Anatomie eines Nichtaufstiegs
Seit gestern 21:18 steht es endgültig fest. Die SV Ried hat den Aufstieg aus der sky Go Erste Liga in der Saison 2017/2018 völlig verdientermaßen nicht geschafft und bleibt weiterhin zweitklassig.
Wacker Innsbruck ist seiner Favoritenrolle (bei meinem ASB-Tipp im Juli hatte ich die Tiroler auf Platz 1 gesehen) nach einem Stotterstart gerecht geworden. Karl Daxbacher ist (nach dem LASK und St. Pölten) zum insgesamt dritten Mal in dieser Liga als Meister aufgestiegen. Nach einem durchwachsenen Herbst dominierten die Innsbrucker ihre Gegner im Frühjahr nach Belieben und konnten den Meistertitel bereits in der 34. Runde fixieren – pikanterweise gegen den vermeintlich größten Gegner aus Ried.
Der zweite Aufsteiger entscheidet sich am kommenden Montag. Hartberg (der sportliche Tabellenzweite) hat eindrucksvoll bewiesen, was man mit einem eingespielten Kollektiv mit viel Herz und Leidenschaft, gecoacht von einem aufstrebenden jungen Trainer alles erreichen kann. In Sachen Zuschauerinteresse und Infrastruktur wird Hartberg jedoch ein Sorgenkind bleiben – der nur fünftbeste Zuschauerschnitt (mit knapp über 1000 Zuschauern) und der Ausblick auf eine halbe Saison im 75 km entfernten Graz erzeugen wohl schon jetzt Sorgenfalten in den Gesichtern der Bundesligaverantwortlichen. Nebenbei bemerkt war Hartberg (neben Kapfenberg) die einzige Mannschaft, die in beiden Auswärtsspielen in Ried kumuliert keinen einzigen Zuschauer zur Präsenz im Fansektor bewegen konnte. Nicht einmal bei Wattens, Floridsdorf oder Liefering (!) war dies der Fall.
Wiener Neustadt (die aufsteigen, wenn Hartberg die Lizenz auch im dritten und letzten Anlauf nicht bekommt – ansonsten Relegation gegen St. Pölten spielen) hat mit der Verpflichtung von Hamdi Salihi im Sommer den perfekten Schritt gesetzt. Selbst als 34-jähriger wurde der ehemalige Ried-Goalgetter scheinbar mühelos Torschützenkönig in dieser Liga. Form is temporary, class is permanent – wie das englische Sprichwort so schön sagt. Auf seine Klasse hat in Ried freiwillig verpflichtet, denn der Albaner wäre dem Vernehmen zufolge an einer Rückkehr nach Ried interessiert gewesen. Allgemein verlief die Saison der Niederösterreicher in sehr unterschiedlichen Phasen – nach einem Wunderstart drohten die Neustädter im Spätherbst abzurutschen, kratzten aber immer wieder zum richtigen Zeitpunkt die Kurve und stehen nun verdienterweise in der Relegation und müssen sich im niederösterreichischen Duell mit St. Pölten beweisen.
Nach dieser kurzen Retrospektive rund um die Aufsteiger fokussiere ich mich in meinem Blogeintrag auf verschiedenste Faktoren, wieso die SV Ried meiner Meinung nach das oftmals deutlich und vehement formulierte Ziel (kläglich) verpasst hat. An dieser Stelle gleich noch eine tl;dr-Warnung: insgesamt umfasst dieser Artikel knapp 4900 Wörter.
Kapitel 1) Warum man den Aufstieg verpasst hat
Man kann Fehler machen (und jeder macht Fehler), aber die Anzahl an Fehlern, welche in dieser Saison wieder und wieder begangen wurden, waren schlicht und einfach zu viele.
1.1) Was Wacker Innsbruck besser gemacht hat
Wie schon mehrmals in meinen Blogs erwähnt, war es stets eine Tugend der Rieder Vereinsführung, die Spielphilosophie an den vorhandenen Kader bzw. die erhältlichen Spieler anzupassen. Nur um ein Beispiel zu nennen, unter Paul Gludovatz wurde mit dem kompakten 3-3-3-1 selten ein Offensiv-Furioso abgefeuert, aber die Ergebnisse sprachen zumeist für sich. Ich wage zu behaupten, dass im bodenständigen Innviertel die meisten Zuschauer dann zufrieden sind, wenn sie mit dem Gefühl des Sieges aus dem Stadion gehen können. Ob das Gezeigte am Feld übermäßig attraktiv war oder nicht, ist kurz darauf vergessen. Denn die Spielweise einer Mannschaft kann noch so attraktiv sein, aber wenn unter dem Strich keine Punkte herauskommen, dann hat diese Mannschaft versagt. Fußball ist ein Ergebnissport. Für diese Aussage zahle ich auch gerne fünf Euro in ein Phrasenschwein.
Doch heuer änderte sich die Herangehensweise an die Spielphilosophie drastisch. Die Spieler wurden zumeist in ein starres 4-4-2-Korsett gesteckt, auch wenn essentielle Schlüsselspieler fehlten oder eine Unform mit sich herumschleppten. Auch nach der sieglosen Serie im Frühjahr hielt man es in der sportlichen Führung nicht für notwendig, etwas am Spielprinzip oder der Spielphilosophie zu ändern. Man könnte dies als Überheblichkeit bezeichnen, weil man die Klasse von Individualisten über die Stärke eines eingespielten Kollektivs (wie etwa bei Hartberg) stellte.
Wacker wurde (auch) deswegen Meister, weil man mit Karl Daxbacher einen erfahrenen und abgebrühten Trainer-Sir auf der Bank hatte, dessen bevorzugtes Spielprinzip eigentlich auf Ballbesitz beruht. Doch nach einem mäßigen Start in die Saison (u.a. mit klaren Niederlagen in Hartberg und Ried) sah Daxbacher rasch von seinem normalen Spielprinzip ab. Er adaptierte seine Taktik passte seine Mannschaft trotz der eigenen Favoritenrolle in 90% aller Spielen an die jeweiligen Gegner an. In einem Interview mit Sky Sport Austria erklärte er dies folgendermaßen:
Ich würde schon sagen, wir haben uns so richtig adaptiert an die Liga. Wir haben nach fünf, sechs Runden im Herbst unseren Spielstil geändert. Wir haben mehr auf Konter gespielt, haben die anderen Mannschaften mehr heraus gelockt. (…) Das war dann letztendlich die richtige Entscheidung.”
1.2) Was Hartberg besser gemacht hat
Auf Hartberg trifft das Merkmal der Anpassungsfähigkeit an den Gegner ebenso zu. Besonders bemerkenswert war für mich ein Interview mit Christian Ilzer, welches vor dem Auswärtsspiel in Ried mit dem ORF geführt wurde. Dabei wurde er von Dennis Bankowsky gefragt, worauf er seine Umstellungen begründet, warum der dribbelstarke Flügelspieler Kröpfl nur auf der Bank sitzen würde. Dabei gab Ilzer zu Buche, dass man mit Christian Ilic die Zentrale verstärkt um ein Übergewicht im Mittelfeld zu schaffen und gleichzeitig an Kopfballstärke bei Standards gewinnen würde.
Nicht nur, dass ein Kopfball von Ilic nach vier Minuten an die Latte landete – mit diesem recht logischen Rezept wurden Grgic und Wießmeier im 4-4-2 der Rieder quasi permanent ausgeschalten, was zur Folge hatte, dass Chabbi und Fröschl stets in der Luft hingen und sich die Bälle zumeist selber holen wollten/mussten. Dies wiederum hatte die Konsequenz, dass beide dann auch öfters selber in der Sturmspitze fehlten und das Rieder Offensivspiel auseinander brach.
1.3) Ried war zu oft leicht berechenbar
Ein weiteres Beispiel dafür, wie berechenbar die SVR heuer zumeist agierte, waren die Spiele im Frühjahr gegen BW Linz und den FAC. Beim glücklichen 4-2 Sieg in Floridsdorf brachten die Wiener die SVR-Defensive mit einem einzigen Kniff laufend in Bedrängnis: hohe Bälle auf Lubega in die Schnittstelle der Innenverteidigung. Wäre Edrisa Lubega ein Stürmer mit Abschlussqualität, hätte er in dieser Partie wohl vier bis fünf Tore erzielen können, da er die Langsamkeit von Haring und Reifeltshammer wiederholt schamlos aufdecken konnte. Für eine ähnliche Schwimmstunde in Sachen Defensivarbeit sorgten die schnellen Koita und Lüchinger dank eines ähnlichen Prinzips beim 2-2 im zweiten OÖ-Derby bei BW Linz.
1.4) Im Rieder Spielplan gab es keinen Plan B
Dies bringt mich gleich zu meinem nächsten Kritikpunkt: der SVR fehlte die gesamte Saison über ein Plan B. In elf Spielen dieser Saison (30%) geriet man in Rückstand. Die Bilanz aus diesen Spielen? Lediglich ein Sieg (gegen den FAC), ein Unentschieden (gegen Wacker) und acht Niederlagen. Noch schlimmer ist jedoch die Statistik, wenn man mit 0:1 in Rückstand geriet. Hier holte man in acht Fällen nur einen einzigen Punkt.
Runde | Gegner | Zwischenstand | Endstand | Punkte |
1 | Wiener Neustadt | 0:1 | 0:1 | 0 |
3 | FAC | 1:2 | 3:2 | 3 |
4 | Liefering | 0:1 | 0:4 | 0 |
9 | Kapfenberg | 1:2 | 1:2 | 0 |
15 | Innsbruck | 0:1 | 1:1 | 1 |
16 | Hartberg | 0:1 | 2:3 | 0 |
24 | Wacker | 1:2 | 1:3 | 0 |
25 | Hartberg | 0:1 | 0:1 | 0 |
28 | Wiener Neustadt | 0:1 | 0:1 | 0 |
33 | Wacker | 0:1 | 1:3 | 0 |
34 | Hartberg | 0:1 | 0:1 | 0 |
Selten bis gar nie wurde bei Rückstand eine spieltaktische Anpassung durchgeführt, echte Impulse von außen fanden kaum statt. In dem alles-oder-nichts-Spiel gegen Hartberg wurde nach 72 Minuten Prosenik für Fröschl eingewechselt. Positionsgetreue Wechsel wie dieser dominierten die gesamte Saison, egal ob unter Lassaad Chabbi oder den Interimstrainern Franz Schiemer und Thomas Weissenböck. Der Mut zum vollen Risiko wurde zu keinem Zeitpunkt gezeigt.
1.5) Anfälligkeit in der Schlussphase
Die Schlussphase des 35. Spieltags war stellvertretend für die gesamte Saison der sky Go Erste Liga. Wiener Neustadt erzielte einmal mehr in den letzten Minuten eines Spiels den Siegtreffer durch einen Stürmerroutinier. Die SVR ging mit 1-0 in Führung, kassierte aber in der Nachspielzeit (mal wieder) den Ausgleich aus einer Standardsituation (mal wieder). Weder das eine noch das andere war für mich ein Zufall.
In der Schlussviertelstunde kassierte man gleich 15 Gegentore und damit so viele wie in der gesamten ersten Halbzeit zusammen. Besonders bitter in Erinnerung: das 1-1 in Linz, beide Tore beim 2-2 in Hartberg, das 1-2 in Kapfenberg, das 2-2 gegen Wiener Neustadt, das 0-1 in Wiener Neustadt sowie das 1-1 in Wattens. Insgesamt wurden in der Schlussviertelstunde 11 Punkte verschenkt, jedoch nur 1 Punkt gewonnen (beim späten 1-1 in Innsbruck).
Noch schlimmer ist die Statistik, wenn man Punkteverluste nach Führungen den Punktegewinnen nach Rückstand gegenüberstellt.
Runde | Gegner | Zwischenstand | Endstand | Punkte | Gegentore |
5 | BW Linz | 1:0 | 1:1 | 2 | 83. Minute |
7 | Hartberg | 2:0 | 2:2 | 2 | 78., 90. |
9 | Kapfenberg | 1:0 | 1:2 | 3 | 44., 80. |
19 | Wiener Neustadt | 2:0 | 2:2 | 2 | 36., 91. |
21 | FAC | 1:0 | 1:1 | 2 | 60. |
22 | Liefering | 1:0 | 1:1 | 2 | 27. |
23 | BW Linz | 1:0 / 2:1 | 2:2 | 2 | 15., 64. |
35 | Wattens | 1:0 | 1:1 | 2 | 91. |
Auf der Soll-Seite stehen hier unfassbare 17 Punkte. Auf der Haben-Seite? Nur vier Punkte (beim erwähnten 1-1 bei Wacker sowie beim 3-2 gegen den FAC im Sommer). Ergibt ein Minus von 13 Punkten.
In vielen dieser Spielen konnte man nach dem Ausgleich (oder gar Rückstand) nicht mehr zusetzen. Neben dem fehlenden Plan B hat für mich auch der spieltaktisch bedingte Kräfteverschleiß bei vielen ernüchternden Ergebnissen eine Rolle gespielt.
Denn der unter Sportdirektor Schiemer angestrebte RB-Fußball zeichnet sich durch ein massives Offensivpressing aus und ist daher auch übermäßig kräfteraubend. Genau dies wurde der SVR in der heurigen Saison in der Schlussphase scheinbar laufend zum Verhängnis, obwohl man mit Tamasz Tiefenbach zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte über einen hauptberuflichen Konditionstrainer verfügte.
1.6) Anfälligkeit bei Ecken und Freistößen
Ebenfalls frappant war die Anfälligkeit bei Standardsituationen. Hier fallen mir spontan die Spiele gegen Wiener Neustadt und Hartberg ein, in denen vielen Punkte durch gegnerische Eckbälle und Freistöße verloren gingen. Und zuletzt der Ausgleich von Wattens nach 91 Minuten durch einen Freistoß. In einer Raumdeckung deckt man den Raum. Diese Aussage nahmen die Rieder Verteidiger oft zu wörtlich. Ein gutes Beispiel hierfür der bereits erwähnte Lattenkopfball von Ilic (Hartberg), der nach einer Ecke völlig unbedrängt im Fünfmeterraum zum Kopfball kam. So eine Szene sieht man sonst nicht einmal in der 2. Klasse West.
1.7) Mit 41 Gegentoren in 36 Spielen gewinnt man keinen Blumentopf
Die ständige Rotation in der Innenverteidigung zu Beginn des Frühjahres mit vier Paarungen in ebenso vielen Spielen (Haring – Reiner; Haring – Boateng; Boateng – Reifeltshammer, Haring – Reifeltshammer) verunsicherte die gesamte Defensive. Dieser Fehler der permanenten Rotation setzte sich auch unter Schiemer und Weissenböck fort.
Anstatt auf die einigermaßen solide Paarung aus dem Herbst (Haring – Boateng) zu setzen, forcierte etwa Weissenböck mit Reifeltshammer den ehemaligen Abwehrchef der SVR und machte diesen wieder zum Fixposten. In der entscheidenden Phase der Saison agierte das Urgestein gegen Wacker und Hartberg leider alles andere als souverän und musste gegen Wattens aus Sicherheitsgründen sogar ausgewechselt werden.
Von allen vier Aufstiegskandidaten kassierte die SV Ried die meisten Gegentore. Auch hier gibt es einen Spruch, der wieder einmal seine Gültigkeit beweist: offense wins games, defense wins championships. Und so erscheint es irgendwie logisch, dass die beste Defensive auf Platz 1 steht, die zweitbeste Defensive auf Platz 2 und die drittbeste Defensive auf Platz 3.
Niemand aus dem Trio Haring, Boateng und Reifeltshammer ragte über die Saison gesehen wirklich heraus oder erlaubte sich weniger Fehler als ein anderer. Ein unumstrittener Abwehrchef fehlte augenscheinlich. Ronny Marcos spreche ich nach seinen Leistungen im Frühjahr jegliche Tauglichkeit für eine Profimannschaft ab, neben seinen beiden Ausschlüssen gegen Kapfenberg und den FAC verschuldete er u.a. auch den Ausgleich in Linz und sorgte mit vielen konfusen Aktionen laufend für Kopfschütteln unter den Fans. Nicht umsonst hatte er kurz vor Saisonende seinen Platz gegenüber Christian Schilling verloren und rutschte nur dank dessen Verletzung wieder in die Startelf. In der Offensive fand er quasi nicht statt: ein Assist (bei 61 Toren) ist für einen Außenverteidiger in einem 4-4-2 System nicht akzeptabel. Sein Pendant auf der rechten Abwehrseite, Manuel Kerhe, war wohl der stabilste Defensivmann im Verbund, jedoch ohne wirklich zu glänzen.
1.8) Das Toreschießen wurde verlernt
Doch nicht nur die Defensive sorgte (vor allem im Frühjahr) für viel Kopfzerbrechen. Auch die Offensive schien bei warmen Temperaturen zunehmend ihr gelerntes Handwerk zu vergessen. So besagt eine weitere deprimierende Statistik zum Frühjahr, dass (wenn man jetzt das 7-1 gegen Kapfenberg ausnimmt) nur BW Linz (13) und der FAC (15) zwischen Februar und Mai weniger Tore als die SVR (17) erzielten. Im Herbst war die SV Ried (44) noch jene Mannschaft, welche die meisten Tore erzielen konnte (+5 auf Liefering, +11 auf Neustadt, +13 auf Wacker). Ilkay Durmus konnte an seine Form aus dem Herbst nicht annährend anknüpfen, Clemens Walch war wieder einmal Clemens Walch (= meistens verletzt oder krank) und auf die Verschwendung von Julian Wießmeier komme ich später zu sprechen. Auch Chabbi und Fröschl konnten an ihre Torquote aus dem Herbst nicht annähernd anknüpfen.
1.9) In direkten Duellen wurde stets versagt
Generell funktionierte (das ist ein Trend meiner Analyse) im Frühjahr fast gar nichts mehr. Vor allem das Versagen in den direkten Duellen mit den Aufstiegskonkurrenten verursachte das Abrutschen in der Tabelle. Im Herbst konnte die Mannschaft aus sieben Duellen mit den direkten Gegnern (Wacker Innsbruck, Hartberg und Wiener Neustadt) noch akzeptable neun Punkte holen und belegte damit in einer Mini-Tabelle sogar den ersten Tabellenplatz. Außerdem erzielte man im Schnitt zwei Tore pro direktem Duell.
HERBST 2017 | SP | S | U | N | TV | P | |
1. | Ried | 7 | 2 | 3 | 2 | 14:10 | 9 |
2. | Neustadt | 6 | 3 | 0 | 3 | 3:7 | 9 |
3. | Hartberg | 6 | 2 | 2 | 2 | 8:7 | 8 |
4. | Wacker | 6 | 2 | 2 | 2 | 7:8 | 8 |
Doch wenn man selbige Mini-Tabelle aus den Spielen im Frühjahr erstellt, so ergibt sich ein Bild des Grauens. In fünf Spielen setzte es ebenso viele Niederlagen. Dazu waren die zwei geschossenen Tore (jeweils gegen Wacker) ein weiterer Faktor, wieso man einfach keine Spiele für sich entscheiden konnte.
FRÜHJAHR 2018
|
SP | S | U | N | TV | P | |
1. | Wacker | 6 | 4 | 1 | 1 | 10:3 | 13 |
2. | Hartberg | 6 | 3 | 2 | 1 | 5:4 | 11 |
3. | Neustadt | 6 | 2 | 2 | 2 | 6:8 | 8 |
4. | Ried | 5 | 0 | 0 | 5 | 2:9 | 0 |
Das Gesamtbild (wenn man Herbst und Frühjahr zusammenrechnet) ist desaströs. Aus den insgesamt zwölf Duellen mit diesen Gegnern konnte man lediglich zwei gewinnen und verlor gleich vier von sechs Spielen vor eigenem Publikum.
GESAMT | SP | S | U | N | TV | P | |
1. | Wacker | 12 | 6 | 3 | 3 | 17:11 | 21 |
2. | Hartberg | 12 | 5 | 4 | 3 | 13:11 | 19 |
3. | Neustadt | 12 | 5 | 2 | 5 | 09:15 | 17 |
4. | Ried | 12 | 2 | 3 | 7 | 16:19 | 9 |
Da die Punkte aus solchen Duellen bekannterweise doppelt zählen, kann dies als zentraler Aspekt im Versagen der Mannschaft stilisiert werden. Klar war manchmal auch Pech mit Schiedsrichterentscheidungen dabei (der nicht gegebene Elfer an Kerhe in Hartberg ist für mich weiterhin der klarste Elfer aller Zeiten, der nicht gegeben wurde).
Im Endeffekt war jedoch eine Mischung aus den bereits genannten Faktoren (Anpassungsfähigkeit bzw. Plan B) ausschlaggebend, welche mit teilweise apathischer Abschlussschwäche und fehlendem Killerinstinkt angereichert wurde. Denn sowohl auswärts und daheim gegen Hartberg als auch in Wiener Neustadt hätten Chabbi, Durmus oder Wießmeier die Spiele jeweils bereits frühzeitig entscheiden oder zumindest positiv beeinflussen können.
Nebenbei bemerkt war die Steiermark kein guter Boden für die SV Ried, aus den vier Ausflügen in die Ost- bzw. Obersteiermark konnte man nur einen von zwölf möglichen Punkten holen, in zwei der vier Spielen blieb man sogar ohne Tor. Abgesehen von Hartberg und Kapfenberg kann man mit der Punkteausbeute gegen die „Kleinen“ einigermaßen zufrieden sein – dies ist gewissermaßen ein Hauptgrund, wieso man knapp vor Saisonende überhaupt noch im Aufstiegs- bzw. Relegationsrennen war.
Die nachfolgende Statistik zeigt überblicksmäßig die Punkteausbeute gegen jeden Gegner an, sowie den eigenen Punkteschnitt und im Vergleich dazu den Punkteschnitt des Gegners gegen alle anderen Gegner (* Stand nach 35 Runden).
Die Ausbeute in den Derbys hätte man vor der Saison wahrscheinlich unterschrieben, ebenfalls die Ergebnisse gegen Wattens, FAC und dem anderen selbsternannten Aufstiegsfavoriten aus Lustenau. Aber gleichzeitig kann man ableiten, dass man neben den „Top3“ wie bereits erwähnt auch gegen Kapfenberg überdurchschnittlich schlecht abschnitt.
1.10) Im Winter hat man alles falsch gemacht
Egal welche Spielanlage man im Winter weiterentwickeln wollte – dieser Schuss ist nach hinten losgegangen. Anstatt sich auf Automatismen (wie etwa auf Defensivverhalten oder Standardsituationen) zu fokussieren, wollte man etwas am Spielkonzept verändern, das eigentlich ganz passabel funktionierte – immerhin überwinterte man an der Tabellenspitze.
Ich habe bereits mehrmals erwähnt, dass mit Julian Wießmeier ein potentieller Spieler des Jahres gnadenlos verschenkt bzw. verheizt wurde. Als klassischer 10er nach Ried gekommen, musste er zumeist als zentraler Mittelfeldspieler oder rechter Flügelspieler im 4-4-2 agieren. Als ZM ist er jedoch zu wenig robust, als RM zu langsam. Eingesetzt wurde er dennoch auf beiden Positionen.
Mit Marko Stankovic durfte ein Routinier den Verein im Winter zum FC Pune nach Indien verlassen, der im Frühjahr mit seiner Erfahrung und seinen Standards schmerzlich vermisst wurde. Die Eckbälle von Kerhe (gefühlte 34 gegen Wacker, gefühlte 18 gegen Hartberg) waren an Harmlosigkeit kaum zu überbieten. Und aus Standardsituationen aus dem Spiel ging sowieso gar nichts mehr. Entweder wollte Stankovic unbedingt weg, oder man war sich des Aufstiegs schon zu sicher und ließ ihn deswegen ziehen. Rückwirkend gesehen war er trotz seiner altersbedingten Behäbigkeit trotzdem immer zumindest für 50-60 Minuten ein ideenreicher Offensivfaktor im Team der SVR.
Gabriel Lüchinger wurde nach Linz verliehen, wo er in den ersten vier Spielen fünf Tore erzielen konnte. Warum der quirlige Schweizer mit dem starken Distanzschuss unter Chabbi überhaupt keine Chance bekam, war/ist für den Beobachter von außen nicht wirklich erkennbar. Bei jedem Testspiel gehörte er zu den Aktivposten im Spiel der Rieder. Klarerweise hatte er mit Ilkay Durmus einen der (zumindest im Herbst) beständigsten Gegenspieler – dennoch wurde sein Talent auf der Tribüne oder in der OÖ Liga verschenkt.
Auf die Neuzugänge im Winter will ich nur mehr mehr wenigen Worten eingehen: Prosenik war ein epochaler Flop, Reiner nach seinem Fehler im Spiel gegen den FAC fast ausnahmslos bei den Amateuren in der 4. Liga im Einsatz und Flavio sitzt passbedingt noch immer auf seiner Heimatinsel fest. Anstatt die Mannschaft punktuell zu verstärken, wurde das Spielgefüge mit den Wintertransfers tendenziell sogar geschwächt. Und auch die Comebacks von Reifeltshammer und Ziegl verliefen enorm kontraproduktiv. Beide sind nach ihren langwierigen Verletzungen noch nicht annäherend dort, wo sie vor wenigen Jahren einmal waren.
1.11) Der ÖFB Cup war eine Ablenkung und kein Bonus
Das Weiterkommen im ÖFB-Cup und die Vorfreude auf das Viertelfinalduell mit Rapid wurde offensichtlich zum mentalen Problem für die Mannschaft. Allen Unkenrufen zum Trotz wurde der FAC in der ersten Runde im Frühjahr unterschätzt, ein behäbiges 1-1 gegen den Tabellenletzten die Folge. Gegen eine Mannschaft, die im Frühjahr lange Zeit bei diesem einen erzielten Tor bleiben würde. Was dieses Ergebnis für mich noch schlimmer gestaltete, war, dass kein Hehl daraus gemacht wurde, dass „die Gedanken der Spieler schon bei Rapid waren“ – somit nicht einmal versucht wurde, eine Ausrede zu finden.
Abgesehen davon litt man auch an einem Post-Cup-Kopfweh: Nach dem 4-0 beim Wiener Sport Club setzte es ein 0-1 gegen Wiener Neustadt, nach dem 4-1 gegen den LASK ein 2-3 gegen Hartberg und nach dem 1-2 in Hütteldorf (immerhin) in 1-1 in Liefering.
Kapitel 2) Ein kurzer Ausblick in die Zukunft
Einer aus St. Pölten, Hartberg und Wiener Neustadt muss kommende Saison in der 2. Liga spielen. Man wird man sechs Derbys (gegen BW Linz, Vorwärts Steyr und die OÖ Juniors) austragen können. Dazu verzerren neben den OÖ Juniors mit Liefering, Wacker und Austria drei weitere Amateurteams die Liga. Aus dem Süden des Landes bekommt man es neben Kapfenberg nun auch mit Lafnitz und Austria Klagenfurt zu tun. Aus dem Osten hat Horn den sofortigen Wiederaufstieg geschafft, dazu kommt mit Amstetten ein weiterer Verein aus Niederösterreich sowie der FAC aus Wien. Ergänzt wird die Liga westwärts durch Wattens und Austria Lustenau.
Hier eine kleine Übersicht auf die Gegner der 30 Spiele in der kommenden Saison:
Oberösterreich | Niederösterreich | Steiermark | Tirol |
SV Ried | SV Horn | Kapfenberger SV | WSG Wattens |
BW Linz | SKU Amstetten | SV Lafnitz | Wacker Amateure |
Vorwärts Steyr | (Wiener Neustadt / St. Pölten) | (Hartberg) | |
OÖ Juniors | |||
Wien | Vorarlberg | Salzburg | Kärnten |
FAC | Austria Lustenau | FC Liefering | Austria Klagenfurt |
Austria Wien Amateure |
2.1) Wie schaut’s eigentlich mit dem Nachwuchs aus?
Bevor ich mich der Vereinsführung und den Spielern der Profimannschaft widme, noch ein kleiner Sidestep zu den Amateuren und der Akademie. Beim letzten Aufstieg aus der Bundesliga waren mit Schiemer, Lasnik und Sulimani gleich drei Nachwuchskicker regelmäßig im Einsatz. Doch seit Patrick Möschl im Jahre 2013 zum Stammspieler avancierte, schaffte es kein Spieler aus dem eigenen Nachwuchs mehr, zu einer Stammkraft im Profiteam zu werden. Mehrfache Umstrukturierungen und Trainerwechsel verbesserten diese (in dem Fall langjährige) Situation nicht. Aufgrund der intensiven Tätigkeiten von RB Salzburg und mittlerweile auch dem LASK ist es natürlich auch immer schwieriger, wirklich talentierte und gleichzeitig hungrige Nachwuchskicker für das kleine Ried gewinnen zu können.
Wie auch immer – in der aktuellen Saison spielten Stefano Surdanovic und Arne Ammerer (bis zum gestrigen Spiel) im Frühjahr keine Rolle mehr, nachdem sie im Herbst von Chabbi zumindest ab und zu ins Spiel gebracht wurden. Dies kommt nicht von ungefähr. Die Ried Amateure liegen derzeit auf dem viertletzten Platz der OÖ Liga und kämpfen zwei Spieltage vor Saisonende noch immer gegen den Abstieg, was den Rückfall in die sportliche Bedeutungslosigkeit zur Folge hätte. Das Leistungsgefälle zwischen diesen beiden Ligen ist einfach zu groß.
Nur zum Vergleich – die Amateure von Wacker Innsbruck, Austria Wien und auch vom LASK (als Mogelpackung „OÖ Juniors“ analog zu Liefering) spielen kommende Saison in der zweithöchsten Spielklasse, was eine viel bessere Annäherung an die Profimannschaft und eine gesteigerte sportliche Wettbewerbsfähigkeit als Konsequenz mit sich ziehen wird.
Die AKA U18 liegt derzeit im Tabellenmittelfeld, die AKA U16 im hinteren Drittel, die AKA U15 ist abgeschlagen Letzter.
Kapitel 3) Wer trägt die Schuld am Nichtaufstieg?
Geld schießt keine Tore. Dieses Zitat wurde früher immer wieder gerne verwendet, wenn die großen Mannschaften aus Hütteldorf, Favoriten oder Graz in das beschauliche Innviertel kamen und mit einer Niederlage heimgeschickt wurden. Nun erfährt man am eigenen Leib, dass dieses Zitat noch immer Gültigkeit besitzt.
Trotz „Top-Budget“, „Top-Infrastruktur“ (Stadion, Trainingszentrum), „Top-Fansupport“ und (vermeintlichem) „Top-Kader“ belegt man in der Endabrechnung eben nur diesen unrühmlichen 4. Platz. Eine kurze Chronologie der letzten eineinhalb Jahre:
7. Februar 2017: Langzeitmanager Stefan Reiter wird von der Vereinsführung der SV Ried (rund um Finanzvorstand Roland Daxl) beurlaubt. Grund für die Trennung sei, dass man „mit Reiter nicht zufrieden sei“. Kurz darauf wird Franz Schiemer als neuer Sportdirektor vorgestellt und als mittelfristiges Ziel wird (in akuter Abstiegsbedrohung) die Rückkehr in den Europacup ausgegeben.
28. Mai 2017: Nach einem Katastrophenfrühjahr mit nur 15 Punkten aus 18 Spielen steigt man zum zweiten Mal nach 2003 aus der höchsten Spielklasse ab. Der Wiederaufstieg wird als klares Ziel ausgegeben, man sei Topfavorit, so die Devise vor Saisonbeginn und auch noch in der Winterpause.
25. Mai 2018: Der sofortige Wiederaufstieg wird kläglich verpasst. In einem Jahr, in dem es mit 2.5 Aufstiegsplätzen (dank Relegation) so viele wie nie zuvor gibt, beendet man die Saison nur auf dem 4. Tabellenplatz, unter anderem hinter dem steirischen Underdog aus Hartberg, der vielleicht ein Drittel des Rieder Budgets zur Verfügung hatte.
Die bittere Realität lautet nun Lafnitz statt Leverkusen, Amstetten statt Atalanta und Horn statt Hibernian.
3.1) Die Vereinsführung hat versagt
Eigentlich muss dies nach dem letzten Absatz nicht mehr extra erwähnt werden.
Es bleibt abzuwarten, ob diese kommende Saison noch mit Roland Daxl (der seinen Rückzug bei Nichtaufstieg angekündigt hatte und nach den Spielen gegen Hartberg und Kapfenberg von der Westtribüne schwer angefeindet wurde) und Franz Schiemer stattfinden wird. Beide Herren sind seit 15 Monaten für die Geschicke eines ehemals sportlich soliden Vereins verantwortlich und haben diesen in eine permanente Abwärtsspirale geführt. Beachtlich für das CV: 2017: Abstieg aus der Bundesliga. 2018: Nichtaufstieg in die Bundesliga.
„Ich muss aber ganz offen sagen, dass ich den Verein im Falle eines Nichtaufstiegs wohl übergeben würde.“
Roland Daxl am 23. Februar im Interview mit den OON
Ich hoffe stark, dass Daxl sein Wort hält. Eigentlich müssten beide Personen die Konsequenz aus ihrem Versagen ziehen und von ihren jeweiligen Posten zurücktreten. Daxl hat Stefan Reiter (der übrigens noch nie abgestiegen ist, jedoch zweimal aufstieg und zweimal Cupsieger wurde) wie vorher erwähnt knapp vor dem Beginn der Frühjahrsaison 2017 rausgeworfen und damit einen ganzen Verein destabilisiert. Mit Franz Schiemer wurde ein Novize installiert, der Fußball bisher nur als aktiver Spieler sowie als Co-Trainer bei einem Verein miterlebt hatte, in dem es eigentlich um nichts geht. Der Zeitpunkt war so katastrophal schlecht, dass Schiemer auch keine Transferperiode zur Kaderverstärkung zur Verfügung hatte.
Entlarvend auch das Interview von Daxl mit den OON:
OON: Im Frühjahr 2017 hat sich der Klub von Langzeit-Manager Stefan Reiter getrennt und mit Franz Schiemer einen „Rookie“ engagiert. War das richtig?
Daxl: Das war nicht allein meine Entscheidung, sondern die des Präsidiums. Und die war nicht einfach.
Hier schafft er mit einem Satz, dass Schiemer wie ein Fehler klingt und die Entscheidung in Wahrheit sowieso die anderen getroffen haben. Der Fisch fängt jedoch immer am Kopf zu stinken an und Daxl hat sich im Februar 2017 ganz klar als Kopf dieses Vereins positioniert und deklariert.
Wenigstens hat Franz Schiemer gestern Eier gezeigt, seinen Kopf hingehalten und sich für das Scheitern als Hauptverantwortlicher hingestellt. Im Gegensatz dazu folgte ein weiteres Kapitel aus dem Buch der Selbstgefälligkeit von Daxl. Aus dem gestrigen Interview mit Sky Sport Austria:
Es wissen sehr viele Rieder Urgesteine, die den Verein schon 30, 40 Jahre begleiten, sehr wohl, was der Vorstand hier leistet und welches Herzblut und welche Energie wir hier reinstecken. […] Bin sehr stolz darauf und freue mich auch, dass die echten Protagonisten der SV Ried nach wie vor zu uns stehen!”
Ich kenne viele Menschen, die den Verein seit 20 oder 30 oder 40 oder 50 Jahren begleiten (bei mir selber sind es auch bereits 29 Jahre) und mit nur einem Satz diskreditiert Daxl alle Menschen, die es gewagt haben, (berechtigte) Kritik anzubringen. Natürlich stehe ich zur SV Ried. Aber ich stehe nicht zu Daxl und ich stehe nicht zu allen anderen austauschbaren Personen die den Bezug zur Realität und den Menschen abseits des VIP-Clubs offenbar völlig verloren haben.
Doch auch Schiemer hat zumindest einen Fehler (mit-)gemacht: der Rauswurf von Lassaad Chabbi fand zum falschen Zeitpunkt statt und hätte schon viel früher, zumindest aber in der Länderspielpause unmittelbar nach dem 1:3 gegen Wacker stattfinden müssen. Auch die Übergabe an einen Berufstrainer (Thomas Weissenböck) nach seiner Interimstätigkeit erfolgte mindestens eine Woche zu spät (unter Schiemer setzte es ein lasches 2-0 gegen Wattens, ein vergessenswertes 0-0 in Kapfenberg sowie ein im Endeffekt fatales 0-1 in Wiener Neustadt).
In der medialen Farce rund um die Bestellung von Thomas Weissenböck zum Cheftrainer (der aus einer relativ sicheren Quelle bis knapp vor seiner Bestellung nichts von seinem Glück wusste – von wegen „Wunschkandidat“) haben beide Akteure übrigens auch ihr wahres Gesicht gezeigt. Amateurhaft Hilfsausdruck.
3.2) Die Spieler haben (auch menschlich) versagt
Die Zusammenstellung des vermeintlichen Aufstiegskaders durch die sportliche Führung rund um Schiemer, Chabbi und auch Daxl funktionierte augenscheinlich nach zwei Gesichtspunkten: es wurden Spieler geholt, die entweder aus Lustenau (Haring, Wießmeier, Grabher, Chabbi, Durmus) oder vom LASK (Grgic, Kerhe, Boateng, Mayer) bekannt waren. Dazu wurden (aus sentimentalen Gründen?) Spieler in Ried belassen (Gebauer, Reifeltshammer, Walch, Marcos, Ziegl, Fröschl), die jedoch leider teilweise ihren Zenit im Verein schon überschritten hatten. Mit den „Spielerblöcken“ verfolgte man die Idee einer schnelleren Spielfindung, vergaß aber auf menschliche Aspekte bzw. bestehende Vorurteile. So kam es einigen Quellen zufolge zu massiven Gruppenbildungen innerhalb der Mannschaft welche zu Saisonende in handfeste Auseinandersetzungen ausarteten.
Diese Gruppenbildungen hatten definitiv keinen positiven Effekt auf die spielerischen Leistungen. Man hatte als Fan auf der Westtribüne des Öfteren das Gefühl, dass nicht jeder Spieler für jeden anderen bedingungslos laufen und kämpfen würde. Mit ganz wenigen Ausnahmen wie etwa Lukas Grgic können sich daher alle Spieler von mir aus gerne (wieder) aus Ried verabschieden, weil sie größtenteils keine Ahnung haben, was es bedeutet das schwarzgrüne Trikot zu tragen. In Ried wird Fußball immer noch primär gearbeitet. Überhebliche Interviews wie jenes von Chabbi nach dem Match gegen Wattens, in dem er dem Schiedsrichter die notwendige Klasse abspricht, sind übrigens auch bezeichnend. Von Selbstreflexion und einem Suchen der Fehler bei der eigenen Person teilweise keine Spur.
Um einen Kollegen aus dem ASB zu zitieren: die Menschen im Innviertel sind fußballverrückt – über die Rieder (und nicht „Wikinger“, weil kein echter Rieder Anhänger mit diesem Terminus über seinen Verein spricht) wird überall und jederzeit diskutiert. Beim Wirt, im Café, beim Friseur (passiert mir immer mal wieder), an der Tankstelle oder im Supermarkt.
Natürlich war, ist und wird Ried nie die Endstation für einen ambitionierten Spieler sein – aber jeder Spieler hat die gottverdammte Pflicht, sein Maximum zu geben und zu laufen und zu kämpfen bis er sich übergeben muss, solange er das Trikot dieser Mannschaft anziehen darf. Apropos kämpfen: auch wenn Gelbe Karten kein Indikator für Einsatz sind – aber beim 0:1 gegen Hartberg wurde exakt ein Spieler verwarnt. Ich lasse das einfach einmal im Raum stehen.
Wenn kein Einsatz am Platz stattfindet, kann auch kein Funke auf die Menschen überspringen. Daher war die Verbindung zwischen Mannschaft und Fans in der abgelaufenen Saison wohl so schwach wie noch nie zuvor. Wer sich an die Aufstiegsmannschaft aus 2004/2005 erinnert: das waren ganz andere Typen, welche sich mit dem Verein identifizieren konnte und daher eine ganze Region im positiven Sinne anstecken konnten. Dieses Phänomen blieb in dieser Saison über weite Stecken (verständlicherweise) aus. Im Frühjahr folgten dann nach dem katastrophalen Beginn mit acht sieglosen Spielen auch diverse Supportstreiks und eine (noch) weitere Entfernung von Mannschaft und Fans. Das Band wurde nach dem Scheitern nun vorübergehend zerschnitten.
4) Einmal mehr: Quo vadis, SV Ried?
Zum nunmehr dritten Mal binnen eineinhalb Jahren muss ich leider diese Frage aufwerfen. Zum ersten Mal sind einige Fragen aber wirklich existenzieller Natur:
- Kann man die finanziellen Mittel auf die Beine stellen, um in der nächsten Saison den Wiederaufstieg anzustreben?
- Welche Spieler verfügen über einen gültigen Vertrag für eine weitere Zweitligasaison? Welche Spieler will man überhaupt behalten?
- Wie stark muss das Budget aufgrund der (viel) niedrigeren Fernsehgelder reduziert werden?
- Welche Konsequenzen ziehen Roland Daxl, die anderen Vorstandsmitglieder und Franz Schiemer aus ihrem Scheitern?
- Hat die Kooptierung von Maximilian Schmidt als Vorstandsmitglied im April schon den ersten Schritt eines größeren Plans dargestellt?
- Wie will man verärgerte Fans, Sympathisanten und Sponsoren aus der Region wieder für sich gewinnen?
Ich persönlich habe im April mit meinem Artikel #desisnetmeiverein schon ein klares Statement abgegeben, was ich von den letzten Entwicklungen bei der SV Ried halte. Überheblichkeit und unrealistische Ziele passen nicht in diese bodenständige Region. Vor allem, wenn man dann wie im Mai 2017 und auch im Mai 2018 kläglich scheitert. Understatement und Demut wären wie schon früher wieder deutlich passendere Grundhaltungen.
Alle, die mich kennen und in den letzten Wochen und Monaten auf mich zugegangen sind und mich auf meine Blogeinträge angesprochen haben, wissen wie vernarrt ich eigentlich in diesen Verein bin.
Doch das letzte Jahr, die letzten Monate, die letzten Wochen haben mich immer emotionsloser werden lassen. Es ist gut, dass die Saison zu Ende ist. Denn aktuell fühle ich mich von der SV Ried so weit entfremdet wie noch nie zuvor in meinem 34-jährigen Leben.
Vielen Dank an alle, welche sich bis zum Ende dieses Artikels durchgekämpft haben, man sieht/hört/liest sich.
Bildangaben: Zuschauerschnitt via weltfussball.at, Gegentore via bundesliga.at. Titelfoto (c) Florian Ertl, GEPA
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