleitet. Bevor ich euch noch weiter mit meinem Regelwerk langweile, hier nun endlich die Liste meiner Top10 des Jahres 2020:


10 – The Outsider (Season 1 | HBO)

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10 Folgen (9h 40min)
Wo kann man es in Österreich sehen?
sky Mediathek, Amazon (kostenpflichtig)
Cast:
Ben Mendelsohn, Cynthia Erivo, Bill Camp, Jason Bateman, Paddy Considine

Einschätzung: Der nächste Satz ist kein Spoiler sondern die Handlung der ersten Minuten der ersten Folge: ein unscheinbarer Familienvater ermordet ein Kind bestialisch, obwohl er zum Zeitpunkt des Mordes in einer anderen Stadt war und dabei auch gefilmt wurde. Diese erste Folge der Stephen-King-Adaption ist vermutlich das spannendste und mysteriöseste, was das Serienjahr 2020 zu bieten hat. Nur leider kann die Serie dieses Niveau im weiteren Verlauf nicht annähernd halten. Gerade im Mittelfeld der Serie gibt es immer wieder Längen und auch die Story wird zunehmend wirrer und selbst für Mystery- bzw. King-Fans schwer nachzuvollziehen.

Wie auch immer, Ben Mendelsohn (Emmy-Sieger für Bloodline) brilliert als verbitterter Polizist, der mit einer Tragödie im Privatbereich nicht fertig wird. Cynthia Erivo (zweifach oscarnominiert für Harriet) ist jedoch der wahre Star der Serie. Sie spielt ein Medium, das aufgrund ihrer Tätigkeit rund um die mysteriösen Mordfälle immer mehr in das Visier des Bösen gerät. Ohne zu spoilern, aber wie so oft in King-Verfilmungen überlebt nur ein Bruchteil der DarstellerInnen das Staffelende. Deswegen nur Staffelende, weil Ende Oktober von Stephen King persönlich eine 2. Staffel bestätigt wurde.

09 – BoJack Horseman (Season 6.5 | Netflix)

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8 Folgen (3h 28min)
Wo kann man es in Österreich sehen? Netflix
Cast (Stimmen): Will Arnett, Amy Sedaris, Alison Brie, Paul F. Tomkins, Aaron Paul

Einschätzung: Im Laufe der letzten 20 Jahre habe ich nur zwei Animationsserien geschaut: „The Simpsons“ und „BoJack Horseman“. BJH ist alles andere als eine Animationsserie für Kinder (was eigentlich auf die meisten Serien dieser Art zutrifft) und streng genommen aufgrund der Inhalte sogar eine reine Erwachsenenserie. Alkoholismus, Drogenmissbrauch, Selbstmord und Depression sind nur einige der Themen, welche die Serie aus der Feder von Raphael Bob-Waksberg im Laufe seiner sechs Staffeln behandelt hat.

Im 2. Teil der letzten Staffel, die Ende Jänner 2020 von Netflix released wurde, finden wir heraus, ob es für BoJack ein Happy End gibt oder ob er einmal mehr seinen Lastern erliegt. Das Ende ist herrlich sentimental und bildet den perfekten Abschluss einer Serie, die immer wieder mit extraordinären Highlights zu glänzen vermochte. An dieser Stelle will ich explizit nochmal „Free Churro“ aus Season 5 und „Fish Out Of Water“ aus Season 3 herausheben, die mir am Ende der Folge jeweils ein beeindrucktes „Wow“ entlockt haben.

08 – The Last Dance (Dokuserie | Netflix + ESPN)

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10 Folgen (8h 11min)
Wo kann man es in Österreich sehen? Netflix
Cast: Michael Jordan, Phil Jackson, Scottie Pippen, Dennis Rodman, Steve Kerr

Einschätzung: Die 1990er Chicago Bulls sind vermutlich das bekannteste und glorreichste Basketballteam aller Zeiten. Zu dieser Zeit habe mich sogar ich noch für die NBA interessiert. ESPN und Netflix haben heuer eine Dokumentation in Form einer Miniserie herausgebracht, welche den Championship-Run der Bulls zu sechs Meisterschaften zwischen 1991 und 1998 en detail beleuchtet.

Der Fokus liegt dabei klar auf Michael Jordan und porträtiert seinen Werdegang von frühester Jugend bis zum sechsten und letzten Titelgewinn. „MJ“ musste nach der Erstausstrahlung allerdings viel Kritik einstecken. Die Story wurde nämlich teilweise sehr subjektiv erzählt und es durfte auch keine Kritik an seinem Sonnenkönig-Dasein geäußert werden.

Manche seiner härtesten Konkurrenten (und auch Teamkollegen) am Court kommen manchmal ziemlich schlecht weg. Hier scheint es, dass die Autoren bewusst nach Bösewichten gesucht haben, wie es sich für eine spannende Serie nun einmal gehört. Wie auch immer – obwohl man eigentlich weiß, wie alles endet, ist „The Last Dance“ dennoch eine der interessantesten und spannendsten Sportdokumentationen aller Zeiten.

07 – Ozark (Season 3 | Netflix)

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10 Folgen (10h 1min)
Wo kann man es in Österreich sehen? Netflix
Cast: Jason Bateman, Laura Linney, Julia Garner, Janet McTeer, Tom Pelphrey

Einschätzung: In der 3. (und gleichzeitig vorletzten) Staffel sind die Einsätze für die Familie Byrde nun schon ziemlich hoch. Janet McTeer (oscarnominiert für „Alfred Nobbs“ und „Tumbleweeds“) wird als dominante Rechtsanwältin zum fixen Bestandteil der All-Star-Cast rund um Jason Bateman (Emmy für seine Regie in Season 2) und Laura Linney (4-fach oscarnominiert). Julia Garner (heuer auch als Titelcharakter in „The Assistant“ zu sehen) gewann für ihre Rolle als toughe Handlangerin von Marty Byrde (Jason Bateman) bei den heurigen Emmys übrigens ihre 2. Statuette in Folge.

Ozark ist eine dieser Serien, die von Staffel zu Staffel besser und nicht schlechter werden. Die Serie hat es aufgrund der Storyline rund um Kartelle/Drogen trotz aller Vergleiche mit „Breaking Bad“ oder „Narcos“ geschafft, ihren eigenen Weg zu gehen. Die Charaktere sind balanciert und durchleben allesamt ein glaubhafte persönliche Entwicklung. Die Serie an sich wartet immer wieder mit (teilweise auch brutalen) Überraschungsmomenten auf, wie auch ganz am Ende der aktuellen Staffel.

06 – Ted Lasso (Season 1 | Apple TV+)

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10 Folgen (5h)
Wo kann man es in Österreich sehen? Apple TV+ (Tipp: kostenloses Probevideo abschließen)
Cast: Jason Sudeikis, Hannah Waddingham, Jeremy Swift, Phil Dunster, Brett Goldstein

Einschätzung: Alles begann im Jahr 2013, als NBC in den USA die TV-Rechte für die Premier League kaufte und Jason Sudeikis für einen Werbespot engagierte. Die Kunstfigur Ted Lasso, ein amerikanischer Footballcoach, übernimmt dabei die Tottenham Hotspur, obwohl er aber keine Ahnung von Fußball hat. Für die Folgesaison 2014 wurde ein weiterer TV-Spot gedreht, welcher quasi nahtlos an die Story des ersten Werbespots anknüpft.

Sechs Jahre später hat es Ted Lasso via Apple TV+ zum Serienstar geschafft. Was viele für einen Flop mit Ansage gehalten hatten, wurde nach dem unerwarteten Erfolg der 1. Staffel bereits für eine 2. und 3. Staffel verlängert. Der Humor und die Gags orientieren sich stark an den Szenen, welche man bereits aus den 15 Minuten der TV-Spots kennt.

Allerdings haben es die Showrunner (darunter „Scrubs“-Erfinder Bill Lawrence) geschafft, den Protagonisten so warmherzig und gewinnbringend darzustellen, dass seine Aura die Längen und unlustigen Passagen größtenteils überdecken kann. Man muss übrigens nichts mit Fußball am Hut haben, um „Ted Lasso“ amüsant zu finden – der Titelcharakter hat schließlich auch nichts mit Fußball am Hut.

05 – Normal People (Miniserie | BBC)

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12 Folgen (5h 39min)
Wo kann man es in Österreich sehen? STARZPLAY auf Amazon Video (0,97€/Monat), iTunes oder BBC iPlayer mit VPN
Cast: Daisy Edgar-Jones, Paul Mescal, Desmond Eastwood, Aislin McGuckin, Sarah Greene

Einschätzung: „Normal People“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans der irischen Schriftstellerin Sally Rooney aus dem Jahr 2018, der weltweit millionenfach verkauft wurde. Auch ich war damals unter den Käufern. Obwohl sich dieses Buch meiner Meinung nach nicht wirklich für eine Serien-Verfilmung geeignet hat, hat der ebenfalls aus Irland stammende Regisseur Lenny Abrahamson die Geschichte doch ziemlich gelungen in eine BBC-Miniserie adaptiert.

Die Story an sich ist schnell erklärt und kann als moderne Romeo & Julia Beziehung klassifiziert werden. Die Teenager Marianne und Connell stammen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten und sind eigentlich in punkto Charakter und Interessen ziemlich verschieden. Trotzdem werden die beiden aber immer wieder wie magisch voneinander angezogen. Die Serie lebt vor allem vom Schauspiel und den Emotionen den beiden relativ unbekannten Hauptdarstellern Daisy Edgar-Jones und Paul Mescal. Alle anderen Protagonisten werden dafür im Grunde zu Nebendarstellern degradiert.

Ähnliches hat Regisseur und Executive Producer Abrahamson schon bei seinem Drama „Room“ (2015) geschafft. Denn auch diese Geschichte lebt von der innigen Beziehung zwischen einer entführten Mutter (Brie Larson – Oscar als Beste Hauptdarstellerin) und ihrem Sohn (Jacob Tremblay), während die gesamte restliche Welt ausgeblendet wird.

04 – Devs (Miniserie | FX)

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8 Folgen (6h 49min)
Wo kann man es in Österreich sehen? FOX auf sky oder auf Abruf in der sky Mediathek
Cast: Sonoya Mizuno, Nick Offerman, Jin Ha, Cailee Spaeny, Alison Pill

Einschätzung: Alex Garland ist einer der bedeutendsten Sci-Fi-Autoren des 21. Jahrhunderts. Für das Drehbuch von „Ex Machina“ wurde er für den Oscar nominiert. Abgesehen davon ist er Autor von „The Beach“ – bei seinem Erstlingswerk war er nur 26 Jahre alt. Bei „Devs“ hat Garland nicht nur das Drehbuch geschrieben, sondern ist auch Regisseur und Frontrunner. Die Serie thematisiert unter anderem die Multiversum-Theorie, Quantencomputer und Künstliche Intelligenz. Man sollte also zumindest ein kleines Faible für Science (Fiction) aufbringen, um dem Handlungsstrang der Serie einigermaßen folgen zu können. Man muss aber natürlich keinen PhD in Quantenmechanik besitzen.

Nick Offerman („Parks & Recreation“) mimt den CEO des fiktiven Silicon Valley Giganten amaya.  Dessen streng geheimes Devs-Projekt (Anm. Devs ist die Abkürzung für Developer) arbeitet an einer bahnbrechenden Entwicklung, welche die Geschichte verändern kann. Die restliche Cast der Serie ist ziemlich unbekannt, wobei Hauptdarstellerin Sonoya Mizuno schon Nebenrollen in Garlands Werken „Ex Machina“ und „Annihilation“ bekleidete.

„Devs“ wartet immer wieder mit unerwarteten Wendungen und Schockmomenten auf, wie man das allgemein von Garland-Verfilmungen kennt. Mit einer Laufzeit von knapp unter 7 Stunden handelt es sich dabei um eine Miniserie, die man zwar nicht zwischendurch schauen sollte, aufgrund der spannenden Cliffhanger am Ende der jeweiligen Folgen wohl allerdings in maximal zwei Tagen durchschauen wird.

03 – I May Destroy You (Miniserie | BBC + HBO)

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12 Folgen (6h)
Wo kann man es in Österreich sehen? sky Mediathek, Amazon Video (kostenpflichtig), iTunes, BBC iPlayer mit VPN
Cast: Michaela Coel, Weruche Opia, Paapa Essiedu, Stephen Wright

Einschätzung: Bei „I May Destroy You“ handelt es sich um relativ harte Fernsehkost. Das von BBC und HBO coproduzierte Drama dreht sich um die Autorin Arabella, der es eigentlich ziemlich gut geht – sie hat gerade einen Buchdeal erhalten, lebt im hippen Soho und ist privat wie auch beruflich eine Influencerin. Es ändert sich jedoch alles schlagartig, weil sie versuchen muss, ihr Leben nach einer Vergewaltigung unter Einfluss von K.O.-Tropfen wieder in Griff zu bekommen.

Michaela Coel erweist sich als wahres Multitalent. Sie spielt nicht nur die Hauptrolle der Arabella, sondern hat auch das Drehbuch geschrieben und Regie geführt. Daher hat sie auch die volle Kontrolle über das Narrativ und kann die Story genau so erzählen, wie sie das will. Sie stellt laufend Fragen, welche man als Zuschauer eigentlich gar nicht beantworten will, weil alleine das Nachdenken darüber höchst unangenehm ist.

Obwohl „I May Destroy You“ mental einigermaßen belastend ist, wenn man sich auf die Story einlässt, fesselt die Serie den Zuschauer trotzdem vor den Fernseher, weil man stets wissen will, was als nächstes passiert. Die Serie kann als wichtiges Filmdokument in Zeiten der #MeToo-Bewegung angesehen werden. Von einigen Kritikern wurde die Serie sogar als „tiefgründigste jemals produzierte Serie“ bezeichnet.

02 – The Queen’s Gambit (Miniserie | Netflix)

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7 Folgen (6h 33min)
Wo kann man es in Österreich sehen? Netflix
Cast: Anya Taylor-Joy, Chloe Pirrie, Bill Camp, Marcin Dorocinski, Thomas Brodie-Sangster, Harry Meling

Einschätzung: „The Queen’s Gambit“ ist eine Serie, welche sich rund um das allgemein als langweilig verschriene Spiel der Könige dreht. Allerdings liegt der Fokus nicht wirklich auf dem Schachsport, sondern viel mehr auf der Charakterentwicklung der Hauptdarstellerin vom kleinen Waisenmädchen bis zu einer der besten Schachspielerinnen der Welt.

Anya Taylor-Joy („The New Mutants“) brilliert als junge Frau in den späten 1950ern bzw. frühen 1960ern, welche neben ihren (zu 99% männlichen) Gegnern am Schachbrett auch noch gegen ihre persönlichen Dämonen (in Form von Suchtverhalten jeglicher Art) ankämpfen muss. Beth Harmon (so ihr Name in der Serie) geht allerdings konsequent ihren Weg und wird von ihren Gegnern nicht bloß als „Frau“, sondern als „Konkurrent“ wahrgenommen.

TQG überzeugt nicht nur durch die schauspielerische Leistung der Protagonistin, sondern auch durch eloquente Dialoge und die coole Optik der 50er und 60er Jahre. Die Showrunner zeigten sich vom weltweiten Erfolg der Serie ziemlich überrascht, welche es mittlerweile zur erfolgreichsten Netflix-Miniserie aller Zeiten geschafft hat. „The Queen’s Gambit“ war initial als Miniserie konzipiert, ich bin aufgrund des Riesenerfolgs der Serie allerdings gespannt, ob man nun nicht doch über eine Fortsetzung nachdenkt, wenngleich ich eine sinnvolle Umsetzung für ziemlich schwierig erachten würde.

01 – Better Call Saul (Season 5 | Netflix)

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10 Folgen (7h 37min)
Wo kann man es in Österreich sehen? Netflix
Cast: Bob Odenkirk, Rhea Seehorn, Jonathan Banks, Michael Mando, Tony Dalton, Giancarlo Esposito

Einschätzung: Bis zum Schluss war ich mir darüber unsicher, ob TQG oder „Better Call Saul“ heuer auf dem 1. Platz meiner Liste landen wird. Ich habe mich im Endeffekt für BCS entschieden. „Breaking Bad“ ist (für mich) nämlich die beste Serie aller Zeiten und BCS das vermutlich beste Spin-Off aller Zeiten. Spätestens seit der 5. (und damit vorletzten) Staffel muss BCS überhaupt keinen Vergleich mehr vor dem epischen Vorgänger scheuen.

Wer die beiden ersten – teilweise etwas langatmigen und stellenweise langweiligen – Staffeln durchgehalten hat, wird spätestens seit der 3. Staffel mit einem nahezu perfekten Seriendrama belohnt. BCS überzeugt vor allem durch Spannung und Gewitztheit, was primär auf den Charakter von Jimmy McGill (a.k.a. Saul Goodman) zurückzuführen ist.

Warum Bob Odenkirk noch immer keine Emmy, keinen SAG-Award und keinen Golden Globe für seine Paraderolle als schlitzohriger Rechtsanwalt gewonnen hat, ist für mich unbegreiflich. Noch unerklärlicher ist jedoch, warum Rhea Seehorn für ihre Rolle als Kim Wexler bisher noch nicht einmal für einen dieser Preise nominiert wurde.

Auch die Choreographie und das Timing von Vince Gilligan – besonders in den Folgen „Bagman“ und „Bad Choice Road“ – ist absolut perfekt und sorgt immer wieder für Gänsehaut. Denn obwohl man weiß, dass einige altbekannte Charaktere nicht sterben können (weil sie sonst nicht in BB vorkommen könnten), hat auch BCS mittlerweile viele Originalcharaktere herausgebracht, die in BB nicht vorkommen und man daher auch jederzeit um ihr Leben fürchten muss.

Was habe ich sonst (nicht) geschaut?

Insgesamt habe ich heuer deutlich weniger als in vielen anderen Jahren geschaut.

The Undoing mit Nicole Kidman und Hugh Grant hatte viel Potential, war aber alles in allem ziemlich langweilig und vorhersehbar. Tiger King war kurzweilig und trashig und ich bin auch schon auf die Verfilmung mit Nicholas Cage in der Rolle des Joe Exotic gespannt. Bei Billions bin ich noch immer mitten in der 5. Staffel, weil sich viele thematische Elemente wiederholen und die Serie für mich auch etwas an Reiz verloren hat.

Von Hunters hatte ich mir wegen Jordan Peele als Executive Producer und einer Cast mit Al Pacino, Josh Radnor uvm. mehr erwartet, ich habe diese Serie allerdings mittendrin abgebrochen, weil sie mich nicht motiviert hat, die nächste Folge anzuschauen. Ebenso habe ich Perry Mason mit Matthew Rhys in der Rolle des Titelcharakters nach einer Folge abgebrochen.

Ich habe die 4. Staffel von Fargo noch nicht gesehen, weil diese derzeit nur auf Joyn verfügbar ist und abgesehen davon massiv schlechtere Kritiken als die drei Staffeln zuvor erhalten hat. Ebenso wenig habe ich bisher Lovecraft County (Kooperation von JJ Abrams und Jordan Peele) und Little Fires Everywhere (mit Reese Witherspoon und Keri Washington) geschaut.

Bei der 8. und letzten Staffel von Homeland warte ich, bis diese auch (kostenlos) auf Netflix oder Amazon Video verfügbar ist. Und das Projekt The Mandalorian (Staffel 1+2) werde ich eventuell noch im Weihnachtsurlaub angehen.

Auch in einem Jahr, in dem alles anders ist (geworden ist), küre ich knapp vor Jahreswechsel zum insgesamt achten Mail meine zehn Lieblingsfilme des abgelaufenen Filmjahres. Zunächst als Einleitung meine Lieblingsfilme der Jahre 2013 bis 2019:

2019 Once Upon A Time In Hollywood
2018 Bohemian Rhapsody
2017 Manchester By The Sea
2016 Arrival
2015 Inside Out
2014 Whiplash
2013 Drive

Drei Filme meiner 2020er-Liste habe ich heuer sogar in einem Kino (remember the place?) gesehen – zwei davon im Jänner und einen im Sommer, als zumindest für wenige Wochen alles halbwegs normal erschien. Alle anderen Filme sind auf diversen Streamingplattformen wie Netflix, Amazon Video oder mit etwas Trickserei bei dem bei uns nicht erhältlichen Hulu abrufbar.

Kinos sind der große Pandemie-Verlierer

Meinen Ausblick für das Kinojahr 2020 aus dem Vorjahr analysiere ich diesmal nicht. 80% der damals erwähnten Filme (wie „No Time To Die“, „Dune“ oder „Black Widow“) sind gar nicht ins Kino gekommen und die anderen 20% haben maßlos enttäuscht – als Beispiele seien an dieser Stelle „Dolittle“, „Mulan“ oder „The Eternals“ genannt.

Generell haben Kinos, Kinobetreiber und Kinoverleiher heuer das mit Abstand schlimmste Jahr ihrer Geschichte durchleben müssen. Nur 10 Filme haben weltweit mehr als 100 Millionen USD eingespielt. Zum Vergleich – im Vorjahr waren dies 70 Filme, wobei Platz 16 („It: Chapter Two“) mehr eingespielt hat als der erfolgreichste Film des heurigen Jahres („The 800“ ist ein chinesisches Kriegsepos und hat fast 100% seiner Einnahmen in China eingespielt). Hier die Liste der zehn kommerziell erfolgreichsten Filme des Jahres via Boxofficemojo, wobei es nur einer daraus in meine Liste geschafft hat.

Boxoffice 2020

Kinos könnten durch HBO Max noch mehr verlieren

2021 könnte die Zukunft des Kinos einmal mehr massiv verändern. Mit HBO Max hat Warner einen Dienst an den Start gebracht, bei dem man Blockbuster bereits zeitgleich mit Kinostart daheim streamen kann – „Wonder Woman 1984“ (anscheinend eine weitere massive Enttäuschung) bildet dabei den Anfang – es werden andere Toptitel wie „Matrix 4“, „Dune“ oder „Godzilla vs. Kong“ folgen. Christopher Nolan – eines der größten Zugpferde im Stall von Warner und seines Zeichens Kinopurist – ist entschiedener Gegner dieser Maßnahme und befürchtet einen weiteren Dominostein beim Kinosterben, welches heuer durch COVID-19 in Kraft gesetzt wurde.

HBO Max soll 2021 auch nach Europa und u.a. nach Österreich kommen. Doch hierzulande wird dies vermutlich nur eine weitere Fragmentierung der Streaminglandschaft zur Folge haben, denn in Deutschland und Österreich hat Warner einen langfristigen Deal mit sky und kann das US-amerikanische Konzept daher zunächst nicht 1:1 kopieren.

Die Top 10 des Jahres 2020

Doch genug über zukünftige Dinge gefachsimpelt. Wie immer eine kurze Erklärung zu meinem persönlichen Modus: ich inkludiere wie immer alle Filme, welche ich zwischen 1.1.2020 und (im Fall von heuer) 28.12.2020 gesehen habe, egal ob diese schon Ende 2019 in den amerikanischen Kinos oder irgendwo anders als limited release angelaufen sind. Die Bewertungen von IMDb und Metascore lasse ich heuer in meinen Reviews allerdings bewusst weg, weil sich jeder selber eine Meinung von diesen Filmen bilden soll. Allerdings habe ich jeden Filmtitel mit der jeweiligen IMDb-Seite verlinkt, die Zahlenfakten sind also maximal einen Klick entfernt. Knapp nicht auf die Liste geschafft haben es übrigens u.a. „Mank“, „The Invisible Man“ und „The Assistant“.

10 – i’m thinking of ending things (Netflix)

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Regie: Charlie Kaufman
Cast: Jesse Plemons, Jessie Buckley, Toni Collette, David Thewlis

Einschätzung: Das psychologische Horror-Drama „i’m thinking of ending things“ (so die exakte Originalschreibweise) ist vermutlich der seltsamste Film, den ich heuer gesehen habe. Wenn man dann weiß, dass Charlie Kaufman sowohl das Drehbuch geschrieben hat als auch Regie geführt hat, relativiert sich dies allerdings. Der Oscarpreisträger für das Drehbuch von „Eternal Sunshine Of The Spotless Mind“ reiht in seinem neuesten Wert unerklärliche Ereignisse aneinander, ohne diese je wirklich zu erklären. Man weiß bis zum Schluss nicht, was nun wahr ist, was ein Traum ist und was jetzt wirklich passiert ist und was nicht.

Wenn Marvel-Filme für das Popcorn-Kino für Zwischendurch sind, dann ist dieser Film am anderen Ende der Skala angesiedelt. Ich habe mehrmals kurz zurückgespielt um mir bestimmte Szenen nochmals anzusehen. Pluspunkte bei „i’m thinking of ending things“ waren das kleine aber feine Schauspielerensemble (wobei Toni Collette in einer Nebenrolle einmal mehr ihren Status als „Queen of Horror“ untermauert) und die düstere Grundstimmung, welche von der ersten bis zur letzten Szene ein Unwohlsein in der Magengrube erzeugt.

09 – Tenet (VOD, Blu-ray)

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Regie: Christopher Nolan
Cast: John David Washington, Robert Pattinson, Elizabeth Debicki, Kenneth Branagh

Einschätzung: Christopher Nolan ist mein Lieblingsregisseur und ich habe mit Ausnahme von „Insomnia“ jeden seiner Filme mehrmals gesehen. Daher war „Tenet“ für mich im Vorhinein DER Film des heurigen Kinojahres. Im Gegensatz zu (fast) allen anderen Blockbustern hat es „Tenet“ sogar wirklich ins Kino geschafft. Mit einem weltweiten Einspielergebnis von 362 Millionen USD ist der Film jedoch – trotz COVID-19 – weit hinter den Erwartungen geblieben und konnte das Kino somit auch nicht retten. Leider sowohl finanziell wie auch cineastisch. Bitte nicht falsch verstehen, der Score von Oscarpreisträger Ludwig Göransson („Black Panther“) passt perfekt und die Actionszenen setzen neue Maßstäbe, auch weil Nolan auf CGI-Effekte verzichtet hat und daher alles – auch die Szene mit der Boeing 747 – wirklich gedreht wurde.

Allerdings hat Nolan bei „Tenet“ den Bogen für meinen Geschmack ziemlich überspannt. Konnte man der Handlung bei „Memento“, „Inception“ oder „Dunkirk“ noch folgen, so ist dies bei seinem ersten Agententhriller teilweise nahezu unmöglich. Vor allem bei der Endszene hatte von unserer Kinorunde jeder aufgegeben, nachvollziehen zu versuchen, was da gerade auf der Leinwand passiert. Und daher bleibt „Tenet“ für mich zwar als Film für’s Kino im Gedächtnis, nicht aber als Kinoklassiker, wie viele andere Werke des britischen Regisseurs.

08 – Another Round (Amazon Video – Leihe)

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Regie: Thomas Vinterberg
Cast: Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen, Magnus Millang, Lars Ranthe

Einschätzung: Man könnte sagen, „Another Round“ ist Arthouse-Kino mit einer roten Schleife. Der Film heißt im dänischen Original „Druk“ (was übersetzt Komasaufen bedeutet) und ist eine Tragikomödie mit einem Mads Mikkelsen (bekannt als Bösewicht in „Casino Royale“) in Höchstform. Hier aufgrund der relativen Unbekanntheit vielleicht doch einige Worte zur Handlung: Gymnasium-Professor Martin und einige seiner Freunde sind in ihren Lehrerjobs nur mehr unmotiviert und beschließen daher, ein Experiment zu starten – und zwar das Leben ab sofort nur mehr mit einem Blutalkoholspiegel von mindestens 0.5 Promille zu durchleben. Was zunächst ein voller Erfolg ist, führt – wenig unerwartet – zu immer größeren Problemen und Konflikten.

„Another Round“ entwickelte sich im COVID-19-geprägten Kinojahr 2020 zum mit Abstand erfolgreichsten Kinofilm in Dänemark und räumte bei den Europäischen Filmpreisen vier Top-Auszeichnungen ab – und zwar jene für bester Film, beste Regie, bester Hauptdarsteller und bestes Drehbuch. Der Film, welchen ich als Midlife-Crisis im Rauschzustand bezeichnen würde, wird in Österreich aller Voraussicht nach Ende Jänner 2021 mit dem deutschsprachigen Titel „Der Rausch“ ins Kino kommen – soweit dies möglich sein wird.

07 – Never Rarely Sometimes Always (Hulu – VPN)

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Regie: Eliza Hittman
Cast: Sidney Flanigan, Talia Ryder, Ryan Eggold, Sharon Van Etten

Einschätzung: „Never Rarely Sometimes Always“ (im deutschsprachigen Kino 1:1 mit „Niemals Selten Manchmal Immer“ übersetzt) ist für mich heuer einer der einfühlsamsten Indie-Filme des Jahres. Regisseurin Eliza Hittman, die sich auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnete, verzichtet in ebendiesem auf unnötige Längen oder Details und fokussiert den Handlungsstrang stattdessen auf der Beziehung von Autumn und ihrer Cousine Skylar. Während rund um die beiden Protagonistinnen des Films vieles kalt und oberflächlich abläuft, so spürt man stets die Wärme in der Beziehung zwischen den beiden Mädchen.

Anders als beim thematisch grundverwandten „Juno“ ist „Never Rarely Sometimes Always“ keine Tragikomödie sondern ein (Pers. Anm.: sag ich jetzt aus meiner männlichen Perspektive) vermutlich realistisches Abbild von jungen Frauen, die ungewollt schwanger werden und ab diesem Zeitpunkt gravierende Entscheidungen treffen müssen. Die grundehrlichen Dialoge sind oft emotional und man fühlt sich als Zuschauer manchmal ziemlich ohnmächtig. Denn obwohl die beiden Mädchen keine Opfer sind oder sein wollen, so hat man trotzdem das Gefühl, dass sie Gefangene in den Rollen sind, welche ihnen die männlich dominierte Gesellschaft auferlegt hat.

06 – The Trial Of The Chicago 7 (Netflix)

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Regie: Aaron Sorkin
Cast: Eddie Redmayne, Sacha Baron Cohen, Joseph Gordon-Levitt, Michael Keaton, Mark Rylance, Jeremy Strong

Einschätzung: „The Trial Of The Chicago 7“ hat ein fail proof Konzept. Man nehme ein Drehbuch von Aaron Sorkin („A Few Good Men“, „The West Wing“, „The Newsroom“), eine wahre Begebenheit, einen Gerichtssaal und ein großartiges Ensemble aus Oscarpreisträgern (Eddie Redmayne, Mark Rylance) und Golden Globe bzw. Emmy Preisträgern (Sacha Baron Cohen, Jeremy Strong, Yahya Abdul-Mateen II, Michael Keaton, Joseph Gordon-Levitt) – und fertig ist das Gerichtsdrama.

Besonders spannend an „The Trial Of The Chicago 7“ fand ich die Tatsache, dass ich die Gerichtsverhandlung und vor allem den Richter teilweise für überzeichnet gehalten hatte. Nachdem ich mich nachher über den echten Prozess aus dem Jahre 1969  informiert hatte, kam ich zum Entschluss, dass es in der Realität teilweise sogar noch unfassbarer abgelaufen ist. Richter Julius Hoffman (gespielt von Frank Langella) ist für mich sogar einer der fiesesten Bösewichte des Filmjahres 2020. Der Erzählstrang des Filmes verläuft klassisch nach dem Sorkin-Prinzip, auch Pathos ist wie gewohnt en masse vorhanden – sorgte Sorkin mit „You Can’t Handle The Truth“ in „Eine Frage der Ehre“ doch immerhin für einen der meistzitierten Filmsprüche aller Zeiten.

05 – Soul (Disney+)

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Regie: Pete Docter
Stimmen (OV): Jamie Foxx, Tina Fey, Graham Norton, Questlove, Angela Bassett

Einschätzung: Pixar hat es wieder einmal geschafft. Auch wenn „Soul“ vielleicht nicht in der gleichen Liga wie „Inside Out“ spielt, so ist das neueste Animationsspektakel einmal mehr ein kurzweiliger und auch lehrreicher Film für Erwachsene. Für Kinder ist „Soul“ nur bedingt geeignet, da diese nicht nur viele Gags und Grundprinzipien nicht verstehen werden, sondern der Handlung auch erst dann folgen können, wenn sie menschlicher Charakterzüge abstrahieren können. Doch genug der hochgestochenen Interpretation des Filmmotivs.

Ich will die ultimative Message des Films an dieser Stelle nicht verraten, weil man ihn erst seit 25. Dezember auf Disney+ streamen kann. Aber ich kann so viel verraten – er wird gegen Ende hin einmal mehr für feuchte Augen sorgen, weil Pixar einfach perfekt versteht, wie man auf die Tränendrüse drücken muss. Die Stimmen der Charaktere sind im Original übrigens bis in die kleinste Nebenrolle einmal mehr perfekt gewählt, wobei mich als großer „IT Crowd“-Fan die Cameo von Richard Ayoade besonders gefreut hat. 2021 sollte Pixar mit „Soul“ einmal mehr den Oscar für den besten Animationsfilm heimbringen.

04 – Palm Springs (Hulu – VPN)

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Regie: Max Barbakow
Cast: Andy Samberg, Cristin Milioti, JK Simmons, Peter Gallagher

Einschätzung: Es gibt auf meiner Liste eigentlich jedes Jahr einen Indie-Überraschungserfolg. So ist dies auch heuer der Fall. „Palm Springs“ mit Andy Samberg (bekannt aus SNL und „Brooklyn Nine-Nine“) und Cristin Milioti (die „Mother“ aus „How I Met Your Mother“) ist eine warmherzige Zeitreisekomödie, welche viele Elemente von „Groundhog Day“ („Und täglich grüßt das Murmeltier“) nicht nur kopiert, sondern diese auch in Dialogen im Film thematisiert. Die Chemie zwischen Samberg und Milioti (welche sich ernsthafte Hoffnungen auf eine Golden Globe Nominierung machen darf) und der generell respektlose und teilweise derbe Humor tragen den kurzweiligen Film mühelos zum Happy End. Auch J.K. Simmons (Oscarpreisträger für „Whiplash“) glänzt in einer skurrilen Nebenrolle als ungewollt Mitgefangener in der Zeitschleife.

Für mich ist „Palm Springs“ wirklich einer der lustigsten und originellsten Filme der letzten Jahre – auch wenn das Grundkonzept alles andere als neu ist, sondern lediglich neu interpretiert wird. Ohne jetzt überdramatisch zu klingen, aber 2 Stunden mit Filmen wie diesem haben mich heuer zumindest für kurze Zeit vergessen lassen, was uns 2020 eigentlich alles genommen hat.

03 – 1917 (sky, VOD, Blu-ray)

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Regie: Sam Mendes
Cast: Dean-Charles Chapman, George MacKay

Einschätzung: Dank der perfekten Kameraarbeit von Roger Deakins, der nach Blade Runner 2049 seinen zweiten Oscar en suite gewann (nachdem er zuvor 13x leer ausging) ist „1917“ einer dieser Filme, die man einfach auf der Kinoleinwand gesehen haben muss. Nicht nur die Kameraführung und Schnitt (welcher wirkt, als ob es keinen gäbe), sondern auch die perfekte Verschmelzung von audiovisuellen Eindrücken (jeweils Oscars für die Visuellen Effekte und den Ton) machen das WW1-Drama zu einem kurzweiligen Trip durch die Hölle der nordfranzösischen Küste.

Die Story wurde von Weltkriegs-Eindrücken des Großvaters von Regisseur Sam Mendes geprägt, ist allerdings keine echten Geschehnissen nachempfunden. Neben den relativ unbekannten Dean-Charles Chapman und George MacKay (welche ca. 90% der Screentime für sich alleine beanspruchen) werden die Offiziere im Film durchgängig von Granden des britischen Film (Benedict Cumberbatch, Richard Madden, Colin Firth, Andrew Scott und Mark Strong) gemimt. Das Weltkriegsdrama ging im Jänner 2020 als Topfavorit in das Oscar-Rennen, musste sich jedoch auf der Zielgerade dem südkoreanischen Gegner „Parasite“ beugen.

02 – Knives Out (Amazon Video, Blu-ray)

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Regie: Rian Johnson
Cast: Daniel Craig, Chris Evans, Ana de Armas, Michael Shannon, Don Johnson, Toni Collette

Einschätzung: „Knives Out“ hat dem aussterbenden Genres des Whodunit-Films („Wer hat’s getan?“) neuen Atem eingehaucht. Rian Johnson (u.a. verantwortlich für die „Ozymandias“-Folge von „Breaking Bad“) hat ein Starensemble um sich versammelt und eine spielerische-zeitgemäße Abhandlung eines klassischen Kriminalfalls im Stile von Agatha Christie auf die Kinoleinwand gebracht. Jeder einzelne schauspielerische Bestandteil der unsympathisch-verzogenen Millionärsfamilie liefert ab der ersten Minute und wirkt höchstverdächtig, den Patriarchen auf dem Gewissen zu haben.

Daniel Craig als untypischer Detektiv (so gar nicht in der Manier von Hercule Poirot) und Ana de Armas als Haushälterin werden 2021 auch im neuen 007-Streifen „No Time To Die“ gemeinsam zu sehen sein. In „Knives Out“ geben die beiden so etwas wie die Spielleiter des Cluedo-in-Filmform und sorgen dafür, dass man dem roten Faden der Storyline folgen kann. Der wahre Star des Films ist nämlich das Drehbuch von Johnson. Erst später im Film erkennt man nämlich, dass viele kleine Puzzlestücke perfekt zusammengesetzt werden und vieles nicht so ist, wie es zunächst schien. Abrundend passt die Orchestermusik von Nathan Johnson perfekt zur Handlung und der weiße Wollpullover von Chris Evans machte den ehemaligen „Captain America“ sogar zur Stilikone.

01 – Parasite (Amazon Video, Blu-ray)

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Regie: Bong Joon Ho
Cast: Song Kang-Ho, Lee Sun-kyun, Cho Yeo-jeong, Choi Woo-sik, Park So-dam, Lee Jeong-eun

Einschätzung: Zum ersten Mal seit vielen Jahren wurde der nach meinem Geschmack beste Film des Jahres auch mit dem Oscar für den „Besten Film“ auszeichnet. Die Handlung von „Parasite“ verläuft zunächst eigentlich ziemlich erwartbar. Doch ab dem völlig unerwarteten Wendepunkt dreht sich alles quasi um 180° und der restliche Film wird zur Tour de Force zwischen den verschiedenen Gruppen der Protagonisten. Der Strudel der Gewalt kulminiert am Ende auf einer Kindergeburtstagsfeier und ist brutal und gleichzeitig abstrus, rundet die schwarze Tragikomödie aber perfekt ab. „Parasite“ zeichnet ein Sittenbild von verschiedenen Bevölkerungsschichten des 21. Jahrhunderts, wie es nicht nur in Seoul, sondern überall auf der Welt sein könnte – und Parasiten gibt es in allen Klassen.

„Parasite“ wurde bei den heurigen Oscars als erster nicht-englischsprachiger Film mit dem höchsten Filmpreis der Welt ausgezeichnet. Man kann die Errungenschaft des südkoreanischen Regisseurs Bong Joon Jo („Snowpiercer“) gar nicht hoch genug einstufen, denn dies gelang nicht einmal Bergman, Fellini, Truffaut oder Cuarón. Durch die neuen Richtlinien der Academy hinsichtlich Diversität ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass man keine weiteren 92 Jahre warten muss, bis ein weiterer fremdsprachiger Film in dieser Kategorie reüssiert – „Parasite“ war (hoffentlich) erst der Anfang.

Wörter: 2017
Lesezeit: 9-11 Minuten
Letztes Update
: 16. Dezember 2020, 16:30

Die Bundesliga ist ein hartes Pflaster

31. Juli 2020. Nach drei qualvollen Jahren der Zweitklassigkeit wird mit einem 9-0 gegen den FAC der Wiederaufstieg in die Bundesliga fixiert. Nachdem man einen Vorsprung von 8 Punkten auf Austria Klagenfurt nach der Corona-Pause zunächst kläglich verspielte, wurde das große Ziel quasi in letzter Sekunde doch noch erreicht.

SV Ried Meister

Doch der (maximal) späte Zeitpunkt des Aufstiegs sorgte auch für erhebliche Probleme in der Vorbereitung auf die aktuelle Saison. Noch nie war die Sommerpause für einen Bundesligisten so kurz, noch nie war der Unterschied des sportlichen Levels der beiden höchsten Spielklassen so groß. Deswegen musste man als Realist mit einer schwierigen ersten Saison rechnen.

Ich hatte auf Basis dieser Fakten meine persönliche (!) Zielsetzung für die SV Ried bei 10 Punkten bis zur Winterpause bewusst zurückhaltend definiert. Diese hatte man nach 9 Spielen erreicht. Dennoch trennte man sich nach nunmehr 11 Spielen vom dritten Aufstiegstrainer der Rieder Bundesligageschichte. Nachfolgend ein Versuch der Aufarbeitung, warum dieser Schritt (auch aus meiner Sicht) trotzdem notwendig und überfällig war.

Kurzer Rückblick auf die Hinrunde des Grunddurchgangs

Niemand hatte von der SVR erwartet, mit einem neu zusammengewürfelten Team aufzugeigen und vorne mitzuspielen. Die Punkteausbeute von 10 Punkten aus elf Spielen ist trotzdem ähnlich wie bei Wacker (10) / Hartberg (12) bzw. Wattens (9) in den Vorjahren – obwohl diese Teams unter deutlich besseren Voraussetzungen in die Saison gehen konnten.

Allerdings kamen 7 dieser 10 Punkte höchstglücklich zustande. Das Abseitstor zum 3-2 von Valentin Grubeck gegen Wattens, nachdem die Tiroler beim Stand von 1-2 mehrmals die Riesenchance auf das 1-3 hatten. Das 2-0 gegen Hartberg, bei dem die Oststeirer insgesamt viermal am Aluminium anklopften und knapp 30x aufs Tor schossen. Last but not least das 1-1 gegen den WAC, bei dem die Lavanttaler an der eigenen Chancenauswertung und Naivität (beim Elferfoul an Grüll) scheiterten.

SV Ried Wattens

In drei Spielen war man sprichwörtlich chancenlos (beim 0-3 auf der Gugl, beim 0-4 in St. Pölten sowie beim 0-2 gegen Sturm), auch wenn die COVID-19-Fälle in der Mannschaft zweimal eine gewichtige Rolle spielten. Beim 1-3 in der Südstadt und dem 1-4 gegen Altach versagten sowohl Nerven als auch Matchplan gegen unmittelbare Abstiegskandidaten.

Beim 1-2 gegen die Austria hätte man sich – rückwirkend gesehen – mehr zutrauen müssen, weil die Violetten nach aktuellem Stand der Dinge eher um den Abstieg als um die Qualifikation zur Meistergruppe mitspielen werden. Das 1-3 gegen RBS kann man noch als eine der besten Saisonleistungen bezeichnen, mit etwas Glück hätte Marco Grüll in der Nachspielzeit das 2-2 erzielt.

Suboptimale Kaderplanung dank Mini-Budget

Lediglich beim 4-3 gegen Rapid kann man von einem verdienten Sieg sprechen. Doch just in dieser Partie wurde die Mannschaft von Gerhard Schweitzer vorbereitet und betreut, weil Gerald Baumgartner wegen einer Lungenentzündung zwei Wochen ausfiel und das Bett hüten musste.

Gerhard Schweitzer, der österreichische „Rekord-Interimstrainer“ ersetzte nach Ende der Aufstiegssaison den ehemaligen Co-Trainer Andreas Heraf. Der Wiener war unter Baumgartner beispielsweise für die (mitentscheidenden) Standards verantwortlich und war dem Salzburger in der Außendarstellung vermutlich zu einflussreich geworden. Die Trennung sorgte auch medial für Aufsehen – aufgrund der Historie von Heraf musste man allerdings irgendwann auch damit rechnen.

Gerhard Schweitzer

Doch nicht nur die Veränderung im Bereich der Co-Trainer wirkte auf die aktuelle Saison ein. Als Aufsteiger mit kleinem Geldbörserl hatte man neben einem gewissen Zeitdruck auch keinen großen Spielraum und musste mehrheitlich mit aussortierten und/oder vereinslosen Spielern Vorlieb nehmen. Abgesehen davon ist die Bundesliga für viele (vorher zweitklassige) Spieler ein Lernprozess. Fehler werden schneller und härter bestraft. Und das volle Ausmaß dieser Tatsachen musste man heuer nahezu in jeder Partie miterleben.

Auf manchen (Defensiv-)Positionen ist man zudem nicht bundesligatauglich besetzt. Kerhe/Takougnadi hat in der 2. Liga gerade noch funktioniert, ist eine Liga darüber allerdings nicht mehr genug. Mit Daniliuc musste heuer der 2. Ersatztormann der 2. Liga plötzlich mehrfach ins Tor – und hat dort leider genau wie ein Zweitligaersatztormann agiert. Im defensiven Mittelfeld fehlt ein zweitkampfstarker und spielbestimmender Akteur. Doch auch ganz vorne enttäuschte „Wunschneuzugang“ Sulley bisher auf ganzer Linie (wenn er gerade nicht verletzt war). Nebenbei sorgte man mit der monatelangen (!) Trainingsteilnahme von Patrick Möschl auch für einen zusätzlichen Nebenschauplatz.

„Weil der Baumi nicht da war“

Wie das Standing von Gerald Baumgartner innerhalb des Teams war, kann ich nicht beurteilen und maße ich mir auch nicht an. In Ried haben Pädagogen (wie Roitinger, Hochhauser, Kraft oder Gludovatz) stets am besten funktioniert. Von Menschen die ihn kennen (und mit ihm gearbeitet haben) wird Baumgartner allerdings zumeist als „harter Hund“ bezeichnet. Dies ist grundsätzlich nicht schlecht, denn auch Paul Gludovatz wurde in Ried als „Schilfschneider“ bezeichnet. Doch man hatte von außen immer wieder das Gefühl, Baumgartner fehlt einfach das für den Job notwendige Fingerspitzengefühl.

Vielsagend war ein Interview von Constantin Reiner nach dem 4-3 gegen Rapid. „Wir haben extrem gut trainiert in den letzten zwei Wochen, weil der Baumi nicht da war„, so das Zitat des Salzburger Landsmanns. Auch wenn es sich dabei (vermutlich) um einen Versprecher handelte und sich Reiner auch umgehend entschuldigte, so war das Zitat doch weiteres Wasser auf die Mühlen so mancher Kritiker.

Sowohl in punkto Aggressivität als auch Offensive war die Leistung gegen Rapid die beste Saisonleistung. Hier hatte man das Gefühl, dass einzelne Angriffsvarianten einstudiert waren und dass man keine Angst vor dem Gegner hatte, der mit einem Sieg in Ried die Tabellenführung hätte übernehmen können. Ultimativ wird auch dieser Eindruck ein Mitentscheidungsgrund für den Vorstand hinsichtlich Trennung gewesen sein.

 

Seltsame Interviews sorgen für Kopfschütteln

Abseits der Mannschaft kann man die immer größer werdenden Probleme von Baumgartner schon besser quantifizieren. Ein Blick auf sein Verhältnis mit den Vorstandsmitgliedern, den Anhängern und den Medien zeichnet folgendes Bild: Neben persönlichen Eitelkeiten hat das völlig abstruse Interview mit der Krone unmittelbar nach dem Aufstieg einen fahlen Nachgeschmack beim Vorstand erzeugt. Schon damals wurde spekuliert, ob Baumgartner dieser Rundumschlag seinen Job kosten könnte.

Viele Aussagen (wie etwa die Interviews nach der Derby-Niederlage oder der Heimniederlage gegen Altach) haben für Unmut bei den Anhängern gesorgt. Es geht nicht darum, ob man gewinnt oder verliert, sondern wie man einen Sieg oder eine Niederlage präsentiert. Und hier war Baumgartner zumeist etwas tollpatschig unterwegs. Sich nach der Derbyniederlage hinzustellen – bei der man absolut und sprichwörtlich chancenlos war – und zu behaupten, das taktische Konzept wäre beinahe aufgegangen, ist ziemlich realitätsfremd. Auch wenn der LASK der SVR aktuell Lichtjahre voraus ist – keine Gelbe Karte und keine Torchance in einem Derby schmerzen trotzdem.

Baumgartner Altach

Auch gegen Altach – die bis zu dieser Runde auswärts punktelos waren und deren Selbstvertrauen am absoluten Tiefpunkt war – muss man einfach mit einer anderen Einstellung und einem anderen Konzept ins Spiel gehen und von Beginn an zeigen, dass man dieses Spiel unbedingt gewinnen will. Es war auch falsch, die (wirklich unfassbar dämliche) Gelb-Rote-Karte von Markus Lackner als Ausrede verwenden. Selbst mit zehn Mann hätte man aus diesem Spiel durchaus noch etwas mitnehmen können.

Der Zeitpunkt der Trennung ist nachvollziehbar

Ultimativ war Baumgartner nach diesem desaströsen 1-4 gegen Altach nicht mehr haltbar. Mit einem Sieg hätte man sich 8 Punkte vom Tabellenende distanzieren können, nun liegt der Vorsprung auf einen Nichtabstiegsplatz bei 3 mickrigen Punkten. Die Kritiker im Vorstand und unter den Fans bekamen dadurch endgültig Oberwasser. Nachdem immer wieder und wieder und wieder Kritik aufkam, war es daher richtig, noch in diesem Jahr und vor der Winterpause einen Schlussstrich zu ziehen und für Ruhe im Verein zu sorgen (.. wieder einmal).

Am kommenden Sonntag um 14:30 geht es im letzten Spiel des „Coronajahres“ 2020 auswärts gegen das Überraschungsteam der Saison aus Wattens, die zuletzt 3-0 in Hütteldorf gewinnen konnten. Nach dem sportlichen Abstieg der Vorsaison (nur durch die Machenschaften von Pucher rund um die Commerzialbank und Mattersburg waren die Tiroler in der Liga geblieben) ist die WSG heuer ein ernstzunehmender Kandidat für die Meisterrunde.

Mit einem so genannten Trainereffekt unter Langzeit-Feuerwehrmann Gerhard Schweitzer (ob es diesen nun gibt oder nicht, sei dahingestellt) hofft man nun vermutlich trotzdem, zumindest einen Punkt aus dem Tivoli mitzunehmen, um dann mit dem neuen Trainer im Frühjahr durchzustarten.

Wer wird eigentlich nächster Trainer?

Die Zeiten, in denen ein Aufsteiger sogleich vorne mitspielen konnte, sind längst vorbei. Zu groß ist der Unterschied zwischen Bundesliga und 2. Liga geworden, was auch die Ergebnisse der österreichischen Teams (speziell RBS, Wolfsberg, LASK) im Europacup nahezu wöchentlich zeigen.

Man muss sich daher eine neue Rolle suchen – etwa jene des unangenehmen Underdogs (wie nach dem ersten Aufstieg im Jahr 1995), der die Fans mit viel Einsatz und aufopferungsvollem Fußball begeistert und effektiv nur wenig mit dem Abstieg zu tun hat. Ob dies vielen Anhängern genug sein wird, die mit Cupsiegen und Herbstmeistertiteln aufgewachsen sind, sei dahingestellt.

Wer auch immer neuer Trainer wird, er muss über ein klares Konzept verfügen und die Mannschaft stufenweise in der Bundesliga etablieren können. Heuer geht es nur um den Klassenerhalt und um nichts anderes. Wer dies nicht versteht, hat während der letzten Jahre nicht viel verstanden. Im nächsten Jahr sollte man dann vermehrt Ausrufezeichen setzen können, bis man sich dann im dritten Jahr hoffentlich wieder als fixer Bestandteil der Bundesliga etablieren kann. Hartberg ist aktuell ein gutes Vorbild für einen solchen schrittweisen Prozess.

Philipp Semlic Lafnitz

Mein persönlicher Wunschkandidat ist übrigens Philipp Semlic, der Erfolgstrainer von Zweitligasensationsteam Lafnitz. Er gilt in Fachkreisen als eines der größten österreichischen Trainertalente. Abseits davon fällt immer wieder der Name von Thomas Grumser, der zuletzt Wacker trainierte und seinen Posten vor der heurigen Saison räumen musste.

Miron Muslic (zuvor Co-Trainer in der ersten Saison unter Baumgartner und seit dieser Saison als Cheftrainer in Floridsdorf aktiv) gilt als weiterer Kandidat. Auch den Namen Klaus Schmidt (quasi der österreichische Peter Neururer) habe ich schon mehrfach gelesen. Eine Rückkehr von Andreas Heraf nach Ried klingt hingegen nicht sehr plausibel, wenn man an die unschönen Worte rund um seinen Abgang zurückdenkt.

Wer auch immer es werden wird, viel Zeit wird der neue Trainer auch diesmal nicht haben. Denn schon Ende Jänner  wird die Bundesliga mit einem Duell gegen den direkten Konkurrenten aus Favoriten fortgesetzt. Eins ist daher garantiert: langweilig wird es im Rieder Fußball auch im Jahr 2021 nicht werden.

Unter Baumgartner war (bei weitem) nicht alles schlecht

Last but not least – bei allem (teilweise berechtigten) Ärger über manche Leistungen der Vormonate darf man nicht vergessen, dass Gerald Baumgartner den Verein am sportlichen Tiefpunkt in einer Doppelfunktion übernommen hatte. Bei den Abgängen von Thomas Weissenböck (Trainer) und Franz Schiemer (Manager) im November 2018 war der Verein absolutes Mittelmaß in der 2. Liga, der Aufstiegskampf war eigentlich kein Thema mehr.

Baumgartner hat das Unmögliche in dieser Saison fast noch möglich gemacht und die Mannschaft mit attraktivem Offensivfußball fast noch in die Bundesliga geführt, was er dann im Nachfolgejahr (mit finanziell geringeren Mitteln) geschafft hat. Anfeindungen oder Häme hat sich Gerald Baumgartner daher auf keinen Fall verdient. Vielleicht wird man in einigen Jahren doch entspannter oder positiver auf seine zweijährige Amtszeit in Ried zurückblicken. Länger war zuletzt nur Paul Gludovatz während seiner ersten Amtszeit am Steuer.

Auch in seinem ersten (wenngleich auch offiziellen) Statement nach der Trennung sind keine bösen Worte gefallen:

„Wir gehen im Guten auseinander. Es liegen zwei sehr intensive Jahre hinter mir. Wir haben unsere Ziele in einer schwierigen Zeit erreicht und ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam unser aktuelles Ziel, den Klassenerhalt, auch mit mir geschafft hätten. Großen Dank von meiner Seite an alle Spieler, dem Betreuerteam und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Ich wünsche der SV Guntamatic Ried weiterhin viel Erfolg“, erklärt Gerald Baumgartner.

Im Gegensatz zu den Herren Chabbi, Benbennek, Kolvidsson oder Fuchsbichler wird er keinesfalls als „Flop“ in die Rieder Fußballgeschichte eingehen. Ganz im Gegenteil: er ist neben Klaus Roitinger und Heinz Hochhauser der dritte Aufstiegstrainer der Rieder Bundesligageschichte. Dies kann ihm (und auch uns) keiner mehr nehmen.

Update 16. Dezember – Interview SN

Auf Basis eines Artikels in den Salzburger Nachrichten vom 16.12. mit dem Titel „Lange Kampagne gegen meine Person“ nimmt Baumgartner seinen Rauswurf wohl doch nicht so gelassen hin. Mit einer Spitze gegen den Vorstand bestätigt er einmal mehr, dass das Verhältnis zwischen einigen Vorstandsmitgliedern und ihm wohl ziemlich vergiftet gewesen sein muss.

„Viele Teams in der Liga haben derzeit Probleme. Ich hätte mir erwartet, dass bei einem kleinen Verein wie Ried mehr zusammengehalten wird. Den Klassenerhalt hätte ich mir auf alle Fälle zugetraut. […] Es gab schon lang eine Kampagne gegen meine Person. Manche Leute im Vorstand wollten mich nicht als Trainer haben. Ich kann mir aber nichts vorwerfen, habe in den vergangenen zwei Jahren immer alles gegeben für den Verein“.


Fotocredits: nachrichten.at, GEPA Pictures (2), Wiener Zeitung, sportsbusiness.at