Die schlechteste 2. Liga aller Zeiten?
„Oben (in der Bundesliga, Anm.) ist es Freizeitdienstleistung, Glitzer, Glamour, Show, Schampus und Scampi. Unten ist es Leberkäse und Bier.“
Bundesligavorstand Reinhard Herovits, 24. Juli 2018
Gleich mal vorweg: wenn man bodenständige Vereine wie Mattersburg, Hartberg oder die Admira betrachtet, dann sind Schampus und Scampi in dieser Aussage genau so deplatziert wie Skirennen im Oktober. Und wenn die 2. Liga heuer Leberkäse und Bier symbolisieren soll, dann handelt es sich dabei mehrheitlich um abgestandenes Bier und Leberkäse über dem Verfallsdatum.
Nach diesem etwas polemischen Einstieg in meinen Blogbeitrag gehe ich sofort in medias res. 12 von 30 Runden der „neuen“ 2. Liga sind absolviert, Grund genug mir die augenscheinlichsten Trends und Auffälligkeiten der letzten vier Monate anzusehen.
Ein Disclaimer vorweg: es handelt sich dabei um meine persönliche Meinung, welche durch Empfindungen, Gesprächen mit anderen ligainteressierten Menschen und Artikeln untermauert ist.
Zurück ins 20. Jahrhundert
Besonders schlimm ist der technische Rückschritt beim Übertragungsstandard. 2003 hat sky (damals noch als Premiere) die zweithöchste Spielklasse als Red Zac Erste Liga (später ADEG Erste Liga, noch später skyGo Erste Liga) in ein neues Zeitalter gehievt. Von einer Saison auf die andere gab es plötzlich Liveübertragungen von allen Spielen, fixe Spieltermine am Freitag um 18:30 bzw. 20:30 und kompetente Kommentatoren bei jedem Spiel. Die Liga wurde zur Marke, die Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Bundesliga wurde gesteigert und dadurch konnten die Aufsteiger in die Bundesliga auch meistens unmittelbar auftrumpfen – egal ob jetzt Grödig bzw. Altach unter Hütter, Ried unter Hochhauser oder der WAC unter Bjelica.
Der Ausstieg von sky aus der 2. Liga war für mich persönlich mehr als verständlich. Weder das Ligaformat noch die Vereinsstruktur kann als Premiumprodukt bezeichnet werden (und soll es auch nicht gemäß Herovits-Aussage). Die Laola1-Streams der Spiele sind zwar nett gemeint, meistens aber technisch ungenügend (auch mit Premium-Abo) umgesetzt (mit zwei Kameras und Übertragungsrucksack). Die Qualität des Kommentars ist im Vergleich mit den Kapazundern von sky wie etwa Trukesitz, Paternina oder Konrad leider ungleich schlechter (und teilweise werden auch halblustige Kabarettisten als „Experten“ verpflichtet) und wirkt bei weitem nicht so vorbereitet und/oder souverän.
Mir war Laola1 und viele seiner Reporter wirklich immer sehr sympathisch, aber mit dem Spieltermin am Sonntag und der Umsetzung der Ligarechte wurden viele Sympathien verspielt.
Ebenfalls gab es dank Opta Sports vielfältige Statistiken aus der 2. Liga (bzw. damals noch Erste Liga) – Ballbesitz, Fouls, durchschnittliche Feldpositionen, Zweikampfwerte usw. – im Grunde alles, was das Statistikerherz begehrte. Dies ist seit heuer passé. Der Vertrag mit dem Dienstleister wurde nicht verlängert (oder gekündigt?). Seit heuer liefert Sportradar/Laola1 die Statistiken: nämlich Tore, Assists und Karten. That’s it. Ein Zustand wie in grauer Vorzeit des Fußballsports. Ohne eigenes Equipment (wie etwa FieldWiz bei Ried) hätten die Vereine sämtliche wichtigen Informationen hinsichtlich der Performance der eigenen Spieler verloren.
Abgesehen davon schafft es nicht einmal die eigene Website der 2. Liga, die Zuschauerzahlen anzuzeigen. Diese muss man sich über Portale wie weltfussball.at oder alternativ direkt bei fussballoesterreich.at besorgen. Vermutlich hat dies auch taktische Gründe, dass die Zuschauerzahlen auf der offiziellen Seite nicht angezeigt werden, auf diese Weise muss sich niemand über die deprimierenden Zahlen schämen. Dies bringt mich direkt zur Zuschauerentwicklung.
Das Zuschauerinteresse ist begrenzt
12 von 16 Vereinen der Liga konnten im Vergleich zum Vorjahr bislang zwar einen leichten Anstieg der Zuschauerzahlen verzeichnen. Weil die Zuschauerzahlen in meiner initialen Berechnung etwas kontrovers diskutiert werden, habe ich mich am 2. November im Nachhinein zu einer separierten Darstellung entschlossen. Zunächst die Zuschauerzahlen der Vereine, die bereits in der Vorsaison in der 2. Liga agierten (Quelle für die Zahlen = weltfussball.at):
Verein | Zuschauerschnitt 17/18 | Zuschauerschnitt 18/19 (nach 12 Spielen) | Veränderung |
SV Ried | 3.595 | 3.188 | – 407 [-11.3%] |
Austria Lustenau | 2.079 | 1.620 | – 459 [22.1%] |
Blau Weiß Linz | 1.159 | 1.458 | + 299 [+25.8%] |
WSG Wattens | 1.194 | 1.067 | – 127 [-10.7%] |
Kapfenberger SV | 719 | 794 | + 75 [+10.4%] |
Floridsdorfer AC | 526 | 617 | + 91 [+17.3%] |
Wiener Neustadt | 1.070 | 566 | -504 [-47.1%] |
FC Liefering | 343 | 393 | + 50 [14.6%] |
GESAMT (Bestand) | 1.336 | 1.213 | -123 [-9.2%] |
Vier Vereine weisen Negativtendenzen auf, vier Vereine konnten den Zuschauerschnitt steigern. Insgesamt ist der Schnitt dennoch um knapp 10% gesunken, da es sich bei den Zuwächsen bei Kapfenberg, Floridsdorf und Lieferung jeweils nur um zweistellige Zahlen handelt. Wirklich merklich positiv nur der Zuwachs bei BW Linz, der allerdings der Tabellensituation geschuldet ist.
Zurücklaufend ist sie größtenteils auch genau bei jenen Vereinen, welche letzte Saison die höchsten Zuschauerzahlen vermeldeten. Bedenklich ist die Situation beim Aufstiegsfavoriten aus Wattens, der (wohl hauptsächlich wegen des Ligenwechsels von Wacker Innsbruck) als Tabellenführer einen niedrigeren Zuschauerschnitt aufweist als in der Vorsaison.
Noch viel dramatischer schaut es beim SC Wiener Neustadt aus, bei dem nach dem Nichtaufstieg die Luft komplett raus sein dürfte, die Zuschauerzahlen haben sich jedenfalls halbiert. Aber auch Kapfenberg hat am vergangenen Samstag beim Spiel gegen Wiener Neustadt mit 330 (!) Zuschauern negativ aufhorchen lassen.
Nachfolgend die Entwicklung bei den Aufsteigern (vielen herzlichen Dank vor allem an @richard_TRK aber auch an @jemerich8 für die Organisation der letztjährigen Zuschauerzahlen der ehemaligen Regionalligisten):
Verein | Zuschauerschnitt 17/18 | Zuschauerschnitt 18/19 (nach 12 Spielen) | Veränderung |
Vorwärts Steyr | 1.236 (RLM) | 2.133 | + 897 [+73%] |
SKU Amstetten | 961 (RLO) | 1.380 | + 419 [+43.6%] |
SV Horn | 732 (RLO) | 743 | + 11 [+1.5%] |
SV Lafnitz | 517 (RLM) | 736 | + 219 [+42.3%] |
Austria Klagenfurt | 275 (RLM) | 650 | + 375 [+136%] |
OÖ Juniors | 167 (RLM) | 375 | + 208 [+124%] |
Young Violets | 258 (RLO) | 370 | + 112 [+43.3%] |
Wacker Innsbruck II | 120 (RLW) | 254 | + 134 [+116%] |
GESAMT (Aufsteiger) | 533 | 830 | + 297 [+35.8%] |
Alle Aufsteiger konnten eine Zuschauerzuwachs verzeichnen, teilweise um mehr als 100%. Wirklich markant ist allerdings nur der Zuwachs von durchschnittlich 897 Zuschauern in Steyr. Dafür hauptverantwortlich zum Teil auch die Auslosung, zwei der drei interessantesten Heimspiele der Saison (die beiden Derbys gegen Ried und Amstetten) sind bereits absolviert.
Um einen ligaweiten Gesamtvergleich machen zu können, rechne ich die Zuschauerzahlen von Wacker Innsbruck (3.627) und Hartberg (1.180) zu den Bestandsvereinen. Auf dieser Basis ist der Schnitt der Liga (nach 12 Runden) um 35% zurück gegangen.
Die dreistelligen Zuschauerschnitte ab Kapfenberg werden mitunter auch in der letzten österreichischen Spielklasse erreicht. Was sind nun also die Gründe für den Zuschauerrückgang (der sich mit fortlaufendem Herbst noch drastischer auswirken wird)?
Beispielsweise machen es die unterschiedlichen Anstoßzeiten (u.a. Freitag 19:00, Freitag 19:10, Freitag 20:30, Samstag 14:30, Samstag 20:20, Sonntag 10:30, Sonntag 14:30) und relativ kurzfristigen (übertragungsbedingten) Verschiebungen dem passionierten Stadiongänger nahezu unmöglich, eine langfristige Freizeit- bzw. Matchplanung zu vollziehen.
In der Bundesliga gibt es heuer genau drei verschiedene Spieltermine an zwei verschiedenen Wochentagen. Auf Formel 1 oder Schifahren muss dank des Rechteverlusts des ORF endlich keine Rücksicht mehr genommen werden.
Sonntag 10:30
Ein besonderer Dorn im Auge ist für viele Menschen aus der aktiven Fanszene die Sonntagsmatinee um 10:30, welche als das „Laola1 Top-Spiel der Woche“ vermarktet wird. Hier wird keinerlei Rücksicht auf Auswärtsfans genommen und Terminisierungen wie etwa BW Linz gegen Austria Lustenau (470 km), Ried gegen Lustenau (375 km), Ried gegen Wattens (240 km) oder Wiener Neustadt gegen Ried (270 km) angesetzt.
Als Lustenauer muss man also durchschnittlich um 04:00 in der Früh wegfahren, um seinen Verein in die Fremde begleiten zu können. Mit den traditionellen Sonntagsmatineen in der Wiener Stadtliga mit einer Anreise von wenigen Kilometern ist dies nur schwer (bzw. eigentlich gar nicht) vergleichbar. Man könnte diesen Termin auch verwenden, um Lokalduelle (z.B. FAC – Young Violets, Lafnitz – Kapfenberg, OÖ Juniors – Vorwärts Steyr) anzusetzen, welche auch anreisetechnisch vertretbar wären. Eine mangelnde Attraktivität von Übertragungen durch Geisterkulissen scheint jedoch kein Problem für die Bundesliga zu sein.
Schenkt man Angestellten aus der Wettbranche Glauben, dann gibt es diesen Spieltermin sowieso nur, weil um diese Zeit ansonsten wenige bis gar keine anderen Spiele stattfinden und man damit auch den asiatischen Markt bedienen kann.
Einem Insider zufolge erreichen die Sonntags-Streams auf Laola1 nur manchmal vierstellige Zahlen, verbleiben jedoch zumeist im dreistelligen Bereich. Dies kann ich nicht verifizieren, klingt jedoch glaubhaft, weil auch die Streamingzahlen von A1 in der Bundesliga nicht viel besser sind.
Fernsehgelder von Laola1 an die Vereine gibt es übrigens (meinem Wissensstand nach) keine. Die Übertragungen werden als Service für den interessierten Nutzer vermarktet. Nur als Vergleich: Hartberg und Wacker Innsbruck kassieren durch den Aufstieg in die Bundesliga heuer knapp 2 Millionen mehr an TV-Geldern als die Vereine in der 2. Liga. Für den Großteil der Zweitligaclubs stellen diese Summen mehr als das Jahresbudget dar.
Viele unattraktive Gegner .. und Amateurteams
Den Vereinen entgehen durch diese Sonntagstermine nicht nur Zuschauereinnahmen (in Ried wären am letzten Wochenende am Freitag sicherlich 400-600 Zuschauer mehr gekommen) sondern auch (Mehr-)Einnahmen aus der Gastronomie. Kaum jemand konsumiert am Sonntagvormittag auch nur annäherend so viel wie an einem Freitagabend – weder vor noch nach dem Spiel – und schon gar nicht im Herbst bei Regen und 5C°.
Die Heimspiele und damit die Zuschauereinnahmen sind insgesamt weniger geworden (18 statt 15), dafür sind die Gegner gleichzeitig unattraktiver geworden – sowohl für die bestehenden Zweitligavereine als auch für die Aufsteiger. Nur um ein Beispiel zu nennen, Lafnitz hätte gegen Bad Gleichenberg und Weiz sicherlich mehr Zuschauer als gegen Horn und Lustenau. Eine lose-lose-Situation für alle Beteiligten.
Noch schlimmer verhält sich dies mit den Zweitclubs der Bundesligisten. Dass diese Mannschaften nicht nur die Liga verzerren (die Aufstellung von Liefering erfolgte letzte und vorletzte Saison auf Basis der Youth League Spiele von RBS), sondern auch überaus unattraktiv (auch für „Heimfans“) sind, beweist die Statistik.
Die Zweitteams (egal ob Mogelpackung oder echter Zweitverein) belegen die vier letzten Plätze der Zuschauertabelle, abgeschlagen vom Rest der Liga. Der Kniefall der Bundesliga vor den großen Teams wie Rapid, Austria oder Sturm (die eigenen Talente müssen nicht mehr verliehen werden) hat also genau im Bezug auf Zuschauerzahlen und Attraktivität genau jene Auswirkungen mit sich gebracht, welche von jeglichen Menschen mit Fußballverstand prophezeit wurden.
Kein einheitliches Erscheinungsbild
Ein einheitliches Erscheinungsbild lädt einen Markenkern positiv auf und steigert somit den Markenwiedererkennungswert. Wenn man an große Marken wie Apple, Coca Cola oder Audi denkt, denkt man automatisch an bestimmte Formen, Farben und Schriftarten. In größeren Ligen wie etwa in der Premier League wird es schon seit einem Jahrzehnt so gehandhabt, dass Inserts stets gleich aussehen, egal ob ein Spiel (oder Spielausschnitt) bei Sky Sports, BT oder BBC gezeigt wird.
Die Bundesliga hat selber schon seit längerer Zeit eine CI (Corporate Identity) und damit eingehend ein CD (Corporate Design). Dieses wird seit heuer in der Bundesliga von Sky Sport Austria auch perfekt umgesetzt. Man beachte am nachfolgenden Bild das Wasserzeichen der Bundesliga im rechten unteren Eck, das Bundesligalogo im rechten oberen Eck sowie die Schriftart der Spielstandanzeige, welche ebenfalls an den Bundesligastandard angepasst ist. (Bildquelle = 90minuten.at).
Nun im Gegensatz dazu ein Screenshot (via laola1.tv) aus der 2. Liga:
Das Wasserzeichen der 2. Liga im rechten unteren Eck ist vorhanden. Abgesehen davon hat man sich anscheinend dazu entschlossen, die alten Inserts von ORF Sport+ als Standardinserts für die 2. Liga zu verwenden. Wo liegt hier der Wiedererkennungswert mit der CI der Bundesliga?
Es werden keinerlei Farben, Formen oder Schriftarten verwendet, welche man auf der offiziellen Website der Liga findet. Und weil die 2. Liga offiziell ein Teil der Bundesliga ist, sollte doch auch ein einheitliches Bild abgegeben werden. Oder sehen die Verantwortlichen dies anders? Weil solche Feinheiten (die eigentlich klar definiert sein sollten) nicht berücksichtigt werden, sollte auch mein nächster Punkt keine Überraschung sein.
Die Medienpräsenz liegt irgendwo bei null
Vergeblich suchte ich am Sonntagnachmittag einen redaktionellen oder APA-Bericht von Ried gegen Austria Lustenau auf derstandard.at. Kaum einmal schafft es ein Ereignis in der 2. Liga in einen Bildbericht bei sport.orf.at. Abgesehen von den Stadiongängern und den wenigen 100 Zuschauern bei Laola1 bekommt man also als Sponsor eines Zweitligisten (egal ob auf einem Trikot oder auf einer Bande) keine Reichweite.
Man könnte natürlich entgegnen, dass man mit einem Engagement im österreichischen Fußball sowieso keine Markenbekanntheit steigern kann. Dem ist aber nicht so, denn wer kannte vor einem Jahr schon Profertil? Durch Hartberg erreicht dieser Sponsor nun seit Monaten regelmäßige Medienpräsenz in Print und Web. Auch Josko konnte mit seinem langjährigen Engagement in Ried die Markenbekanntheit gemäß eigener Aussage überregional steigern.
Wie auch immer – wenn es sich nicht gerade um einen traditionellen Sponsor oder Sponsor mit regionaler bzw. lokaler Zielgruppe handelt, dann würde ich mir als Sponsor ein Engagement in dieser Liga doppelt und dreifach überlegen. Es ist einfach keine kein ausreichender Werbewert gegeben. Die Markenbekanntheit eines Sponsors kann durch ein Engagement in der 2. Liga kaum gesteigert werden, darüber hinweg können auch die punktuellen fünfstelligen Zuschauerzahlen bei den Liveübertragungen auf ORF Sport+ nicht helfen. Immerhin gibt es die Highlights im ORF jetzt nicht mehr am Freitag nach Geisterstunde, sondern am Samstag bzw. Sonntag im Rahmen der Bundesligasendung. Doch dies ist der einzige Fortschritt.
Weniger mal vier
Ich fasse also zusammen: professionell aufgestellte Vereine in der 2. Liga haben seit heuer:
- weniger Zuschauereinnahmen durch unattraktivere Gegner und weniger Spiele,
- weniger Fernseheinnahmen durch den Wegfall von sky,
- weniger Sponsoreneinnahmen durch die geringere Reichweite der Liga
- weniger Gastronomieeinnahmen durch manche Spielansetzungen, Stichwort Sonntag 10:30.
Es dürfte daher nur eine Frage der Zeit sein, bis es einzelne Vereine mit ambitionierten Zielen implodieren. Auch Traditionsvereine sind bei ausbleibenden Erfolgen langfristig nicht davor gefeit, den schweren Gang in die Unterklassigkeit antreten zu müssen. Dieses Stichwort bringt mich auch direkt zum letzten Punkt meiner Analyse.
(Fast) niemand will rauf
Dieser Satz trifft sowohl auf die aktuellen Regionalligisten als auch auf Blau-Weiß Linz zu. Das Überraschungsteam aus Linz hat sich letzte Woche dazu entschlossen, heuer trotz ausgezeichneter Tabellenposition den Aufstieg in die Bundesliga nicht anzustreben, weil zu viele Voraussetzungen nicht gegeben sind und man kein Roulettespiel mit der eigenen Existenz riskieren will.
Eine detaillierte Aufschlüsselung dieser Gründe findet man bei den OON. Mit Wattens, Ried, Austria Lustenau und Wiener Neustadt gibt es daher vermutlich nur vier Vereine, welche den Aufstieg in die Bundesliga antizipieren – alle notwendigen Erfordernisse hinsichtlich Infrastruktur, Akademie und rechtlicher Rahmenbedingungen erfüllt derzeit freilich nur Ried.
Wie schon in der letzten Saison, als Wacker Innsbruck II als Tabellenachter (!) der Regionalliga West aufsteigen durfte, weil die sieben Vereine davor verzichteten, gibt es auch heuer nur eine Handvoll an Vereinen, welche am Aufstieg in die 2. Liga interessiert sind.
Der GAK, Stadl-Paura, Gleisdorf und Weiz aus der RLM, Mauerwerk (ehemals FC Karabakh Wien) und Ebreichsdorf aus der RLO sowie Dornbirn und Anif aus der RLW. Die Intention bei den Grazern sowie Mauerwerk ist ein Durchmarsch in die Bundesliga. Die anderen Vereine sind bei ihren Aussagen hinsichtlich Aufstieg in die 2. Liga schon deutlich vorsichtiger bzw. skeptischer.
Es kann also durchaus sein, dass sich auch heuer am Saisonende keine drei Vereine finden, welche den Aufstieg in die 2. Liga anstreben wollen. Dadurch erhöhen sich die Chancen, dass sich mit den Rapid Amateuren oder Sturm Graz Amateuren kommende Saison ein drittes „echtes“ Zweitteam in der Liga wieder findet.
Neben den Mogelpackungen (Liefering und OÖ Juniors) sind übrigens maximal drei Amateurteams zugelassen. Sollten zwei Amateurteams den Aufstieg auf dem sportlichen Weg schaffen, dann müsste das schlechter platzierte Amateurteam der 2. Liga (also Young Violets oder Wacker II) automatisch absteigen – auch wenn man sich auf keinem Abstiegsplatz befindet. Klingt seltsam und kurios, passt aber daher irgendwie genau zu dieser Liga.
Was wird aus der 2. Liga?
Um die Bundesliga (noch) attraktiver zu machen, Vereine wie Rapid (hinsichtlich Verteilung der TV-Gelder) zu befrieden und den heiligen Gral der antizipierten 10.000 Zuschauer pro Spiel zu erreichen (von dem man derzeit mit einem Schnitt von 6.608 in etwa so weit entfernt ist, wie Rapid von einer Champions-League-Qualifikation), wurde bei der Bundesligareform der ehemals solide Unterbau der Liga geopfert. Durch eine inverse Robin-Hood-Mentalität wurden die Reichen noch reicher gemacht und die Armen noch ärmer gemacht. Kennt man auch von diversen Beschlüssen der aktuellen Bundesregierung und ist ein allgemeiner Trend quer durch alle Nationen und Bereiche.
In Zukunft wird es für einen Zweitligisten in 99 von 100 Fällen unmöglich sein, einen talentierten Eigenbauspieler länger als eine Saison zu halten, weil das finanzielle Gefälle (auch hinsichtlich Gehälter) gegenüber der Bundesliga einfach zu groß ist. Musste man früher als Ried oder Lustenau hauptsächlich nur Angst haben, Talente an die Austria, Rapid oder Salzburg zu verlieren, so besitzen in Zukunft auch „kleinere“ Vereine wie Hartberg oder Mattersburg das Potential, die zweite Liga nach den besten Spielern abzugrasen.
Über kurz oder lang werden in der 2. Liga auch keine Stars mehr spielen – erstens weil durch die 12er-Liga nun 50 Spieler mehr in der Bundesliga agieren und zweitens weil diese finanziell für 90% der Vereine nicht leistbar sein werden.
Daher prophezeie ich ebenfalls, dass in Zukunft kein Aufsteiger mehr direkt im oberen Playoff der Bundesliga mitspielen wird, weil der Kader aufgrund des Gefälles zwischen beiden Ligen mindestens um 50% erneuert werden muss. Vorbei die Zeiten, in den u.a. Ried (4.), Grödig (3.) oder Altach (3.) als Aufsteiger direkt in den Europacup kamen. Einen ersten Vorgeschmack auf den Klassenunterschied bekam man in der 2. Runde des ÖFB-Cups, als die Zweitligaspitzenmannschaft aus Wattens beim damals noch-nicht-erstarkten TSV Hartberg sang- und klanglos 0:3 unterging.
Andererseits wird der heurige Absteiger aus der tipico Bundesliga kommende Saison massive Probleme bekommen – man denke an die vorher genannten Fernsehgelder zurück, ein Verein wie Hartberg oder Mattersburg müsste wohl den gesamten Kader austauschen und/oder halbieren um den finanziellen Rückschritt auffangen zu können. Sollte es ein Überraschungsteam wie etwa Altach „erwischen“, dann könnten die Konsequenzen sogar noch dramatischer ausfallen. Der Betrag, welcher von Bundesliga an einen Absteiger ausbezahlt wird, wird diese Situation auch nicht vollends auffedern bzw. entschärfen können.
Mein persönliches Resümee
Persönlich war ich in dieser Saison bei jeder SVR-Heimpartie sowie in Steyr und Amstetten live dabei. Mein persönliches TV-Interesse an der zweithöchsten Spielklasse hat allerdings einen historischen Tiefstand erreicht, abgesehen von KSV-Ried habe ich mir bisher nur eineinhalb andere Spiele (Wattens – BW Linz am ORF sowie Steyr – Neustadt bei Laola1) im TV bzw. Internet angeschaut.
Der Anreiz, mir beispielsweise Wacker II gegen Lafnitz in einem Webstream mit antiquierter Qualität anzusehen, ist in etwa so groß wie mir meine Fingernägel einzeln herauszureißen. Im Gegensatz dazu habe ich während der letzten Jahre kaum eine EL-Konferenz bei sky verpasst (auch als die SVR noch erstklassig war). Ich behaupte, es wird nicht nur mir so gehen.
Bereits vor der Ligareform habe ich mit einigen Personen gewettet, dass es die 2. Liga in der aktuellen Form (16 Teams, Amateurmannschaften, Zweitteams) maximal zwei Jahre lang geben wird, bevor man die nächste Reform einleiten muss. Bei dieser Ansicht bleibe ich auch weiterhin. Die 2. Liga ist für Teams mit großen Zielen eine Art dauerhafter Limbus, aus dem man nur erwachen kann, falls der Aufstieg in die Bundesliga gelingt. Früher war sicher nicht alles besser, aber im Bezug auf die zweite Liga trifft dieses Sprichwort für mein Empfinden leider voll und ganz zu.
Titelbild: (c) Philipp Karesch 2011
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