SV Ried: Jetzt ist schon wieder was passiert
tl;dr – Thomas Weissenböck ist am 12. November als Cheftrainer der SV Ried zurückgetreten. Nach einer wochenlangen Offensiv- und Ergebniskrise ist der Aufstieg in die Bundesliga bereits im November in höchster Gefahr, der Abstand zum (aktuell einzigen) Konkurrenten aus Wattens liegt bei 6 Punkten. Wieder einmal war nur für wenige Monate Ruhe im Innviertel eingekehrt.
Es ist fast auf den Tag genau drei Monate her, als ich zum ersten Mal seit (gefühlten) Jahren einen positiven Beitrag über die SV Ried veröffentlicht hatte. Die SV Ried ist wieder ein Team hieß es von meiner Seite am 12. August 2018. Dieses Hochgefühl hielt auch danach noch einige Wochen an, denn Anfang September zeigte sich das nachfolgende Tabellenbild in der 2. Liga:
Als eine von zwei ungeschlagenen Mannschaften der Liga hatte man zum damaligen Zeitpunkt die vermeintlich größten Titelrivalen aus Wattens (2-1) und Liefering (3-0) in die Schranken gewiesen. Besonders die Leistung an einem 35°C heißen Sonntagvormittag gegen Wattens hatte es allen Anhängern der SVR angetan. Durch viel Leidenschaft, Kampfgeist und auch spielerische Klasse konnten die Kristall-Buam mit einer Niederlage nach Tirol heimgeschickt werden. Man hatte das untrügliche Gefühl, dass im Innviertel wieder ein zartes Pflänzchen am gedeihen war.
Kaum jemand konnte zu diesem Zeitpunkt erahnen, dass nur drei Monate später eine Herbstdepression im Innviertel vorherrschen würde. Vergleicht man nämlich den Saisonstart mit den acht nachfolgenden Runden, so zeigt sich ein völlig konträres Tabellenbild:
Seit der Länderspielpause im September hat man neun Punkte gegenüber Wattens verloren, acht Punkte gegenüber BW Linz (die jedoch auf den Aufstieg verzichten und deswegen kein echter Konkurrent sind). Von acht Spielen wurden gleich drei verloren. Am unglaublichsten ist allerdings der Fakt, dass man mit einer reinen Profimannschaft mit vielen bundesligaerfahrenen Spielern seither die wenigsten Tore der Liga erzielt hat.
Ein Torverhältnis von 7:6 in acht Spielen erinnert an eine durchschnittliche Catenaccio-Mannschaft aus der Serie A der späten 80er-Jahre. Durch die drei Gegentore am Freitag im Heimderby gegen BW Linz kann man nicht einmal mehr auf die beste Defensive der Liga verweisen, auch dieses Prädikat muss man sich mittlerweile mit Wattens teilen (die aber gleichzeitig 12 Tore mehr erzielen konnten).
Daher kam kam die Pressemeldung der SV Ried am Nachmittag des 12. November 2018 (zumindest für mich) nicht ganz überraschend.
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Nach 208 Tagen (bzw. 25 Spielen) trat Thomas Weissenböck freiwillig als Chefcoach der SV Ried zurück. Man muss ihm diese Entscheidung persönlich hoch anrechnen, denn (bei weitem) nicht jeder Trainer hätte zu diesem Zeitpunkt eine solche Entscheidung getroffen. Als Begründung gab er an, „der Mannschaft keine Impulse mehr geben zu können“.
Die schwachen, teilweise lethargischen Leistungen der vergangenen Wochen sind auch ein schlagkräftiges Indiz für seine Aussage. Mich hat zudem ziemlich verärgert, dass das unterirdische 0-0 bei Austria Klagenfurt mit „fehlender Spritzigkeit“ nach drei Spielen in einer Woche argumentiert wurde – in einer Saison mit so wenigen Pflichtspielen wie nie zuvor.
Auch waren einige Entscheidungen (wie etwa die kurzfristige Umstellung auf eine Dreierkette mit Thomas Reifeltshammer als linken Verteidiger gegen BW Linz, oder aber die Umstellung von Dreierkette auf Viererkette mit Flavio Dos Santos in der Startelf gegen den FAC) von außerhalb nur schwer nachzuvollziehen.
Nebenbei war bis zuletzt keine spielerische oder taktische Weiterentwicklung erkennbar – eher im Gegenteil, die Leistungen wurden zuletzt immer dürftiger obwohl zuletzt erstmalig der gesamte Kader zur Verfügung stand. Deswegen hat Weissenböck auch mein persönliches Vertrauen, das Ruder noch herumreißen zu können, im Laufe der letzten Wochen verloren.
Der gebürtige Grieskirchner wird den Verein jedoch nicht verlassen, sondern in das 2. Glied zurück rücken und wieder im Nachwuchs der SV Ried tätig sein. Auch dies ist für mich eine gute Entscheidung, weil Weissenböck zweifelsohne ein harter Arbeiter ist, welcher über die letzten Jahre hinweg auch nachhaltige Arbeit im Nachwuchsbereich geleistet hat und dort nicht mehr im Rampenlicht steht.
In die Rolle des Cheftrainers wurde er nach dem Hinauswurf von Lassaad Chabbi mehr oder weniger hinein gedrängt, auch weil Sportdirektor Franz Schiemer sich im Frühjahr von allen anderen Kandidaten nur Absagen einfing. Zu dieser Farce („Schinkels-Gate“) habe ich damals meine klare Meinung abgegeben.
Im Sommer kam es für viele nach dem verpassten Aufstieg auch überraschend, dass Weissenböck trotzdem den Vertrauensbeweis erhielt und das Amt weiterhin ausführen durfte. Dies wurde mitunter auch als Indiz für eine vermeintlich schwierige finanzielle Lage des Vereins nach dem kolportierten „All-In-Poker“ rund um den Aufstieg angesehen.
Für die Kaderplanung zeichnen sich andere verantwortlich
Anders als die Oberösterreichischen Nachrichten in ihrer Ausgabe vom 13. November behaupten, muss Weissenböck in den Augen vieler Fans jedoch nicht als Alleinschuldiger für die sportliche Ergebniskrise im Herbst herhalten.
Es waren nämlich immer noch Roland Daxl und die anderen Vorstandsmitglieder, die im Februar 2017 den Novizen Franz Schiemer in einer schwierigen Situation zum neuen Sportdirektor bestellt hatten. Und es sind immer noch der Finanzvorstand und der Sportdirektor, welche den Kader der Vorsaison und der aktuellen Saison zusammengestellt haben.
Dabei wurden auch heuer wieder einige fragwürdige Entscheidungen getroffen. Mit Thomas Fröschl wurde etwa ein verdienter Spieler, welcher die Rieder Tugenden beispielhaft symbolisiert hat, im Sommer kommentarlos gegangen. Und genau solche Fußballarbeiter fehlen im aktuellen Kader. Ebenso fehlt ein Leadertyp oder Routinier in Defensive und/oder Mittelfeld, welcher den jungen Teamkollegen in schwierigen Situationen am (und auch neben dem Feld) sagen kann, wo es lang geht.
Im letzten Winter ließ man Marko Stankovic nach Indien ziehen, was sich im Nachhinein als Fehler entpuppte. Mit Cabrera, Mader, Grünwald (und auch Dober) verfügt Wattens übrigens gleich über mehrere dieser Spielertypen, welche für eine gute Balance mit den jungen Talenten sorgen.
Doch man muss nicht weiter als nach Linz blicken. Wie man für einen Umbruch binnen eines Sommers sorgen kann, hat BW Linz heuer mit einer Mischung aus arrivierten Oberösterreichern (Hartl, Fröschl, Grasegger) und talentierten Legionären (Canillas, Alan) bewiesen. Wie man Mario Ebenhofer (letzte Saison bei Wiener Neustadt 5 Tore und 10 Assists) als Tabellenletzter der Vorsaison ohne Gegenwehr ablösefrei verpflichten konnte, ist mir bis heute ein Rätsel.
Wie auch immer, in Ried wäre ein ähnlicher Umbruch im Sommer wohl an den (vergleichsweise) hochdotierten Bundesliga-Verträgen von Derzeit-Nicht-Leistungsträgern wie Wießmeier, Ziegl oder Reifeltshammer gescheitert, welche [also die Verträge] man mitschleppen muss. Immerhin konnte man im Sommer das Gehalt von Thomas Gebauer an den LASK abgeben und dafür mit Johannes Kreidl eine ohnehin jüngere und bessere Nummer Eins verpflichten.
SV Hollywood Ried
Apropos LASK. Jahrelang (jahrzehntelang) nahmen die Linzer dankenswerterweise die Rolle des FC Hollywood Oberösterreich ein: Die Affäre rund um Wolfgang Rieger, die „Fusion“ mit dem FC Linz, der Abstieg 2001 (inkl. sechs Jahren in der Zweitklassigkeit), die Präsidentschaft von Peter-Michael Reichel, der erneute Abstieg 2011, der Zwangsabstieg in die Regionalliga im darauf folgenden Jahr, der Nichtaufstieg in die Bundesliga als Aufstiegsfavorit – zwischen 1998 und 2015 sorgten die Linzer für viel (Schaden-)Freude unter den Anhängern der SV Ried.
In der gleichen Zeit holte die SV Ried zweimal den österreichischen Pokal, wurde Vizemeister der Bundesliga, spielte mehrfach im Europacup und galt in der Ära Paul Gludovatz unter vielen Experten aufgrund jahrelanger kontinuierlich guter Arbeit sogar als inoffizieller Bestandteil der „Top 5“ der Bundesliga (neben Rapid, Salzburg, Sturm und Austria).
Doch wie bereits erwähnt schlägt das Pendel seit wenigen Jahren (massiv) in die andere Richtung. Seit der Übernahme der Linzer durch die Freunde des LASK leistet man in Linz (bzw. Pasching) kontinuierlich gute Arbeit. Dies muss man bei aller Abneigung anerkennen.
Seit der Abgang von Oliver Glasner von Ried zum Erzrivalen nach Linz am Pfingstwochenende 2015 an die Öffentlichkeit drang, entfernen sich beide Mannschaften diametral zueinander. Der LASK ist aktuell die zweitbeste Mannschaft Österreichs. Handschrift, Taktik und Konzept des Trainers sind stets klar erkennbar. Die Kaderplanung von Glasner (der ebenfalls Sportdirektor ist) war während der letzten Jahre nahezu unfehlbar (Goiginger, Trauner, Joao Victor usw.) – in etwa wie dies vor einem Jahrzehnt noch bei Stefan Reiter in Ried der Fall war.
Seit die ehemalige Ried-Legende das Traineramt bei den Linzern übernommen hat, haben Trainer in Ried circa die gleiche Lebenszeit wie eine Heuschrecke. Schwarz auf weiß untermauert dies eine nachfolgende Aufstellung der Trainer, welche seit Mai 2015 (das sind 42 Monate) in Ried im Amt waren (vielen Dank an den ASB-User „meniqo“ für diese detaillierte Aufstellung):
Trainer | Amtsdauer | Punkteschnitt |
Thomas Sageder (Interim) | 6 Tage (1 Spiel) | 1.00 |
Helgi Kolvidsson | 76 Tage (6 Spiele) | 0.76 |
Paul Gludovatz II | 274 Tage (33 Spiele) | 1.33 |
Christian Benbennek | 272 Tage (25 Spiele) | 0.92 |
Lassaad Chabbi | 397 Tage (42 Spiele) | 1.55 |
Franz Schiemer (Interim) | 16 Tage (3 Spiele) | 1.33 |
Thomas Weissenböck II | 208 Tage (25 Spiele) | 1.88 |
Miron Muslic (Interim) | ??? | ??? |
Selbst wenn man die Interimslösungen aus der Gleichung nimmt, kommt man immer noch auf fünf verschiedene Trainer in knapp dreieinhalb Jahren. Kontinuität Fremdwort, wie Wolf Haas es vielleicht formulieren würde. Doch wer ist an dieser fehlenden Kontinuität der „neuen Nummer 3“ von Oberösterreich nun wirklich verantwortlich?
Aus viel wird wenig gemacht
Bis jetzt ist (zumindest offiziell) nicht klar, was das heurige Saisonziel ist. Mitunter hat man als Saisonziel eine „Entwicklung“ (ugh) der Mannschaft genannt. Mit dem höchsten Gesamtbudget der Liga sollte man jedoch zumindest im November noch annähernd um den Titel mitspielen. Dies ist aktuell nicht der Fall. Weder tabellarisch und spielerisch schon gar nicht.
Fun fact: seit dem Abstieg war die SVR in exakt 50 Ligaspielen auch 50x der Quotenfavorit auf den Sieg bei den Wettanbietern (Quelle = bwin). Dies kommt nicht von ungefähr – letzte Saison verfügte man über den teuersten Kader der Liga und auch heuer befindet man sich auf einer Stufe mit Wattens (lt. Schiemer verfügt man über das zweithöchste Kaderbudget nach den Tirolern).
An dieser Stelle muss auch die verhältnismäßig überragende Infrastruktur angeführt werden, welche man in Ried vorfindet: ein voll-überdachtes Stadion mit Rasenheizung in Vereinsbesitz, eines der modernsten Trainingszentren in Österreich, eine Nachwuchsakademie. Nicht nur in der 2. Liga sondern sogar auch in der Bundesliga würde man hiermit aktuell weit vorne mitspielen. Doch Infrastruktur schießt ebenso wie Geld keine Tore.
Wenn von den äußeren Bedingungen her alles passt, dann muss man sich die Entscheidungsträger genauer ansehen. Die allgemeine Kritik und Unzufriedenheit fokussiert sich immer wieder auf den Finanzvorstand Roland Daxl, den so genannten „starken Mann“ der SV Ried. Mehreren Quellen zufolge kam es am vergangenen Freitag nach dem Derby im VIP-Club der josko Arena bis in die frühen Morgenstunden zu (freundlich ausgedrückt) intensiven Diskussionen zwischen VIP-Club-Besuchern und den Vorstandsmitgliedern Daxl sowie Thomas Gahleitner.
Während der vergangenen Saison hatte ich Daxl und auch Sportdirektor Franz Schiemer in meinen Blogartikeln mehrmals (stark) kritisiert. Vor allem, weil vor Saisonbeginn ein nahezu unmenschlicher Erfolgsdruck auf die Mannschaft auferlegt wurde, an dem man letztendlich zerbrach.
Heuer hat man diese Taktik um 180° geändert, aus Erfolgsdruck wurde (zumindest in der Kommunikation nach außen) Montessoripädagogik. Denn von Daxl hört und liest man gar nichts mehr, von Schiemer kamen zumeist nur lapidare Kommentare. So nach dem Motto „sind eh alle brav“.
Es ist offenbar nicht möglich, Ergebnisse oder Entwicklungen in der Außenkommunikation halbwegs realistisch einzuschätzen. Kein Mensch mit Affinität für die SVR (weder Anhänger noch Sponsor) glaubt der Führungsriege, wenn behauptet wird, dass man mit dem aktuellen 3. Platz zufrieden sei.
Wer hat Angst vor den Amateuren? (Wir)
Zum Thema Außenkommunikation: in der Woche vor dem Cup-Ausscheiden gegen Wiener Neustadt wurde die Defensive in den Himmel gelobt – blieb man doch immerhin sechsmal en suite ohne Gegentor. Dass man in den letzten vier dieser sechs Spiele jedoch selber nur zwei Tore erzielen konnte, wurde beiläufig unter den Tisch gekehrt.
Die Gegner in diesen vier Spielen lauteten Wacker Innsbruck II, SV Lafnitz, Austria Lustenau und Austria Klagenfurt. Das sind drei Aufsteiger und zwei Halbprofiteams. Der Sieg gegen Wacker II fiel letztendlich glücklich aus, selbiges gilt für die beiden inferioren Auswärtsspiele in Lafnitz und Klagenfurt, welche jeweils mit 0-0 endeten. Lediglich (ausgerechnet?) beim 1-0 gegen Lustenau wurde eine wirklich ansprechende spielerische Leistung geboten.
Für mich grenzten diese Aussagen daher teilweise an Realitätsverweigerung (noch dazu von einem Sportdirektor wie Schiemer, der vergangene Saison noch RB-Offensiv-Power-Fußball spielen lassen wollte).
Generell zieht sich das „Amateurproblem“ durch die gesamte Saison. Von sieben Spielen gegen Amateurteams konnten nur die Heimspiele gegen Horn und Wacker II gewonnen werden. In Steyr, Amstetten, Lafnitz und Klagenfurt setzte es jeweils Unentschieden, gegen die Young Violets Austria Wien verlor man zuhause sogar.
Die möglichen Gründe für den Leistungsabfall gegenüber den Spielen gegen Topteams (gegen Wattens, Liefering, Kapfenberg, Austria Lustenau und Wiener Neustadt konnte man jeweils gewinnen) kann man sich wohl bis heute nicht erklären.
Hat man die vermeintlich schwächeren Gegner unterschätzt? Kommt man mit einer Dorfplatz-Atmosphäre (wie in Lafnitz) nicht zurecht? Hat man sich von den teilweise hart agierenden Mannschaften die Schneid abkaufen lassen? Hat man die Gegner nicht gut genug oder oft genug beobachtet? Fragen über Fragen – was auch immer die richtige(n) Antwort(en) sind, für viele dieser Ergebnisse kann ich dann Thomas Weissenböck doch nicht aus der Verantwortung nehmen.
Die eigenen Amateure
Im schlimmsten Fall geht man aufgrund dieser unterdurchschnittlichen Ergebnisse mit einem Rückstand von neun Punkten (und dem schlechteren Torverhältnis) gegenüber Wattens in die dreimonatige Winterpause. Sollte man in der zweiten Runde des Frühjahres das direkte Duell in Tirol verlieren, so kann man bereits Ende Februar für die nächste Saison in der Zweitklassigkeit planen.
Ob man am Ende der Saison Platz 2 oder Platz 13 belegt, spielt in dieser Liga keine Rolle. Und sollte der vorher genannte worst case eintreten, so kann man nur auf einen radikalen Umbruch im Team hoffen. Dass man Mannschaften binnen kurzer Zeit auch (wirklich) weiterentwickeln kann, beweist heuer Miron Muslic (siehe Foto unten) bei den Ried Amateuren (ich verbitte mir den Ausdruck „Junge Wikinger„).
Nachdem man vergangene Saison unter Florian Königseder dem Abstieg erst in der allerletzten Runde entgehen konnte, so spielt die (verjüngte) Truppe des gebürtigen Tirolers heuer um den Titel mit. Mit 29 Punkten zur Winterpause liegt man nur um 3 Punkte hinter dem Endwert der vergangenen Saison.
Wer den Ried Amateuren heuer einmal (oder mehrmals, wie in meinem Falle) bei der Arbeit zugesehen hat, der weiß bei welcher Mannschaft im Herbst in der josko Arena der bessere Fußball gespielt wurde. Aggressiver, direkter Offensivfußball mit einstudierten Spielzügen führten zu bemerkenswerten Ergebnissen wie einem 7-0 gegen Weißkirchen, einem 1-1 gegen den übermächtigen Meister aus Oedt oder zuletzt einem 2-1 gegen den Fast-Herbstmeister von Donau Linz.
Deswegen bin ich auch auf die kommenden (Trainings-)Tage in Ried gespannt. Unter Interimstrainer Muslic wird nämlich dort ein anderer Wind wehen – basierend auf den sechs Spielen welche ich im Herbst gesehen habe, steht er nämlich ab und zu nicht an der Seitenlinie, sondern er brodelt wie ein Vulkan. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich einige vermeintliche Stammspieler im letzten Spiel der Hinrunde gegen die OÖ Juniors nicht im Kader wiederfinden werden.
Und sollte es ab März wirklich nur mehr um die Goldene Ananas gehen (unter welchem Cheftrainer auch immer), dann kann man nur hoffen, dass Nachwuchstalente wie beispielsweise Belmin Cirkic (ein technisch überragender Spielmacher mit Freistoßqualitäten), Felix Seiwald (linker Verteidiger) oder Daniel Pointner (defensiver Mittelfeldspieler) vermehrt zum Einsatz kommen und dafür Profi-Treibholz (ich will hier keine Namen nennen) abgegeben wird.
Denn im Gegensatz zu einigen lethargischen Profis geben diese Nachwuchsspieler jedes Mal 90 Minuten Vollgas für ihre Mannschaft und sind dem Verein auch (viel tiefer) verbunden. Abgesehen davon will ich aus dem aktuellen Profikader auch Johannes Kreidl (22) sowie Constantin Reiner (21), Kennedy Boateng (21), Arne Ammerer (22) und Ante Bajic (23) positiv hervorheben. Bei diesen Spielern hat man immerhin das Gefühl, dass sie nicht stagnieren (oder abbauen) – ganz im Gegenteil zu den so genannten Ried-Urgesteinen oder fast allen verbliebenen Neuverpflichtungen aus der Ära Chabbi.
Die Zuschauer bleiben da
Der (im Endeffekt völlig verdiente) Abstieg vor zwei Jahren war ein Tiefpunkt der Rieder Fußballgeschichte. Dieser wurde im vergangenen Jahr vom Nichtaufstieg jedoch noch einmal (im negativen Sinne) getoppt. Doch ganz egal wo gespielt wird: „Ob erste oder zweite Liga – wir sind alle treue Rieder“ heißt es in einem bekannten Fangesang. Und dieser Inhalt wird nicht nur gesungen, denn auch heuer halten die (meisten) Anhänger der SV Ried weiterhin unerbittlich zu ihrer Mannschaft. Dies beweist ein Blick auf die Zuschauerzahlen der aktuellen Saison:
Mit einem Zuschauerschnitt von 3.424 Zuschauern nach sieben Heimspielen hat man bei jedem Heimspiel im Schnitt 1.400 Zuschauer mehr als der zweitbeste Verein aus dieser Aufstellung. Auf die gesamte Liga gerechnet waren sogar 19% der Gesamtzuschauer der bisherigen Saison in der josko Arena zu Gast.
Der aktuelle Schnitt übertrifft auch jenen der Admira und Mattersburg aus der Bundesliga, vom Sensationsaufsteiger aus Hartberg und der Überraschungsmannschaft aus St. Pölten ist man nicht weit entfernt. Im Gegensatz zu den Bundesligisten durfte man in Ried jedoch nicht Rapid, Salzburg oder den LASK begrüßen, sondern Horn, Young Violets und Liefering.
Es ist durchaus bemerkenswert, wie treu und leidensfähig eine Vielzahl an Anhängern ist. Nach der zweiten Chance (nach dem Abstieg) gaben die meisten der Mannschaft und Verein auch heuer eine dritte Chance (nach dem verpassten Wiederaufstieg). Ob es jedoch eine vierte Chance geben wird, steht derzeit noch in den Sternen.
Denn auch Leidensfähigkeit und Geduld der treusten Fans haben irgendwann ihr Ende. Bereits vergangenen Freitag hallten „Trainer raus“ und „Schiemer raus“ Sprechchöre durch das Stadion. Der Unmut und die Unzufriedenheit unter den Fans (und Fanclubs) ist aktuell auf einem noch nie da gewesenen Level. Dies bemerkt man bei jedem Gespräch mit langjährigen Ried-Anhängern. Eine Mischung aus Resignation und Wut hat sich im Laufe der vergangenen Wochen im Innviertel breit gemacht.
Vor allem das völlig unnötige Cup-Out im Heimspiel gegen Wiener Neustadt (mit einem Mann mehr am Platz hat man beim Stand von 1-1 einen Elfmeter verschossen und anschließend noch verloren) war bezeichnend für die aktuelle Situation des Vereins. Hier wurde fahrlässig ein etwaiges Heimspiel gegen Rapid, Salzburg oder den LASK verspielt. Ein volles Stadion hätte neben dem Startgeld und TV-Geldern einen segenreichen Obolus in sechsstelliger Höhe für die Vereinskasse bedeutet.
Quo vadis SV Ried, schon wieder.
Fehlende bzw. sinkende Zuschauereinnahmen sind (neben fehlenden TV-Geldern) auch ein großes finanzielles Problem für die SV Ried. Im Laufe der letzten Tage habe ich auch Gerüchte vernommen, dass die Saison 2018/2019 zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht ausfinanziert sei. Die Substanz hinter diesen Gerüchten kann ich freilich nicht verifizieren.
Aufgrund der diversen Ausgangsbedingungen der 2. Liga dürfte es allerdings nicht einfach sein, den Profibetrieb (auf mittelfristige Sicht in der Zweitklassigkeit) aufrecht zu erhalten.
Im vergangenen Sommer wurde der Sparstift notgedrungen nicht nur bei der Kaderplanung angesetzt, sondern u.a. auch bei Angestellten (z.B. Co-Trainer, Nachwuchstrainer) oder etwa Auswärtsspielen (bei kürzeren Anreisen verzichtet man auf die Anreise am Vorabend inkl. Übernachtung). Welche Konsequenzen ein erneuter Nichtaufstieg auf die kommende Saison haben würde, will ich mir derzeit (noch) nicht einmal vorstellen.
Denn wäre der Aufstieg letzte Saison theoretisch so leicht wie nie zuvor (zwei Aufstiegsplätze, ein Relegationsplatz) realisierbar gewesen, so wäre es heuer ebenfalls noch relativ einfach (gewesen?). Ab kommender Saison wird der Aufstiegskampf wieder deutlich schwieriger werden, mit der Admira, Altach, Mattersburg oder Innsbruck (diese Vereine sind am wahrscheinlichsten) wird die Liga nämlich wieder durch einen namhaften Verein bereichert werden.
Ein zweiter namhafter Gegner wird höchstwahrscheinlich GAK heißen, die Grazer liegen derzeit mit Respektabstand an der Tabellenspitze der Regionalliga Mitte. Durch den Absteiger aus der Bundesliga, BW Linz, Austria Lustenau und dem GAK würde man kommende Saison dann wohl auch zum ersten Mal nicht mehr der (Quoten-)Favorit auf den Aufstieg sein.
Im Februar 2017 wurde als mittelfristige Zielsetzung eine Rückkehr in den Europacup angestrebt. Knapp eineinhalb Jahre und viele unglückliche Entscheidungen später ist die SV Ried hingegen so weit entfernt vom Europacup wie schon seit 28 Jahren nicht mehr. Die kommenden Monate und Entscheidungen der Vereinsverantwortlichen werden es zeigen, ob das Fußballwunder Ried (zumindest vorerst) Geschichte ist oder doch noch ein neues Kapitel geschrieben werden kann.
Quellenangabe:
Titelbild: (c) Foto Scharinger
Bild von Miron Muslic: https://theworldnews.net/at-news/druck-fur-thomas-weissenbock-wurde-zu-gross
Screenshot Formtabellen: transfermarkt.at
Screenshot Zuschauerschnitt: weltfussball.at
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