Okay, ich habe mein Bewertungssystem heuer erneut geändert. Im Gegensatz zum Vorjahr besteht meine Liste diesmal nicht nur aus Serien, welche im Kalenderjahr 2019 ihre Premiere gefeiert haben, sondern auch (wieder) aus Fortsetzungen.
Ich nehme es gleich vorweg, hier eine Auflistung von populären Serien, welche ich (heuer) nicht geschaut habe:
The Americans | Catch-22 | The Marvelous Mrs. Maisel |
The Act | The Crown | Sex Education |
Barry | Euphoria | YOU |
The Boys | The Mandalorian | When They See Us |
Da wir das nun abgeklärt haben, here we go (again):
10. Mindhunter (2. Staffel | Netflix)
Manche Dinge sollte man am besten nicht herausfinden. Zum Beispiel, dass Jonathan Groff, der Hauptdarsteller aus „Mindhunter“, einer der Hauptcharaktere in „Frozen“ ist (bzw. diesem seine Stimme gibt). Denn diese beiden Rollen verhalten sich nämlich so diametral zueinander wie Homöopathie und echte Medizin. Wie auch immer, nachdem die 1. Staffel mit einem einschneidenden Erlebnis (kein Wortspiel) für den FBI-Agenten Holden Ford geendet hat, setzt die zweite Staffel unmittelbar am Ende des Vorgängers an. Doch nicht nur Agent Ford, sondern auch sein Kollege bzw. Vorgesetzter Bill Tench hat mit persönlichen Problemen rund um seinen Adoptivsohn zu kämpfen, weswegen er den Fokus auf seine Arbeit (und damit auch auf Ford) zunehmend verliert.
Abgesehen davon wird in der 2. Staffel mehr über jenen Serienkiller ans Licht gebracht, welcher während der 1. Staffel schon immer wieder in Anfangs- bzw. Endsequenzen kurz gezeigt wurde. „Mindhunter“ ist nichts für schwache Nerven und man muss stets im Gedächtnis behalten, dass es diese Serientäter wirklich gegeben hat und sie diese Taten wirklich begangen haben und die Aussagen wirklich so gefallen sind. Man merkt bei den Dialogen, dass David Fincher aufgrund seiner Historie rund um „Seven“ und „Zodiac“ auch der bestmögliche Regisseur bzw. Drehbuchautor für diese Serie ist.
09. Chernobyl (Miniserie | HBO/sky)
Der Preis für die deprimierendste Serie 2019 geht eindeutig an „Chernobyl“. Hier gibt es keinerlei Happy End, sondern nur Verlierer. Die Arbeiter, Feuerwehrleute und Bergarbeiter, welche in den sicheren Tod geschickt werden. Teilweise binnen Stunden, teilweise binnen qualvoller Monate. Die streunenden Hunde, welche aufgrund der Radioaktivität in ihrem Fell gezielt gejagt und erschossen werden. Die Sowjetunion bzw. das heutige Russland, welche den Vorfall bis heute punktuell vertuschen (wollen) bzw. falsche Angaben zu Opfern und erkrankten Personen gemacht haben. Kein Wunder also, dass die Serie in Russland verboten wurde bzw. auf den Index gesetzt wurde.
Wie erwartet hat auch „Chernobyl“ in seiner Kategorie (TV Movie bzw. Miniserie) alle Preise bei den Emmys abgeräumt, welche zu gewinnen waren. Das Ensemble rund Jared Harris, Stellan Skarsgard und Emily Watson agiert stets mit Bedacht, was beim exzellenten Drehbuch von Craig Mazin allerdings auch nicht verwunderlich ist. Die Serie verdeutlicht aber auch vor allem, wie knapp das Desaster an einem Desaster für Gesamt-Europa vorbeigeschrammt ist. Nur dank des Heldenmuts einzelner Personen konnte hier im Jahr 1986 noch (viel) Schlimmeres verhindert werden.
08. Russian Doll (1. Staffel | Netflix)
Amy Poehler („Parks & Recreation“) und Natasha Lyonne („Orange Is The New Black“) haben sich für diese Netflix-Produktion zusammen getan und quasi „Groundhog Day“ als Serie konzipiert. Bei „Russian Doll“ dreht sich alles um eine zynische Millennial-Frau namens Nadia, die eine Party in New York City besucht und am gleichen Abend stirbt. Und am nächsten Abend wieder. Und wieder. Und wieder. Wie auch beim Film mit Bill Murray verändert sich hier der Gemütszustand und die Vorgehensweise der Protagonistin mit fortschreitender Todesanzahl. Sieht sie die Zeitschleife zu Beginn noch als 2. Chance, so ist irgendwann Resignation zu spüren bevor sie dann versucht herauszufinden, wieso sie in dieser Zeitschleife festhängt.
Auch in dieser Serie gibt es einen „Reset-Song“ wie bei „Groundhog Day“. Allerdings handelt es sich dabei nicht etwa auch um „I Got You Babe“ sondern um „Gotta Get Up“ von Harry Nilsson. Die Serie endet jedoch im Gegensatz zum Film mit einem Cliffhanger. Angesichts der Tatsache, dass „Russian Doll“ im Juni für eine 2. Staffel verlängert wurde, ist dies auch gut so. Weil ich die Awards gerne erwähne: Natasha Lyonne wurde für ihre Rolle sowohl für Emmy als auch Golden Globe nominiert.
07. Killing Eve (2. Staffel | BBC America/MGM)
Ganz hat meine Lieblingsserie des Vorjahres aus der Feder von Phoebe Waller-Bridge (mehr dazu später) ihren Platz an der Sonne nicht verteidigen können. Die zweite Staffel der BBC America Serie (bei uns leider nur im MGM-Kanal von Amazon Video zu sehen) rund um eine Auftragsmörderin und ihrer zwanghaften Beziehung zu einer Kriminalpsychologin hält jedoch ebenfalls viele überraschende Wendungen und unerwartete Szenen parat. Getragen wird die 2. Staffel (im Gegensatz zur 1. Staffel) diesmal ganz klar von Jodie Comer in der Rolle der Villanelle.
Dafür konnte die Liverpoolerin heuer auch ihren ersten Emmy als Hauptdarstellerin in einem Drama gewinnen und ist auch bei den Golden Globes ein heißer Tipp. Ihr Charakter namens Villanelle ist schnell gelangweilt und bei ihren Auftragsmorden ruchlos und dabei verspielt wie ein Kind. Kein Wunder also, dass ihr das Aufkommen einer neuen Konkurrentin am Arbeitsmarkt ein Dorn im Auge ist und sie sich daher nicht nur um das perfide Katz-und-Maus-Spiel mit Kommissarin Eve (Sandra Oh, bekannt aus „Grey’s Anatomy“) kann.
06. Dark (2. Staffel | Netflix)
Ich habe mir die 1. Staffel von „Dark“ vor einem Jahr nicht angeschaut, weil ich irgendwo vernommen hatte, dass es ein deutscher Abklatsch im Windschatten des Erfolges von „Stranger Things“ sei. Nachdem ich dann heuer beide Staffeln binnen einer Woche gebinged habe, kann ich attestieren, dass dem nicht so ist. „Dark“ ist viel schräger und komplexer als „Stranger Things“. Die Serie bricht alle vorherrschenden Gesetze rund um Zeitreisen und die WTF-Momente werden immer häufiger. Man muss eigentlich ständig eine Liste der Charaktere vor sich liegen haben, damit man weiß, wer das gerade ist. Und wann er gerade ist. Und wie seine/ihre Beziehung zu den anderen Charakteren ist.
Die Produktion (Dialoge, Schnitt, Visuals, Ton etc.) an sich ist mit Sicherheit eine der besten, die je aus unserem Nachbarland gekommen ist, denn man hat nie das Gefühl, dass es sich um eine deutsche Serie handelt (ob dies jetzt negativ gemeint ist, kann jeder für sich selber festlegen). Die Serie war von Beginn an auf drei Staffeln konzipiert, was einerseits schade ist, andererseits auch gut ist, weil man so mit einem durchdachten Ende rechnen kann (looking at you again, Lost).
05. Watchmen (1. Staffel | sky/HBO)
Aus der Feder von Damon Lindelof stammt nicht nur mein geliebtes „Lost“, sondern auch das komplexe „The Leftovers“, welches heuer in vielen Bestenlisten der 2010er-Jahre ganz weit vorne platziert ist. Bei „Watchman“ hätte eigentlich alles passieren können – vom Riesenflop (wie der gleichnamige Kinofilm von Zack Synder aus 2008) bis zum Riesenhit. Im Endeffekt ist es dann die zweite Option geworden, sowohl bei Publikum als auch bei Kritikern.
Eine ausgezeichnete Cast mit gleich drei Oscar-Gewinnern (Regina King als Hauptprotagonistin, Louis Gossett-Jr. als mysteriöser alter Mann sowie Jeremy Irons als verrückter Wissenschaftler) trägt die Story rund um das dystopische Setting eines Amerikas, welches von Robert Redford regiert wird, bei dem Vietnam der 51. Bundesstaat ist und in dem Polizisten in Alabama Masken tragen müssen, um keine Angst vor Terror-Anschlägen von Ku-Klux-Klan-Nachfolgern zu haben. „Watchmen“ ist enorm brutal und teilweise skurril, hat aber jede Menge spannender Wendungen parat hebt sich aber wohltuend von anderen Superhelden-Serien aus dem DC-Universum ab.
04. Unbelievable (Miniserie | Netflix)
Mit „Unbelievable“ habe ich im Oktober krankheitsbedingt eine Mini-Serie entdeckt, welche heuer zum großen Überraschungserfolg (sowohl bei Publikum als auch Kritikern) wurde. Kaitlyn Dever (eine der beiden Hauptdarstellerinnen in „Booksmart“) spielt dabei eine junge erwachsene (und sozial schwache) Frau, welche gleich zu Beginn von einem maskierten Mann vergewaltigt wird. Weil sie sich bei ihrer Polizeiaussage in Widersprüche verstrickt und die Story allgemein relativ unglaubwürdig klingt, glaubt ihr niemand. Ein Horror-Erlebnis wird durch das Branding als Lügnerin und den daraus resultierenden Folgen noch potenziert.
Neben Dever wird die Cast von Toni Collette („The Sixth Sense“, „Hereditary“) und Merritt Wever ergänzt. Sie spielen die Rollen von zwei unermüdlichen Detectives, die Jahre später aufgrund eines ähnlichen Falles mit dem Serientäter vertraut werden. Manche Szenen in dieser Serie waren für mich (in diesem Falle könne ich sogar schreiben „als Mann“) hart anzusehen bzw. hart zu verkraften, auch weil man vor Ungerechtigkeit oft laut schreien möchte. Nomen est omen, es ist wirklich unglaublich wie sich diese (wahre!) Geschichte entwickelt.
03. Succession (2. Staffel | HBO/sky)
Einen großen Sprung nach vorne in meiner Liste hat heuer „Succession“ geschafft. Die Satire über einen alternden Medienmogul, der eigentlich aus seinem Imperium abdanken will, aber keines seiner vier Kinder für wirklich fähig genug hält, hat in der zweiten Staffel an Fahrt aufgenommen. Der Serienschöpfer Jesse Armstrong (von dem auch die „Black Mirror“ Episode „The Entire History Of You“ stammt) hat heuer für „Succession“ auch einen Emmy für das beste Drehbuch in einer Drama-Serie gewonnen.
Brian Cox brilliert in seiner Rolle des Rupert Murdoch Logan Roy und ist dabei noch zynischer und hinterhältiger als in der 1. Staffel. Holly Hunter (Oscar-Preisträgerin für „The Piano“) belebt die 2. Staffel als CEO eines verfeindeten Medienkonzerns noch zusätzlich. Gekrönt wird diese Staffel von einer unerwarteten Wendung im Serienfinale, welches ich mir anschließend nochmal anschauen musste, weil man einfach nicht damit rechnen kann. Und das Theme der Serie ist seit heuer mein neuer Klingelton (Anm. den man sowieso nie hört, weil mein iPhone stets auf lautlos geschalten ist).
02. Fleabag (2. Staffel | Amazon Video)
Wie schon bei „Killing Eve“ kurz angemerkt: Phoebe Waller-Bridge ist der Shootingstar des Kalenderjahres 2019. Vorher eigentlich nur Briten oder Insidern bekannt (ihre erste Serie „Crashing“ findet man übrigens auf Netflix), hat die 34-jährige Britin mit der 2. (und letzten) Staffel von „Fleabag“ heuer quasi alle Kritikerpreise eingeheimst. Darunter den Emmy für die beste Comedyserie, die beste Hauptdarstellerin in einer Comedy-Serie und für das beste Drehbuch in einer Comedy-Serie.
Im Sog dieses Erfolgs wurde sie dann auch als Autorin für das Drehbuch des kommenden Bond-Films „No Time To Die“ engagiert. „Fleabag“ hat einen einzigartigen Flow, hervorragende Schauspieler (wie u.a. Oscar-Preisträgerin Olivia Colman als böse Schwiegermutter) und eben ein famoses Writing. Hier hat man das Gefühl, dass jeder Strich und jede Szene einfach perfekt passen. Nebenbei ist „Fleabag“ auch verdammt witzig und berührend, ohne dabei aber auf die Tränendrüse zu drücken. Es ist einerseits schade, dass es keine 3. Staffel mehr geben wird. Andererseits aber kann PWB dadurch auch das eigene (Serien-)Denkmal nicht zerstören.
01. Mr. Robot (4. Staffel | USA/Amazon Video)
Bis zum 23. Dezember war die 4. und gleichzeitig letzte Staffel von Mr. Robot auf Platz 2 meiner Shortlist einzementiert. Doch mit einem enorm befriedigenden Serienfinale (looking at you again, Lost) hat es die Serie von Sam Esmail doch noch auf den Spitzenplatz geschafft. Mr. Robot ist keine Serie über Hacker (obwohl es keine realistischere Serie über Hacks und die von ihnen verwendeten Tools gibt). Mr. Robot ist eine Serie über die menschliche Psyche. Mit Ausnahme von Black Mirror zeichnet auch kaum eine andere Serie ein derart schonungsloses Bild der Gegenwart und nahen Zukunft. Wer die Serie 2015 begonnen hat und während der äußerst komplexen 2. Staffel aufgehört hat, sollte schleunigst wieder damit beginnen.
Die Folge 407 – Proxy Authentication Required ist ein Meilenstein der modernen Seriengeschichte. Diese Folge hält bei IMDb mit knapp 13.000 Votes bei einer Durchschnittswertung von 10.0 und nichts, aber rein gar nichts hat mich im Kalenderjahr 2019 in einem Film oder einer Serie mehr bewegt als diese Folge, die wie ein Kammerspiel aufgebaut ist und uns etwas Neues über den Charakter des Mr. Robot lehrt. Rami Malek wurde dank Mr. Robot zum Star und Oscargewinner (für Bohemian Rhapsody), die Karriere des Christian Slater wurde wiederbelebt und ich bin jetzt schon gespannt, welches Projekt Sam Esmail als nächstes in Angriff nimmt.
Was habe ich sonst geschaut?
The Good
Knapp an einem Platz auf der Liste vorbeigeschrammt sind das herzerwärmende After Life von Ricky Gervais sowie Lodge 49 mit Wyatt Russell als optimistischem Verlierer. BoJack Horseman bleibt die beste Animationsserie und wird mit der Beendingung der Serie in 2020 sicher einen Platz auf meiner Bestenliste finden. Die neuen Staffeln von Bosch und Goliath waren spannend, allerdings sollte man diese Serien aus meiner Sicht auch bald einmal beenden. Billions konnte im Vergleich zur letzten Staffel wieder zusetzen. Ich weiß bis jetzt nicht, was ich von The Politician halten soll. Exzellente Momente und klassische Ryan-Murphy-Scripts halten sich hier die Waage.
The Bad
Etwas enttäuschend war die letzte Staffel von Unbreakable Kimmy Schmidt. Sehr enttäuschend war die letzte Staffel von Arrested Development. Gelangweilt habe ich mich bei der zweiten Staffel von Jack Ryan sowie bei Good Omens, die ich jeweils nicht fertig geschaut habe. Bei Silicon Valley bin ich froh, dass aktuell die letzten Folgen der letzten Staffel laufen, diese Serie konnte nach einem enorm starken Beginn einfach nicht mehr zulegen.
The Ugly
Die letzte Staffel von The Affair habe ich nach zwei Folgen abgebrochen. Habe letztes Jahr geschrieben, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie diese funktionieren soll. Tut sie nicht. Die letzte Staffel von Game of Thrones befindet sich (wie ihr bemerkt habt) auch nicht nicht auf meiner Bestenliste. DB Weiss & David Benioff haben ein Exempel für die Ewigkeit statuiert, wie ein schlechtes Drehbuch die Legende einer ansonsten herausragenden Serie (SchauspielerInnen, Kostüme, Musik, Special Effects etc.) beschädigen kann. Auch Black Mirror hat die mit Abstand schlechteste Staffel der Seriengeschichte abgeliefert.
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